Teil I: Kapitel I / I

Vritis: Was sie sind

Wenn ein Strom, der vom Geist ausgeht, irgendetwas berührt – sei es etwas Körperliches, ein inneres Empfinden, eine Vorstellung oder eine Sinneswahrnehmung – und zu seiner Quelle zurückkehrt, wird das Vriti genannt. Vritis verursachen eine Veränderung im Gemütsstoff. All unser äußeres und inneres Wissen von der Welt rührt von den Vritis oder den Gedankenstrahlen her. Ein Lichtstrahl, der von einem Gegenstand ausgeht oder reflektiert wird, dringt über die Augen ins Gehirn und wird dort in gedankliche Eindrücke umgesetzt, so dass wir uns des Gegenstandes bewusst werden.

Es gibt fünf Arten von Vritis:

  1. Parman: Die Beziehung zwischen der freien Seele und Prakriti oder der Natur wird Parman genannt. Im Kern aller geschaffenen Dinge findet die reine Seele ihr eigenes Wesen wieder, und nichts ist davon getrennt und verschieden.

  2. Vipreh: Die Beziehung zwischen der erkennenden Seele und Prakriti oder dem Gegenstand der Natur wird Vipreh genannt. Die geoffenbarte Form wird angenommen und akzeptiert, wie sie ist, bleibt aber gegenüber dem einen und aktiven Lebensprinzip, dass ihr zugrunde liegt, skeptisch.

  3. Vikalp: Es ist die Beziehung, welche die vom Gemüt beherrschte Seele mit den Gegenständen hat und die Zweifel und Täuschung hervorruft hinsichtlich der Gegenstände selbst, ihrer Existenz, ihrer wesentlichen Natur und der Lebensessenz, die ihnen innewohnt.

  4. Nidra: Es ist die Beziehung, welche die von Prana bedeckte Seele mit den Gegenständen hat. Hier wird der Zustand des Träumens und des Tiefschlafes einbezogen, und dies ungeachtet der existierenden Umwelt.

  5. Smriti: Dies ist die Beziehung der verkörperten Seele mit den Dingen der Welt auf der physischen Ebene.

Alle diese Vritis bilden die vielen Hürden auf dem Weg der Seele, ihre Wahre und wesenhafte Natur zu verstehen, die in Wirklichkeit keine andere als die von Gott ist.

Deswegen sagt Kabir:

Die Seele ist vom selben Wesen wie Gott.

Denselben Gedanken bringen auf ähnliche Weise die Moslem-Heiligen zum Ausdruck, wenn sie von der Seele als Amar-i-Rabbi oder dem Licht Gottes sprechen.

Wenn man nur Chit von den Vritis (genannt: Chit vriti Nirodha) freihalten könnte, dann würde nichts zurückbleiben als das reine Wesen der Gottheit. Darum haben wir, wie schon gesagt, die oft wiederholten, bekannten Aussprüche über Yoga:

Chit-vriti Nirodha (Reinigung des Gemüts von den mentalen Schwingungen) ist das Wesen des Yoga.

Patanjali

Das Einssein der Seele mit der Überseele ist Yoga.

Yagyavalkya

Loslösung der Seele von den materiellen Bindungen des Lebens, ihre Befreiung von den sie umgebenden Hüllen, ist Yoga.

Machhandra Nath und Gorakh Nath

Der leichteste, der älteste und der natürlichste Weg, um die Früchte des Yoga zu erwerben, ist, wie Kabir, Nanak und Andere vor und nach Ihnen gelehrt haben, der von Shabd Yoga oder Sehaj Yoga, der von allen Meister-Heiligen seit undenkbaren Zeiten vermittelt wurde.

Wenn der Geist in der Lage ist, durch Spirituelle Übung oder Sadhan eine Umhüllung nach der anderen abzuwerfen, wird er ein reiner Geist und vollkommen in sich selbst, eine bewusste Wesenheit, selbstexistent und selbstleuchtend, immer derselbe auf ewig frei. Nach den Heiligen ist Yoga eine Verbindung der Seele mit dem Heiligen Wort (dem sich zum Ausdruck bringenden Gott), der Kraft Gottes und dem Geist Gottes: Sruti, Sraosha, Zikr, Naam1 oder dem Heiligen Geist, wie es durch die verschiedenen Weisen zu Ihrer jeweiligen Zeit beschrieben wurde.

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Fußnote: 1) Für eine eingehendere Erklärung dieser Ausdrücke wird auf das Buch 'Naam oder das Wort' vom selben Autor verwiesen.