Teil I: Kapitel II / II – (viii)

Samadhi

Das Wort Samadhi ist von zwei Sanskrit-Wurzeln abgeleitet: von 'Sam,' was 'zusammen mit' bedeutet (griechisch/deutsch: 'syn') und 'adhi' (das Ursprüngliche Sein) mit der hebräischen Entsprechung 'Adon' oder 'Adonai' was 'Herr' heißt, so dass beides zusammen, sam plus adhi, einen Zustand bezeichnet, in dem das Gemüt vollständig in den Herrn oder Gott vertieft ist. In ihm fallen alle begrenzenden Formen ab, und der Mensch, gänzlich losgelöst von aller Individualität, erfährt darin die große Wahrheit des – Ayam Atma Brahma – 'Ich bin Du.'

Dies ist die letzte und höchste Stufe in dem lange währenden Prozess des auf Erfahrung beruhenden Yoga und kann darum als die Blüte des Yogasystems angesehen werden. Dhyan selbst entwickelt sich nach und nach zum Samadhi, wenn der Meditierende jeden Gedanken an sich selbst verliert und das Gemüt Dhya-rupa, die Form seines Gedankens, annimmt. In diesem Zustand ist sich der Strebende keines äußeren Gegenstandes bewusst; er erfährt nur das Bewusstsein selbst, was alle Wonne und vollkommene Glückseligkeit mit sich bringt.

Es gibt zwei Mittel, durch die man Samadhi erlangen kann: Die Vedehas (solche, die sich über das Körperbewusstsein erheben) erlangen ihn, indem sie die Natur des Gemütsstoffes zerstören, der beständig hinter den materiellen Dingen her ist, und ihn zu einer Inneren, auf ein Ziel ausgerichteten Aufmerksamkeit bringen. Andere rufen diesen Zustand hervor, indem sie zuerst Einsicht und Unterscheidung durch Glauben, Energie und das Erinnerungsvermögen üben. Es gibt noch andere Arten des Samadhi.

In Dhyan oder der Meditation (die auf ein Ziel gerichtete Aufmerksamkeit) unterscheidet man noch zwischen dem Meditierenden und dem Gegenstand der Meditation; aber im Samadhi oder der Identifikation mit dem Ganzen schwinden auch diese Unterschiede, da die eigene Individualität gleichsam nicht mehr besteht. Es ist diese Versenkung in das Unendliche, was die Befreiung von allem begrenzenden Beiwerk bringt, denn man erhält dabei einen Einblick in den Kern aller Dinge und eine Erfahrung der subtilen (Adhi Devaka) und abstrakten (Adhi Atmic) Aspekte von allem, was existiert.

Der Samadhi oder das Einssein mit dem Absoluten kann von der Bewusstheit der eigenen Individualität begleitet sein. In diesem Fall ist er als Savikalpa bekannt. Fehlt dieses jedoch ganz, wird er Nirvikalpa genannt. Der erste Zustand wurde von Shri Ramakrishna mit einer Wollpuppe verglichen, die, wenn sie ins Wasser gesteckt wird, davon durchtränkt ist; den anderen vergleicht er mit einer Salzpuppe, die sich, wird sie ins Wasser getaucht, darin auflöst und verliert. Nirvikalpa ist der eindeutig höhere Samadhi, denn Savikalpa ist, wenngleich er die Schau sehr erweitert, doch nur ein vorbereitender Schritt zum unbedingten Zustand. Nicht alle Yogis können Nirvikalpa erlangen, und wenn sie dahin kommen, geschieht das gewöhnlich nur einmal in ihrem Leben. Sie entrinnen dadurch schließlich dem Bereich von Name und Form und werden befreite Wesen. Ihr unausgewirktes vergangenes und gegenwärtiges Karma (sanchit und kriyaman) kann sie dann nicht mehr gebunden halten, aber das ihres gegenwärtigen Lebens (Pralabdh) muss erfüllt werden, und sie müssen bis zum letzten Augenblick leben. Wenn sie vom Nirvikalpa zum alltäglichen menschlichen Bewusstsein zurückkehren, leben und bewegen sie sich wie andere Menschen auch, aber indem sie ihren weltlichen Pflichten nachkommen, ruhen sie auf ewig im Göttlichen und sind niemals mehr davon getrennt.

Dieser Zustand der normalen Betätigung auf der Sinnesebene, jedoch erfüllt von Gotterkenntnis, wird Sehaj Samadhi oder ein Zustand des 'leichten Einswerdens' genannt.

Ob sie sitzen, stehen oder gehen, verbleiben sie stets in einem Zustand ewigen Gleichgewichts.

Kabir

Es mag an dieser Stelle noch eine andere Art Samadhi erwähnt werden, der Bhava Samadhi, bei dem sich der Ergebene in hingebungsvolle Musik und Gesang vertieft und dabei jeden Gedanken an sich und die Welt ringsum verliert. Dieser Samadhi ist für Menschen mit gefühlvoller Gemütsart leicht zu erreichen; er gewährt augenblickliche Verzückung und innere mentale Erleichterung; aber er führt nicht zum Einswerden mit dem Göttlichen und erweitert auch nicht das Bewusstsein. So lässt sich der Begriff Samadhi nur bedingt auf diese Art der Hingabe anwenden, denn sie zeigt keines der wesentlichen Attribute eines überbewussten Zustandes und ist darum auch nicht von großem Nutzen auf der Inneren Spirituellen Reise.

Der Zustand des Samadhi ist nicht steinern und träge oder einer, bei dem man sich wie eine Schildkröte in seinen Panzer zurückzieht. Jeder von uns ist mit einem reichen Inneren Leben voll unsagbarer Spiritueller Kostbarkeiten ausgestattet, deren wir uns natürlich im alltäglichen Sinnesleben, das wir gewöhnlich führen, nicht bewusst sind. Wir können uns nach Innen wenden und unsere Schau ausdehnen, um innerhalb ihres Bereiches nicht nur ein kosmisches Leben, sondern sogar ein noch höheres zu umfassen, das Ausblicke freigibt, die weit über den menschlichen Gesichtskreis hinausreichen. Es ist ein Seinszustand, eine direkte Wahrnehmung, eine wesenhafte Erfahrung der Seele, ein unmittelbares und klares Erkennen des Spirituellen Anubhav (Innere Verwirklichung), wie es gewöhnlich genannt wird. Professor Bergson, ein großer Philosoph, glaubte und empfand, dass es eine andere und höhere Quelle des Wissens gebe als den Verstand, der lediglich auf Schlussfolgerungen oder den Denkprozess beschränkt ist. Er nannte es Intuition, aber dieser Seinszustand geht noch über die Intuition hinaus, zu einem direkten und unmittelbaren Wissen; denn Intuition ist nur ein anderer Name für die Gesamtsumme unserer in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen. Der gewöhnliche Mensch bedarf nicht der Überlegung oder der Intuition, um an die Existenz der Sonne glauben zu können. Er sieht sie, es ist Prataksha, und das macht jeden Beweis überflüssig.

Jedes Wahre Wissen existiert durch sich selbst und ist von den Sinnen völlig unabhängig. Es ist die Tätigkeit der Seele und ohne die Sinne vollkommen […],

sagt Ben Jonson.

Der sicherste Weg zur Wahrheit

sagt Henri Bergson,

führt über Wahrnehmung, Intuition und Gedankenarbeit bis zu einem bestimmten Punkt; und dann muss man den tödlichen Sprung tun.

Es ist Divja Drishti oder Jnana Chakshu (das heißt die direkte Erfahrung der Seele von der Wirklichkeit selbst). Durch das Aufblitzen Spiritueller Lichtschimmer aus dem Jenseits erlangt man in Form Spiritueller Einsicht, Inspiration und Offenbarung einen Blick von der Wahrheit. Die Spirituelle Erfahrung, obgleich sie durch sich selbst besteht und über den entferntesten Grenzen des Verstandes liegt, steht diesem nicht entgegen, sondern vervollkommnet ihn.

Auch ist Samadhi Chaitanya oder Allbewusstheit und etwas anderes als Jar Samadhi. Ein Hatha Yogi zieht seine Pranas mittels Khechari Mudra im Sahasrar Chakra, dem Sitz des Jiva Atma oder der Seele, zusammen und kann in diesem Zustand der Leere monate- oder jahrelang in einer Berghöhle oder einem unterirdischen Gemäuer verbleiben. Es handelt sich hierbei um eine Art Yoga Nidra oder Yogaschlaf, der weder ein übersinnliches Wissen noch eine Spirituelle Erfahrung mit sich bringt. Dagegen befindet man sich im Chaitanya Samadhi in einem Zustand völliger Bewusstheit und kann ihn nach Belieben mit einer neuen übersinnlichen Erfahrung und Spirituellen Weisheit beenden. Den Jar Samadhi kann man nicht selbst abbrechen; man braucht andere, die es mittels einer komplizierten Massage usw. machen. Ein Raja-, ein Bhakta- oder ein Jnana Yogi erwachen leicht, wenn man ihren Körper schüttelt und indem man ein Muschelhorn bläst oder einen Gong anschlägt.

Dieser Chaitanya Samadhi wird erreicht, wenn die Gunas, aller Bewegung bar, unwirksam werden und die Bewusstseinskraft in ihrem Wesen gefestigt ist; er wird deswegen vielfach Kaivalya Samadhi genannt oder der ganz leichte und unabhängige Samadhi.