Der Zweck des menschlichen Lebens

VI

Auf dem Spirituellen Pfad ist das Gemüt ein gewaltiges Hindernis. Immer ist die ganze Welt sein Opfer gewesen. Sogar Mahatmas und Rishis, große Seelen der Vergangenheit, die verschiedene Methoden anwandten, das Gemüt zu überwachen, unterlagen in irgendeinem Stadium seiner mächtigen Einwirkung. Umso mehr müssen wir das Gemüt überwachen. 

Aber wie? 

Es kann nicht kontrolliert werden durch äußeres Streben, wie zum Beispiel aus den Heiligen Schriften lernen oder sie studieren. Wird es auch eine Zeit lang gezügelt, entzieht es sich doch wieder der Überwachung, denn es ist immer hinter sinnlichen Vergnügungen her. 

Hauptsächlich gibt es zwei Verlockungen für das Gemüt: Schöne Dinge anzusehen und auf liebliche Melodien zu hören. Im gleichen Augenblick, in dem ihr melodische Musik hört, wird eure Aufmerksamkeit auf sie gelenkt.

Der einzige Weg, das Gemüt in den Griff zu bekommen ist, es mit Naam zu verbinden, das diese beiden Anziehungspunkte aufweist. Innerhalb der verschiedenen spirituellen Ebenen hat man wundervolle Augenblicke und hört bezaubernde Melodien. Wenn das Gemüt innen faszinierendere Erfahrungen macht als außen, wird es automatisch bezwungen. Folglich wird man erst wunsch- und begierdelos, wenn man eine Verbindung mit Naam herstellt. 

Nach einem Gleichnis sprang einst Lord Krishna in den Yamuna-Strom, in dem eine tausendköpfige Kobra lebte.

Er vollführte einen Tanz auf ihren Köpfen zu den Klängen seiner Lieblingsflöte und bändigte damit die Tod bringende Schlange. Was ist mit diesem Gleichnis gemeint? Die tausendköpfige Kobra ist das Gemüt. Dieses vergiftet uns auf unzählige Weisen. Kommen wir in Einklang mit dem Inneren Himmlischen Tonstrom, kann das Gemüt besiegt werden. Es gibt kein anderes Mittel.

Ein Moslem-Mystiker sagte, wenn man fest entschlossen sei, Gott zu erreichen, trete man mit dem ersten Schritt auf das Gemüt, mit dem zweiten wird man dann Gottes Thron erreichen.

Soami Ji rät, unser Zaudern aufzugeben und unverzüglich mit der Meditation zu beginnen. Sahaj-Yoga, der durch die Heiligen gewiesene Pfad, hat drei Aspekte:

Simran, Meditation und das Ergreifen des Himmlischen Tonstroms.

Simran erhebt die Seele über das Körperbewusstsein. Wenn dies einmal geschehen ist, wird durch Meditation oder Versenkung – mit hingebungsvoller Aufmerksamkeit geübt – ein Ruhepunkt für ihr Bleiben geschaffen, bis sie den Himmlischen Tonstrom erfasst und ihm lauscht.

Shamas-i-Tabrez sagt:

Jeden Augenblick ruft ein Göttlicher Ton meine Seele, zum Herrn zu kommen.

Tulsi Sahib sagt ebenfalls:

Lausche mit gespannter Aufmerksamkeit im Bogengang der wirklichen Kaaba (Körper) und du wirst einen Ruf vom Jenseits hören.

Dieser Körper ist Gottes Tempel und die Stirn der Bogengang des von Tulsi Sahib beschriebenen Tempels. Aufschub ist der Dieb der Zeit. Wir neigen dazu, die Meditation durch den einen oder anderen Vorwand hinauszuschieben. Beginnen wir sogleich mit dem Meditieren, so dass wir aus dem sterblichen Körper herausgehen können.

Am Ende muss der Körper ja doch zurückgelassen werden. Wenn wir lernen, ihn während des Lebens zu verlassen, kann der Tod uns nicht beunruhigen. Wir werden dann sorgenfrei sein.

Soami Ji sagt, einzig der Satguru ist imstande, die Seele über das Körperbewusstsein zu heben. Bittet deshalb mit jedem Atemzug um die Gnade eines Wahren Meisters. Ich habe bereits über die Wirksamkeit von Simran gesprochen. Er bringt die Seele über das Körperbewusstsein. Ein anderer, aber gleich wichtiger Punkt ist, dass die Seele jetzt dem Körper verhaftet ist.

Ohne die Hilfe eines Kompetenten Meisters mit Seiner Gedankenübertragung durch persönliche Aufmerksamkeit kann die Seele weder vom Körper getrennt, noch über das Körperbewusstsein erhoben werden. Hier liegt die Größe und Wichtigkeit eines Satguru. Prüfen wir die Echtheit eines Gurus sachlich, so besteht diese darin, dass Er fähig ist, die Seele zu ihrem eigentlichen Sitz zu erheben. Deshalb müssen wir Seine Gnade und Hilfe erbitten. Alle Großen Seelen baten gleicherweise darum.

Maulana Rumi bestätigt das durch Seine Frage:

Wer ist fähig, die Menschheit aus diesem mysteriösen Irrgarten (Welt) zu befreien?

Nur ein Prophet oder ein Meister, Der beauftragt ist, dies zu tun.

Deshalb müssen wir die Hilfe einer Verwirklichten Seele suchen; aber es muss wirklich eine Seele sein, Die Sich Selbst erkannt hat.

Wenn ein sogenannter Meister seine eigene Seele nicht über das Körperbewusstsein erheben kann, wie sollte er anderen dazu verhelfen können?

Die Verantwortlichkeit eines Kompetenten Meisters ist tatsächlich groß. Nicht nur hilft und führt Er uns in dieser Welt, sondern Er ist auch ein Lichtträger auf unserer Inneren Reise.

Soami Ji betont deshalb nachdrücklich, dass Beten zu einem Kompetenten Meister der einzige Ausweg sei. Aus Barmherzigkeit wird Er uns eine Erfahrung des Überbewusstseins vermitteln. Danach folge man Seinen Geboten, gedenke ständig Seiner von ganzem Herzen und halte sich daran, Ihm immer eifrig zu dienen.

Auch Tulsi Sahib fordert uns auf, durch den Schleier der Dunkelheit hinter den Pupillen der Augen zu sehen. Wie man das macht? Er sagt, wir sollten zu einer Seele gehen, Die Gott verwirklicht hat.

Ein solcher Meister wird uns eine Innere Erfahrung vermitteln, uns über das Körperbewusstsein heben und uns sagen, wie wir durch die Innere Dunkelheit hindurchsehen können.

Unser Inneres Auge wird also geöffnet. Alle Heiligen stimmen in diesem Punkt überein.

Soami Ji hat uns geraten, voller Liebe die Gesellschaft eines Wirklichen Meisters zu suchen. Geht dahin in liebender Hingebung, und lasst alle weltlichen Gedanken hinter euch. Ihr solltet dann nur einen Gedanken haben – den Gedanken an euren Meister. Sitzt dort, versunken in Ihm, und lauscht mit voller Aufmerksamkeit, was euch der Meister zu sagen hat.