Teil I: Kapitel II / II – (viii)
a) Samadhi Yoga

Wie bereits an anderer Stelle gesagt, bedeutet Yoga Stetigkeit des Gemüts, die aus Chit-vriti-nirodha (Zunichtemachen des Gemüts oder das Aufheben aller mentalen Schwingungen darin) hervorgeht, und der Begriff Samadhi, der von den beiden Sanskrit-Wurzeln 'sam' und 'adhi' abgeleitet ist, bedeutet Aufnahme, Vertiefung, Stetigkeit in der Kontemplation oder tiefe Innere Konzentration.

Jeder Mensch kommt mit seinem eigenen Hintergrund auf die Welt, der ihn für eine besondere Art des Yoga aufnahmefähig macht, und darum sollte er sich den Yoga-Praktiken hingeben, die ihm am meisten zusagen. Die Höchste Art des Yoga ist der Samadhi Yoga. Manche Kinder neigen von Natur aus dazu, und manche Menschen können sich ihm sofort zuwenden, ohne sich der schwierigen Schulung hingeben zu müssen, die für die Menschen im Allgemeinen angeraten scheint. Ihnen kann man die Ausübung dieses Yoga ohne Bedenken nahelegen, da sie durch die früheren Samskaras dafür reif sind:

Das Gemüt erlangt Vigyan oder Jnana im Kehl-Chakra (das im Wachzustand mit dem Sitz des Bewusstseins eng verbunden ist). Vigyan und Anand, Bewusstsein und Glückseligkeit, dämmern nur in Sahasrar oder Sahasdal-Kanval auf, dem tausendblättrigen Lotos hinter den beiden Augenbrauen; und Samadhi Yoga strebt die Verwirklichung dieses Zustandes an, in dem man die der Seele innewohnende Glückseligkeit bewusst wahrnimmt.

Samadhi ist weiter ein Zustand reiner Wonne, welche die unmittelbare Quelle alles anderen ist: von Vigyan (Jnana), Manas (Gemütsstoff), Pranas (Lebensenergie) und Ana (die physische Welt der Sinnesgegenstände).

Da Anand oder Glückseligkeit den wesentlichen und grundlegenden Unterbau von allem, was existiert, darstellt, ist dies die Ursache dafür, dass man in allen Geschöpfen ein angeborenes Verlangen nach Sättigung, Glück und Wonne vorfinden kann. Nicht nur der Mensch, auch die Tiere, die Insekten und wirklich alle erschaffenen Wesen sind, in verschiedener Weise und unterschiedlicher Stärke (Intensität), auf ständiger Suche danach jedes entsprechend seiner eigenen Natur. Aber die volle Bedeutung oder Bewusstheit davon dämmert erst im Menschen auf, wenn er sich im Zustand des Samadhi befindet. Es ist ein stufenweiser Prozess, bei dem man sich von einer Ebene zur anderen erhebt, bis Jnana und die Glückseligkeit im Samadhi vereint sind und man diesen wonnevollen Zustand bewusst und klar erfährt. Dieses ist das einzige Ziel des Samadhi Yoga.

Die wesentliche Eigenschaft der Glückseligkeit ist kennzeichnend für die Seele oder den Atman.

Es ist der Schleier von Vigyan oder Jnana, der sich dazwischenlegt und den wonnevollen Zustand überdeckt. Sobald jedoch dieser Schleier entfernt wird und man sich über die höhere Ebene des Verstandes (das Ich-bewusstsein) erhebt, erfährt man das Wahre Glück und den wonnevollen See des Atman, der einen von innen und außen zu unermesslichen Tiefen und unfassbaren Höhen durchdringt.

Die vier Koshas, die dazwischen liegen: Ana, Manas und Vigyan, sind nur Haltestellen auf der Reise, um die Yoga-Übung nach und nach zur vollen Blüte zu bringen und das Bewusstsein bei seinem weiteren Abstieg mit Nahrung zu versorgen. Doch wenn es einmal stetig wird und die Spirituelle Wonne erfährt, weiß es um die echten und höheren Werte des Lebens und hört auf, sich für die vergänglichen und wesenlosen Freuden der Welt zu interessieren, sondern vertieft sich in die absolute Glückseligkeit und Wonne. Dies ist der Höhepunkt des Sirituellen Sadhan (Übung). Wenn dieser einmal erreicht ist, bleibt nichts weiter zu tun übrig. Das Bedauerliche bei den meisten von uns ist jedoch, dass wir oft Gyan oder Jnana für das Ziel allen menschlichen Strebens halten und darum nicht versuchen, diesen Schleier zu durchdringen und darüber hinaus zum Selbstbewusstsein zu gelangen, um von dem wonnevollen Urquell der Seele zu kosten, der dahinter liegt. Indem wir daher weder eine Verbindung mit der Bewusstheit dieser Wonne haben noch einen Vorgeschmack von ihr, werden wir nur dem Namen nach Vachak Gyanis oder Jnanis und bleiben somit eine ständige Beute grundloser Ängste und depressiver Gemütszustände, bedrängt von Zweifeln und Sorgen, die uns im alltäglichen Leben dieser Welt verfolgen.

Darum heißt es ganz richtig:

Ein wirklicher Jnani ist einer, der sich mit dem Wort verbindet.

Nach alledem ist Vigyan ein Zustand, der unter Anand oder der Wahren Wonne liegt.

Diejenigen, die dem physischen Körper huldigen, bleiben in das Gewebe der Ana-mai-Hülle verstrickt; die sich den Sinnesfreuden hingeben, in das Netzwerk von Pran-mai und die vom Gemüt Beherrschten in die Man-o-mai-Hülle. So stecken viele der sogenannten Jnanis im Sumpf von Vigyan-mai-kosh, ohne zu wissen, dass noch eine Stufe darüber liegt, welche von weit größerer Bedeutung ist als jene. Die vier uns umgebenden Hüllen sind dick und schwer, sie liegen dicht übereinander und bedecken das Kronjuwel vollkommener Glückseligkeit (anand). Der große Juwelier, Gott, hält Anand in der innersten und erlesenen Kassette von Vigyan verborgen, die durch ihren farbenreichen Zauber selbst die so genannten Jnanis an das Körperbewusstsein bindet.

Die Ringer, solche, die sich der Körperentwicklung widmen, und die Charvakas oder Epikuräer, die das körperliche Wohlergehen und das Vergnügen als des Lebens Ziel betrachten, gehören zur Klasse der Ana-mai Jivas; sie leben und sterben allein für diese Sache.

Als Nächstes kommen die Menschen, die etwas mutig, unerschrocken und unternehmungslustig sind. Sie nähren ihre Ideen, Prinzipien und Überzeugungen ebenso wie ihre physische Form und sind immer bereit, für sie einzustehen; zeitweise sogar auf Kosten weltlicher Bequemlichkeiten. Sie gehören zu den Pran-mai Jivas, denn sie werden durch die Pranas beeinflusst, von denen alles Leben abhängt. Das Wasserelement überwiegt bei ihnen, denn Prana bedeutet Leben, und Leben kommt vom Wasser. In der Chandogya Upanishade heißt es, dass das Wasser und nicht die Nahrung die Quelle des Lebens ist und das Leben vom Wasser abhängt.

Menschen mit starken Gefühlsregungen und Empfindungen bleiben ständig und mehr als alle anderen den Manas verhaftet, da in ihnen das Feuerelement dominiert. Alle Dichter, Schriftsteller, Erfinder und Konstrukteure fallen hierunter und gehören somit zu den Man-o-mai Jivas. Ihre ganze Energie wird in Richtung des Gemüts geleitet, und sie sind völlig in Anspruch genommen von dem, was ihr Herz gerade verlangt. Sie sind Märtyrer auf dem Wege des Gemüts.

Dann haben wir eine Gruppe von Menschen, die, während sie in vernünftiger Weise ihr körperliches Wohl und auch die Gedanken, Glaubensanschauungen und mentalen Bestrebungen unterhalten, in der Hauptsache dem intellektuellen Denken und Schlussfolgern verschrieben sind, indem sie das Warum und Wofür aller Dinge ergründen wollen. Diese Menschen gehören zur Kategorie der Vigyan-mai Jivas und werden hauptsächlich durch das Luftelement beherrscht.

Die Höchsten in der Skala der menschlichen Schöpfung sind die Anand-mai Jivas, die die Wonne und das Wahre Glück allem anderen vorziehen, die sich immer auf der Suche danach befinden und nicht ruhen, bis sie es gefunden haben. Sie sind ätherische Wesen und leben im alles durchdringenden Äther, ohne irgendeine Beschränkung. Es ist die subtilste der uns umgebenden Hüllen, oberhalb derer nur noch Nirvana liegt der Zustand immerwährender Glückseligkeit, befreit von allen Umhüllungen, unaussprechlich klar, ein bewusstes Ruhen in der Allwissenheit.