Der Zweck des menschlichen Lebens

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Ein anderer Zweck des Simrans ist, die Seele mit ihrem wirklichen Wesen gleichzusetzen. Noch ein anderes Ziel des Simran ist, das Selbst in die Lage zu setzen, sich selbst zu erkennen. Denn die Seele hat sich ja mit dem Körper identifiziert. Sie muss vom Körper zurückgezogen und an ihrem eigentlichen Sitz – in der Mitte zwischen den Augenbrauen – konzentriert werden.

Lord Krishna sagt in der Bhagavad Gita,

[...] dass die Großen in die Höhle eintreten, die von einer Stelle über der Nase ihren Ausgang nimmt.

Man kann Simran auf verschiedene Weise durchführen:

  • mit Hilfe des Rosenkranzes oder

  • mit der Zunge,

  • in der Kehle oder

  • im Herzen.

Heilige raten jedoch von diesen Methoden ab, weil sie leicht mechanisch werden und dem Gemüt erlauben, abzuschweifen. Eine Sammlung der Aufmerksamkeit scheint deshalb durch diese Methoden kaum möglich zu sein.

Darum raten die Heiligen, Simran mit der Zunge des Gedankens zu üben. Alle Heiligen, einschließlich Maulana Rumi, Guru Arjan und Soami Ji haben auf diesen Spirituellen Pfad hingewiesen.

Guru Arjan betete:

O Ihr Heiligen, habt Mitlied mit uns, wir müssen erst lernen, wie wir unseren Seelen dienen können.

Wir arbeiten auf den intellektuellen und den Sinnesebenen. Bis wir gelernt haben, uns über das Körperbewusstsein zu erheben, verändert sich unsere missliche Lage nicht.

Yogis versuchten den Atem durch kumbhak zu beherrschen, um gesammelte Aufmerksamkeit zu erlangen. Das ist ein schwieriger Vorgang, den nicht jeder durchführen kann. Deshalb stören Heilige die Atmung nicht. Sie ziehen ihre gesammelte Aufmerksamkeit am Sitz der Seele zusammen, der sich in der Mitte der beiden Augen befindet. Dies geschieht durch gedanklichen Simran. Führen wir das mit ganzer Aufmerksamkeit durch, wird die Seele aufhören, durch die Poren des Leibes auszuströmen. Der Körper wird dann empfindungslos. Erst danach kommt die so in sich gesammelte Seele in Verbindung mit Gott.

Dennoch ist gedanklicher Simran nicht so leicht, wie es zu sein scheint.

Er kann nur erfolgreich geübt werden durch die Segnungen eines Kompetenten Meisters. Es ist auch ein Unterschied, ob man Simran durch die Wiederholung der durch einen Kompetenten Meister gegebenen Namen übt oder ob man diese den Heiligen Schriften einer Religion entnimmt.

Die durch einen Kompetenten Lebenden Meister bei der Initiation gegebenen Namen sind mit Seinem Gedankenimpuls geladen, in Welchem eine Gewaltige Kraft wirksam ist. Deshalb ist diese Art Simran allen anderen Simranformen überlegen.

In den Veden und anderen Heiligen Schriften steht, dass der nach Gott Strebende die Führung durch einen Wirklichen Meister suchen muss. Außer den geladenen Namen gibt der Meister auch noch eine tatsächliche Verbindung mit der Göttlichen Kraft. Da erhebt sich nun die Frage, wie man zu dieser Kompetenten Führung kommen kann.

Soami Ji heißt uns, dem Meister zu dienen. Man kann Ihm auf vielen Wegen dienen, körperlich, finanziell, mit dem Verstand und spirituell. Man sollte ein keusches und reines Leben führen. Lasst euren Körper immer in selbstlosem Dienst tätig sein. Dies ist leibliches Dienen. Einen Teil des Einkommens sollte man für wohltätige Zwecke geben. Das wäre finanzieller Dienst. Nach Erfüllung der familiären Bedürfnisse müsst ihr einen Teil eures Verdienstes im Namen Gottes beiseite legen. Hier handelt es sich um eine Pflicht, die man nicht vernachlässigen darf. Dienst mit Herz und Verstand findet seinen Ausdruck in der Liebe für alle, indem wir keinen hassen und uns an die Wahrheit halten. Der Dienst der Seele ist von höchster Bedeutung. Um dies zu vollbringen muss man sich über das Körperbewusstsein erheben und das Innere Auge öffnen.

Ein Meister braucht unsere Dienste nicht im herkömmlichen Sinn. Wenn wir nur Seinen Geboten folgen, unser Leben rein erhalten, dann dienen wir nicht nur dem Meister, sondern unserem eigenen Selbst.

Der Meister liebt jene am meisten, die ihren eigenen Seelen dienen und ein gottesfürchtiges Leben führen. So ermahnt uns also Soami Ji, uns die Gesinnung des Dienens zu eigen zu machen und von sinnlichen Wünschen abzustehen.

In der Sinnlichkeit sind alle Begierden mit eingeschlossen. Es ist deshalb wesentlich, an der Keuschheit festzuhalten.

So wie Licht und Finsternis nicht gleichzeitig sein können, sind auch das Wort und sinnliche Begierden unvereinbar. Aus diesem Grunde ist Keuschheit zu beachten. Verheiratete aber brauchen nicht zu verzweifeln. Sie sollten ein diszipliniertes Leben führen in Übereinstimmung mit den Heiligen Schriften, die ehelichen Beziehungen nur zum Zweck der Zeugung erlauben. 

Die meisten Heiligen oder Großen Seelen, Mahatmas waren Familienväter und erfüllten Ihre familiären Verpflichtungen. Hazur, Sawan Singh, sagte, dass jene, die ihre Kinder rein und keusch erziehen wollen, selbst so sein sollten. Kinder neigen dazu, es ihren Eltern gleichzutun.

Soami Ji verlangt also von uns dreierlei, wenn wir uns über das Körperbewusstsein erheben und Verbindung mit Naam erlangen wollen: Simran zu üben, dem Meister zu dienen und ein reines Leben zu führen.

Weiter sagt Soami Ji, dass man einen Vorgeschmack vom Göttlichen Nektar nur dann mit Hilfe eines Meisters bekommen kann, wenn man Gemüt und sinnliche Wünsche beherrschen gelernt hat. 

Gegenwärtig ergießt sich die Seele durch die Sinne nach außen. Bezähmt eure Sinne und festigt euer Gemüt. Dann werdet ihr wissen, wer ihr seid. Erst wenn ihr euch selbst erkannt habt, kann sich die Frage nach der Erkenntnis des Überselbst ergeben. Jene, die ihre Sinne beherrschen, können sich selbst befreien vom feindlichen Einfluss der Gier, des Ärgers, des Geizes, des Verhaftetseins und der Eitelkeit.

Diese fünf Todfeinde greifen uns durch die fünf Sinne an. Ihr könnt diesen verhängnisvollen Angriffen nur entrinnen durch das Erheben über das Körperbewusstsein.

Die Upanishaden stellen fest:

Die Seele fährt im Wagen des Körpers, getrieben durch die Sinnes-Pferde, mit den Zügeln des Gemüts und mit dem Verstand als Fahrer, in die Arena sinnlicher Vergnügungen.

Mit Nachdruck weist Soami Ji auf die Notwendigkeit hin, Sinne und Gemüt zu beherrschen. Ist dies geschehen und die Seele erhebt sich über das Körperbewusstsein, dann entbietet der Meister im Innern den Göttlichen Heiltrank von Naam. 

Sind nun diese Lehren für irgendeine besondere Religionsgemeinschaft gedacht? Die Lehren aller Großen Seelen sind für die gesamte Menschheit und nicht für die Anhänger irgendeiner besonderen Religion.

Hazur pflegte zu sagen:

Geh zu dem Tor, wo – erfüllt von Mitleid und Barmherzigkeit – der Satguru wartet, dich in Empfang zu nehmen.

Welches Tor ist damit gemeint?

Es ist das Tor in der Mitte und hinter den beiden Augenbrauen. Wenn die Seele einmal die Gelegenheit bekommt, das Elixier von Naam zu kosten, dann hat sie einen Ausgangspunkt für ihre Spirituelle Reise zum endgültigen Bestimmungsort gewonnen. Außerdem befreit dies vom Netzwerk des Gemüts.