Teil I: Kapitel IV / II

Die Natur der Schöpfung

*Die Schöpfung als solche besteht nicht per se. Das Tatsächliche und das Wirkliche sind immer dasselbe und nicht der Veränderung unterworfen. Das Unbedingte kann nicht bedingt sein, so wie die Unendlichkeit nicht begrenzt sein kann. Alles, was besteht, ist Brahman, und es kann nichts geben, das von der absoluten Einheit getrennt ist. Sie spiegelt sich in mannigfaltigen Formen wider, die ein Ausdruck ihrer Kraft sind (* Die Übersetzung dieses Abschnitts ist an die englischsprachige Erstedition von 1961 angeglichen; Anm. d. Redaktion 2011); wenn wir sie aber in Begriffen der Vielheit oder der Zweiheit und Begrenzung wahrnehmen, so heißt das nicht, dass diese Eigenschaften auch dem Absoluten anhaften; vielmehr dass unsere eigene Wahrnehmung durch das enge menschliche Alltagsbewusstsein begrenzt ist. Wer von Avidya zu Vidya, vom Nichtwissen zum Wissen gelangt ist, erkennt die Welt des Relativen als eine einzige Täuschung oder Maya und sieht das Absolute in allem; so wie jemand, der die wahre Natur des Eises erkennt, dieses nur als eine andere Form des Wassers sieht.

Die Kraft des Absoluten, die gewöhnlich als Ishvar bekannt ist und der Schöpfer genannt wird, ist die Grundursache allen Bewusstseins. Die Welt der Vielheit oder der Zweiheit ist lediglich Maya (ein Werkzeug, um die Dinge auf der Verstandesebene zu bemessen), wohingegen der wahre Eine nicht zweifach und darum ohne Maß und zugleich unmessbar ist. Um das bekannte Gleichnis zu gebrauchen:

Die Vielheit liegt im 'Atman' wie die Schlange im Seil oder der Geist im Baumstumpf.

Wie ein erfahrungsmäßiges Erlebnis weder mit dem Atman identisch noch aber getrennt und unabhängig von ihm ist, so ist auch die Welt weder eins mit dem Atman noch verschieden von ihm.

Es gibt nur einen Atman, der allumfassend ist, unbedingt und grenzenlos wie der Raum; aber wenn er durch Gemüt und Materie bedingt ist, gleicht er dem Ghat Akash oder dem Raum, der in einem Krug eingefangen ist. Er wird jedoch eins mit dem universalen Raum, sobald der Krug bricht. Alle Unterschiede bestehen nur dem Namen, dem Fassungsvermögen und der Form nach.

Jiva und Atman sind ein und desselben Wesens. Kabir sagt in diesem Zusammenhang, dass der Geist ein wesensmäßiger Teil von Ram oder der alles durchdringenden Kraft Gottes ist.

Die Moslem-Heiligen beschreiben es (Rooh) als Amar-i-Rabbi oder den Befehl (den Willen) Gottes. Während der Jiva durch das begrenzende physische, mentale und kausale Beiwerk bedingt und beschränkt ist, ist der Atman oder entkörperte Jiva von all diesen beschränkenden Dingen frei und somit grenzenlos und unbedingt.