Teil I: Kapitel III / I – (i)

Die Technik im Mantra Yoga

Der Mantra Yoga befasst sich mit der rhythmischen Wiederholung von streng versiegelten heiligen und geheimen Formeln, die durch die uralten Mantrakaras (Adepten in der Phonetik und in der Kraft der Töne, einschließlich der des Ultraschalls oder der Töne, die jenseits des menschlichen Fassungsbereichs liegen) zusammengestellt wurden. Jede dieser Formeln war dazu gedacht, eine bestimmte Gottheit, die die eine oder andere Naturkraft repräsentiert, für sich zu gewinnen. Man kann den Mantra Yoga mit oder ohne Hilfe eines Rosenkranzes aus Rudraksha oder Tulsi-Perlen üben, wie es die Shivaiten beziehungsweise die Vishnuiten tun.

Mantras stellen Vibrationen dar. Das heiligste Mantra der Veden ist das Gayatri. Es ist das Mool Mantra der Veden und wird daher als das bedeutendste angesehen. Man sagt, dass seine Wirksamkeit groß sei, und sein Japa oder die Wiederholung wurde allen Hindus von frühester Jugend an eingeschärft. Die leichteste und wirksamste jedoch ist die heilige Silbe Aum, die das schöpferische Lebensprinzip symbolisiert; und daher beginnen die meisten Mantras mit dieser heiligen Silbe. Die Advaitisten, die die Kraft Gottes allen Formen innewohnend und alles durchdringend sehen, glauben an das Mantra der Identifikation des Atman mit Paratman: Aham Brahm Asmi (Ich bin Brahman) und Ayam Atma Brahman (Ich bin Du); sie sind oft verkürzt zu Soham oder Sohang und Hansa oder  Aham-sah, was 'Ich bin Er' oder 'Er ist ich' bedeutet.

Die Vedantisten wiederholen Om Tat Sat (Aum ist die Wahrheit und die Wirklichkeit) und die Buddhisten Om Mani Padme Hum: Als nächste in der Reihe der Mantras folgen solche, die der einen oder anderen Gottheit geweiht sind, an die man sich verehrend und lobpreisend wendet, um sie zu versöhnen und ihre Segnungen zu erbitten.

Die Wirksamkeit eines Mantras hängt von der richtigen Aussprache und der rechten Würdigung seiner Bedeutung ab, die oft sehr tiefgründig ist; zudem von der richtigen Einstellung desjenigen, der Mantras übt, und nicht zuletzt von der Kompetenz des Lehrers oder Gurus, der nicht nur die Technik beherrscht, sondern auch die im Innersten des Mantras verborgene Kraft erfolgreich offenbart hat und sie sozusagen als Parshad oder Gnadengeschenk an seine Schüler weitergeben kann.

Manche Mantras zeigen rasche Resultate, andere tragen zu ihrer Zeit Frucht, und bei weiteren hängt dies vom Verdienst des Übenden ab. Einige jedoch sind verboten und daher von übler Art, und sie erweisen sich nicht selten als schädlich.

Wiederum hängt die Wirkung des Mantras davon ab, wie Japa ausgeübt wird. Geschieht es im Flüsterton, wird dies für verdienstlicher gehalten, als wenn man es laut wiederholt; leise gemurmelt, ist es noch besser; am wertvollsten aber ist die geistige Wiederholung, die Wiederholung mit der Zunge des Gedankens.

Es gibt vielerlei Arten von Japas, entsprechend dem jeweiligen Anlass, der Jahreszeit sowie der Absicht des Ausübenden. Die Nitya Japas zum Beispiel sind jeden Tag ganz routinemäßig zu üben.

Namittika sind für gewisse zeremonielle Gelegenheiten gedacht. Prayashchitta wird zur Buße geübt, um irgendwelche Fehltritte auf dem Pfad der Rechtschaffenheit zu sühnen. Weiter gibt es Chala und Achala Japas, die zu jeder Zeit, bei allen Anlässen und in jeder Lage geübt werden können. Andere dagegen erfordern besondere Bedingungen hinsichtlich Asanas, Ort, Zeit und Ausrichtung, die mit einem regelrechten und komplizierten Ritual verbunden sind, wie Opfern von Blumen, Weihrauch, Wohlgeruch, Lichtschwenken und Glockengeläut, Havan und Tarpan (Rituale mit Feuer und Wasser) und mit Reinigungshandlungen wie acham, snana und arghya usw.

Um im Mantra Yoga Erfolg zu haben, ist es notwendig, dass der Sadhak die innere und äußere Reinheit beachtet und gläubige Hingabe, einen beispielhaften Charakter und ein mustergültiges Betragen hat, bevor er irgendeinen Grad der Konzentration und Kontemplation erlangt.

Ähnliche Praktiken gibt es bei den Moslem-Ergebenen, die Vird üben, eine Wiederholung heiliger Worte wie Hu, Haq, Analhaq, und zu diesem Zweck ein Tasbih (Rosenkranz) gebrauchen.

Auch die christlichen Mönche beten den Rosenkranz und singen Hymnen und Psalmen.