Teil II: Kapitel I / IV

Der Meister

Abgesehen von seiner wissenschaftlichen Methode und dem vergleichsweise leicht zu gehenden, natürlichen Weg, der frei von den Nachteilen anderer Yogaformen ist, ist ein weiteres bezeichnendes Merkmal des Yoga des Tonstromes der einmalige und entschiedene Nachdruck, den er beständig darauf legt, dass auf allen Stufen ein Satguru, Pir-e-rah oder Murshid-i-Kamil, ein Kompetenter Lebender Meister notwendig ist. Obwohl einiges hierüber bereits im Zusammenhang mit den drei Ecksteinen erwähnt wurde, bleibt doch noch vieles auszuführen.

Die Guru Shish oder Guru Sikh-Beziehung ist für alle Formen des praktischen Yoga wichtig, hier aber ist sie von grundlegender und einzigartiger Bedeutung. Denn beim Surat Shabd Yoga ist der Meister nicht nur ein Wesen, Das uns die wirkliche Natur des Seins erklärt, uns die Wahren Werte des Lebens kundtut und uns in den zu praktizierenden Sadhans unterweist, damit wir innerlich fortschreiten können; Er ist all das und noch mehr. Er ist auch der  Innere Führer und leitet die Seele von einer Ebene zur anderen, bis sie ihre letzte Bestimmung erreicht. Er ist ein Führer, ohne Dessen Hilfe sie die dazwischenliegenden Stufen fälschlicherweise für das letzte Ziel halten würde und auf Hindernisse stieße, die sie unmöglich überwinden könnte.

Man braucht sich nicht zu wundern, dass alle Mystiker, die diesen Weg gegangen sind, über die Rolle des Meisters, in ihrer großen Bedeutung, mit höchster Verehrung und Ehrfurcht gesprochen haben.

Von Kabir hören wir:

Ich verlange und sehne mich nach dem Staub Seiner Füße – dem Staub, der das Universum schuf; Seine Lotusfüße sind der Wahre Reichtum und ein Hafen des Friedens. Sie gewähren unaussprechliche Weisheit und führen uns auf dem Weg zu Gott.

In den Sikh-Schriften heißt es:

Liebreich sind die Lotusfüße des Meisters, und so Gott will, sehen wir sie; Myriaden Segnungen folgen einer solchen Schau.

Guru Arjan, Todi M5

Die Sufis erklären:

Und würde ich bis in alle Ewigkeit Seine zahllosen Segnungen preisen, vermöchte ich kaum etwas darüber zu sagen.

Jalal-ud-din Rumi

Manche Mystiker gehen sogar so weit, dass sie Seine Stellung über diejenige Gottes erheben.

Der Meister ist größer als Gott.

Kabir

Der Meister und Gott, beide sind offenbart; Wen nun soll ich verehren, Wem Gehorsam leisten? Wahrlich wunderbar ist der Meister, Der die Kraft Gottes im Innern enthüllt hat.

Sehjo Bai

Dies alles mag den Skeptiker zu der Annahme führen, dass es sich hier um die Vergötterung eines Menschen handelt. Und er mag fragen: Wozu diese Vergötterung eines menschlichen Wesens?

Die Mystiker haben zuweilen auf diese Fragen mit Heiliger Gleichgültigkeit geantwortet:

Die Menschen bezichtigen Khusro des Götzendienstes; das tu‘ ich wirklich; aber was hat die Welt mit mir zu tun?

Amir Khusro

Doch manchmal sind sie ausführlicher darauf eingegangen:

Ohne die Großmütigkeit des Meisters erlangt man nichts; auch nicht durch Millionen verdienstvoller Werke.

Gurbani

Hingabe an Gott verwickelt uns weiter in dieses (physische) Leben – bedenkt das wohl, aber Hingabe an den Meister führt uns zurück zu Gott.

Kabir

Tritt ein in das Innere und prüfe selbst. Wer von Ihnen ist größer: Gott oder der Meister?

Gurbani

Gott hat mich in die Wildnis der Welt hineingetrieben; aber der Meister hat die endlose Kette der (Seelen-) Wanderung für mich zerbrochen.

Sehjo Bai

Alle großen Spirituellen Lehrer haben betont, dass die Spirituelle Reise ohne die Hilfe eines Lebenden Meisters schwer ist und unmöglich bis zu ihrem Ende durchgeführt werden kann. Jalalud-din Rumi, der persische Mystiker, deutet nachdrücklich darauf hin, wenn Er sagt:

Trotz all seines Lichts und der Kraft war Moses umschleiert; so habe Acht, dass du nicht ohne Flügel fliegest.

Er bringt Seine Meinung noch klarer zum Ausdruck:

Suche einen Meister-Geist; denn ohne Seine tätige Hilfe und Führung ist diese Reise voller Ängste und Gefahren.

Derselbe Ton schwingt in den Evangelien durch die Aussprüche Jesu mit:

Keiner kommt zum Vater denn durch mich.

Johannes 14:6

Und niemand kennet den Vater denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren.

Lukas 10:22
Matthäus 11:27

Es kann niemand zu mir kommen, es sein denn, dass ihn ziehe der Vater, Der mich gesandt hat; und ich will ihn auferwecken am Jüngsten Tage.

Johannes 6:44

Während er den zwölf Jüngern das Apostelamt übertrug, sagte Jesus zu ihnen:

Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, der nimmt Den auf, Der mich gesandt hat.

Matthäus 10:40

Daher war Er auch in der Lage, diejenigen, die durch Ihn zu Gott kamen, gänzlich zu erretten; sahen sie doch, dass Er ewig lebe, um für sie Fürsprache einzulegen.

Der Meister ist wirklich der Fürsprecher oder Rasul, Der sich zwischen uns und Gott bewegt und uns mit dem Heiligen Wort verbindet; ohne Ihn gäbe es wenig Hoffnung auf Erlösung.

Keine Freundschaft ist größer als die Seine, keine Liebe Wahrer als die Seine und keine Gabe größer als Seine Gnade. Mögen andere durch Zufallsstürme weggetrieben werden und mag der Tod kommen, um die treuesten Liebenden zu trennen; Er allein versagt nie, weder im Leben noch im Tode:

Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Matthäus 28:20

Er allein ist ein Freund, Der mich auf meiner letzten Reise begleitet und mich vor Gottes Richterstuhl behütet.

Gurbani

Andere Gaben werden vergehen und schwinden, aber Seine Gabe, das Wort Gottes, ist unvergänglich, unzerstörbar, immer leuchtend, immer süß, immer frisch, immer neu, ein Segen im Leben und ein noch größerer im Tode.

Woher nimmt der Meister diese einzigartige und übermenschliche Kraft, die Ihn Gott nahezu gleich macht und Ihn in den Augen Seiner Schüler sogar über Ihn stellt? Kann sich sterbliches Fleisch mit dem Unsterblichen messen und das Endliche das Unendliche übertreffen? Dies mag der Welt als ein Paradox erscheinen, aber diejenigen, welche das Innere Reich mit offenen Augen betreten haben, sehen darin keinen Widerspruch, sondern einzig das Mysterium von Gottes Größe und Erhabenheit. Der Wahre Meister ist Einer, Der unter Anweisung und Führung Seines eigenen Lehrers gelernt hat, die Seele vom Körper zu trennen, Der den Inneren Pfad durchlaufen hat bis zu seinem wirklichen Ende und hat die Quelle allen Lichts und Lebens erblickt und ist aufgegangen in dem Namenlosen Einen. Und wenn Er sich mit dem Namenlosen Einen vereint hat, wird Er eins mit Ihm und Eins mit allem, was da ist. Auf der menschlichen Ebene mag Er uns so begrenzt erscheinen, wie wir es sind, aber auf der Spirituellen ist Er grenzenlos und unendlich wie Gott Selbst.

O mein Diener, gehorche Mir, und ich werde dich Mir gleich machen. Ich sage: „Sei“ und es ist, und du solltst sagen: „Sei“, und es wird sein.

Baha’U’llah –
Übersetzung aus: The four Valleys

Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.

Johannes 1:14

Das Wort ist der Meister und der Prophet, voll tiefer und inhaltsschwerer Weisheit.

Guru Nanak, Rag Ramkali M1

Als ich das Meer des Körpers aufwühlte, trat eine seltsame Wahrheit zutage: Gott war im Meister identifiziert, und Nanak vermochte keinen Unterschied zu finden.

Guru Ram Das, Rag Asa M4

Der Guru ist Brahma, der Guru ist Vishnu, der Guru ist Shiva, und der Guru ist wahrhaftig Parbrahm, Dem wir unseren Gruß entbieten.

Die Guru-shish-Beziehung wurde oft beschrieben wie folgt:

Wer ist der Wahre Meister für einen Schüler? Shabd ist fürwahr der Meister und Surat der Schüler des Tones (Dhun).

Guru Nanak, Ramkali M1

Der Shabd-Guru ist zu tief und unergründlich; ohne (die Kontrollierende Kraft von) Shabd wäre die Welt nur einer Wildnis gleich.

Guru Nanak, Sorath M1

Das Wort des Meisters ist fürwahr der Meister, voll des lebensspendenden Wassers. Wer Seinem Wort folgt, kann wahrlich die Ufer des Zeitlichen überqueren.

Guru Ram Das, Nut M4

Der Schüler-Surat kann den Pfad nur mit dem Shabd-Guru gehen; während er die himmlischen Mysterien erforscht, findet er Ruhe in der nach innen fließenden Quelle (des Kopfes).

Tulsi Sahib

Nimm es als Gewissheit hin, dass der Shabd-Guru der Wahre Meister ist; der Surat kann wirklich ein Schüler des Dhun werden, wenn Er ein Gurumukh (Gefäß für das Wort) ist.

Bhai Gurdas Var. 7

Der Meister weilt am 'Gaggan' (oberer Spiritueller Bereich) und der Schüler im 'Ghat' (zwischen den beiden Augenbrauen); wenn die beiden, Surat und Shabd, zusammentreffen, werden sie auf ewig vereint.

Kabir

Es ist eine wesentliche und unteilbare Beziehung zwischen Gott und dem Gottmenschen; denn Er dient als Menschlicher Pol, durch welchen die Gotteskraft wirkt und den Jivas zur Wiedergeburt verhilft.

Es ist müßig, zwischen dem Magnet und dem Magnetfeld einen Unterschied zu machen, und darum heißt es:

Hingabe an den Satguru ist Hingabe an den Herrn. Der Satguru sichert die Erlösung, indem Er die Verbindung mit Naam (der Gotteskraft) herstellt.

Da Er weltliche Reichtümer nicht begehrt, mag Er arm erscheinen, doch ist Er reich in Gottes Unendlichkeit; und sobald diese sterbliche Hülle einmal abgestreift ist, geht Er wieder in das stille Zentrum zurück, das keinen Begrenzungen unterworfen ist. Was Ihm Seine einzigartige Überlegenheit gibt, ist dieses Spirituelle Einssein mit dem Absoluten, und Ihn von der menschlichen Ebene aus beurteilen zu wollen heißt, Ihn nicht zu verstehen.

So sagt Rumi:

Betrachte einen Gottmenschen nicht als Menschen, denn obgleich er als solcher erscheint, ist er doch weit mehr.

Es ist kraft Seiner übermenschlichen Fähigkeiten, dass Er der Meister wird. Mit dem Göttlichen Bewusstsein Eins geworden, wird Er als Mensch zu Seinem Mittler und spricht nicht in Seiner Eigenschaft als Individuum, vielmehr als Sprachrohr Gottes.

Seine Hand ist Gottes Hand, und die Kraft Gottes wirkt durch Ihn.

Maulana Rumi

O mein Freund, ich spreche nichts aus mir; ich sage nur, was mir der Geliebte in den Mund legt.

Guru Nanak

Ich tue nichts von mir selber, sondern wie mich mein Vater gelehret hat, so rede ich.

Johannes 8:28

Es ist nicht überraschend, dass der Meister als das, was Er ist, so hochgehalten wird. Ihn als Werkzeug des Göttlichen zu preisen ist nur eine andere Art, Gott zu preisen; und Ihn über Gott zu stellen heißt nicht, das Endliche in Gegensatz zum Unendlichen zu bringen, sondern aufzuzeigen, dass vom menschlichen Standpunkt aus der Aspekt Gottes, Der Sich dem Menschen zuneigt, um ihn zu Sich emporzuheben (das heißt der zentripetale), höher ist als der, welcher ihm nur erlaubt, seine Wege in der Welt der Relativität von einer Geburt zur anderen zu gehen (das heißt der zentrifugale), wenn auch beide auf der übermenschlichen Ebene als Eins und unteilbar gesehen werden.

Ein System, in dem der Lehrer im Hinblick auf die Innere und äußere Schulung und den Fortschritt des Schülers so im Mittelpunkt steht, dass nichts ohne Seine Weisung und Führung getan werden kann, muss großen Nachdruck auf das Prinzip der Gnade legen; und die mystische Literatur verfehlt nicht, diesen Aspekt zu betonen und zu unterstreichen.

Aber wenn es einerseits der Meister ist, Der dem Schüler alles gibt, darf nicht übersehen werden, dass Er, indem Er dies tut, nur etwas zurückzahlt, das Er Seinem eigenen Meister schuldig ist; denn die Gabe, die Er verleiht, ist die, welche Er selbst empfangen hat, als Er auf der Stufe des Schülers stand. Und somit beruft Er sich gewöhnlich niemals auf Sich Selbst, sondern misst Seine Kraft der Gnade Seines eigenen Lehrers zu. Von einem anderen Gesichtspunkt aus gesehen liegt alles im Schüler selbst, und der Meister fügt dem nichts von außen her zu. Nur wenn der Gärtner die Saat gießt und pflegt, wird sie sprießen, doch das Geheimnis des Lebens liegt in der Saat selbst, und der Gärtner kann nicht mehr tun, als die Bedingungen zu schaffen, damit sie Frucht tragen. Und das ist in der Tat die Funktion des Meisters.

Ein altes indisches Gleichnis zeigt diesen Aspekt der Beziehung zwischen Meister und Schüler sehr anschaulich. Einmal, so besagt es, fing ein Schafhirte das Junge eines Löwen und zog es zusammen mit den Tieren seiner Herde auf. Das Löwenjunge beurteilte sich nach denen, die es um sich sah; es lebte und bewegte sich wie die Schafe und Lämmer, war zufrieden mit dem Gras, das sie fraßen, und mit dem schwachen Blöken, das sie von sich gaben. Die Zeit ging dahin, bis eines Tages ein anderer Löwe seinen Artgenossen sah, der inmitten der Herde graste. Er ahnte, was geschehen war, und da ihm das Löwenjunge in seiner Notlage leidtat, näherte er sich ihm unbedenklich und brachte es an ein stilles Flussufer, wo er ihm sein eigenes Spiegelbild und das seine zeigte, und stieß, als sie zurückgingen, ein mächtiges Brüllen aus. Nun erkannte das Junge seine wahre Natur und tat das Gleiche, während seine bisherigen Gefährten vor ihm die Flucht ergriffen. Nunmehr frei, sich seiner rechtmäßigen Umgebung zu erfreuen, und streifte von da an als König des Waldes umher.

Solch ein Löwe ist in der Tat der Meister. Er kommt, um die Seele aus ihrem Schlummer aufzustören; und indem Er ihr einen Spiegel vorhält, zeigt Er die ihr angeborene Glorie. Ohne Seine Berührung bliebe sie weiterhin betäubt, aber wäre sie nicht selbst von der Essenz des Lebens, so könnte sie durch nichts zum Spirituellen Bewusstsein gebracht werden. Der Meister jedoch ist ein brennendes Licht, das die nicht leuchtenden Gefährten entzündet. Das Feuer ist da, und der Docht ist da, und Er gibt nur die Flamme, ohne dass Er dadurch einen Verlust erleiden würde. Gleiches berührt Gleiches, und der Funke springt über; und das, was dunkel ist, wird erhellt, und was tot war, wird lebendig. Und wie bei dem brennenden Licht, liegt sein Vorzug nicht darin, dass es sich um ein individuelles Licht handelt, sondern darin, dass es der Sitz der nicht-individuellen Flamme ist, die weder von diesem noch von jenem Licht stammt, sondern von der Essenz allen Feuers. Genauso ist es auch mit dem Wahren Meister. Er ist nicht kraft Seiner Person ein Meister wie irgendein anderer, sondern Er ist ein Meister, Der das universale Licht Gottes in Sich trägt. Und genau wie nur ein Licht, das noch brennt, auch andere Lichter entzünden kann – nicht eines, das schon ausgebrannt ist, so kann auch nur ein Lebender Meister den belebenden Anstoß geben, der notwendig ist, und nicht Einer, Der die Welt bereits verlassen hat.

Jene, die gegangen sind, waren zwar groß und aller Achtung wert, aber Sie waren es vor allem zu Ihrer Zeit, und die Aufgabe, die Sie für diejenigen, die um Sie waren, erfüllt hatten, muss für uns von Einem vollbracht werden, Der jetzt unter uns lebt und Sich bewegt. Die Erinnerung an Sie ist ein Heiliger Schatz, eine immerwährende Quelle der Inspiration; aber das eine, was sie uns lehrt, ist, dass wir in der Welt der Lebenden das suchen müssen, was Sie zu Ihrer Zeit gewesen sind. Nur der Kuss eines Lebenden Prinzen (Meisters) kann für die schlummernde Prinzessin (Seele) zum Leben zurückbringen, und nur die Berührung einer atmenden Schönheit kann dem Tier im Menschen die ihm angeborene ursprüngliche Glorie wiedergeben.

Wo die Führung durch einen Kompetenten Lebenden Meister eine so vordringliche Notwendigkeit ist, nimmt das Suchen und Erkennen einer solchen erhabenen Seele eine überragende Bedeutung ein. Es gibt keinen Mangel an falschen Propheten und Wölfen im Schafspelz. Der bloße Begriff Satguru oder Wahrer Meister deutet auf die Existenz des Gegenteils hin; und es ist dieses Falsche, das unserem Blick auf Schritt und Tritt begegnet.

Wie schwierig es auch immer sein mag, einen Gottmenschen zu finden (denn solche Wesenheiten sind selten, unaufdringlich in ihrer Demut, und es widerstrebt Ihnen, Sich durch auffallende Wundertaten anzukündigen oder im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu stehen), ist es dennoch nicht unmöglich, Ihn unter den Übrigen herauszufinden. Er ist eine lebendige Verkörperung dessen, was Er lehrt, und wenn Er auch arm scheint, ist Er doch reich in Seiner Armut: 

Es mag scheinen, dass wir Bettler sind, doch unsere Taten sind mehr als königlich.

Shamaz-i-Tabrez

Er wird nicht durch weltliche Dinge berührt und begehrt nichts. Er gibt Seine Lehren und Unterweisungen als freie Gabe der Natur und sucht nie etwas dafür zu erhalten. Er erhält Sich durch Seine eigene Arbeit und lebt nie von den Gaben anderer:

Beuge dich niemals vor einem, der sich Meister nennt, doch von der Barmherzigkeit anderer lebt. Nur Der ist ein Meister des Wahren Pfades, Der Seinen Unterhalt Selbst verdient und der Armen gedenkt.

Guru Ram Das, Sarang War M4

Ferner verwickelt eine Wahre Meister-Seele unser Gemüt niemals in Widersprüche. Alle Unterschiede zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen und Bekenntnissen schwinden dahin, wenn Er sie berührt, und die Einheit der Erfahrung im Innern, die in den verschiedenen Schriften zum Ausdruck kommt, tritt klar und deutlich zutage:

Nur das Auge des Juweliers kann den Rubin auf den ersten Blick erkennen.

Bhai Nand Lal

Das immer wiederkehrende Thema einer solchen Meisterlehre ist, dass die Innere Spirituelle Natur aller religiösen Lehren, trotz aller äußeren Unterschiede, die uns verwirren und aus der Fassung bringen, dieselbe ist. Darum kommen sie nicht, um neue Glaubensansichten und Dogmen zu verbreiten, sondern um das bestehende Gesetz zu erfüllen.

O Nanak, erkenne Ihn als den Vollendeten Meister, Der alle in einer Herde vereint.

Guru Nanak, Sri Rag M1

Wenn Er zu bekehren versucht, ist er nicht auf äußerliche Namen und Formen aus, sondern auf die Taufe des Geistes im Innern. Für Ihn ist das Innere Leben eine Wissenschaft, die den Menschen aller Glaubensrichtungen und Nationen zugänglich ist, und wer immer diese Schulung aufnimmt, dem werden alle Dinge zufallen.

Es ist die Innere Botschaft, die in den Lehren eines wirklichen Meisters stets das Höchste ist. Er kann die Wahre Bedeutung der Schriften am besten erklären, aber Er spricht nicht als Einer, Der darin gelehrt ist, sondern als ein Solcher, Der das, was die Schriften berichten, selbst erfahren hat. Er mag die Schriften benutzen, um Seine Zuhörer zu überzeugen, dass das, was Er lehrt, die älteste Wahrheit ist; aber Er Selbst ist niemals von ihnen abhängig, und Seine Botschaft liegt über der intellektuellen Ebene; sie ist durch die Lebendigkeit und Intensität der direkten Ersthand-Erfahrung inspiriert.

Wie können wir übereinstimmen,

sagte Kabir zu den Buchgelehrten,

wenn ich von der Inneren Erfahrung spreche und ihr nur vom Buchwissen.

Er veranlasst den Sucher immer, sich nach innen zu wenden, indem Er ihm von den reichen Inneren Schätzen erzählt:

Hältst du dich selbst für eine winzige Form, wo doch in dir das Universum verborgen liegt?

Ali

Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden; […] denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch.

Lukas 17:20-21

Er lädt ein und ermuntert ihn, die Schulung aufzunehmen, die ihm diesen Reichtum erschließt:

Heile dir den Kopf und die Nase vom Schnupfen und atme dafür das Licht Gottes ein.

Jalal-ud-din Rumi

Und diese Schulung wird sich, wenn Er wirklich ein vollendeter Lehrer ist, nicht auf Hatha Yoga oder ähnliche extreme Praktiken konzentrieren, sondern auf das transzendente Hören und Sehen, das von einer ständigen äußeren Reinigung unseres Denkens und Tuns begleitet ist, und dies mehr durch Mäßigung und in sich gekehrte Selbstkritik als durch Peinigung, Bußübungen oder Askese. Aber das wichtigste und unfehlbarste Zeichen eines Satgurus ist, dass Seine Lehren nicht immer nur auf diese Innere Wissenschaft konzentriert sind, sondern dass Er in der Lage ist, dem Schüler bei der Initiation eine bestimmte Erfahrung des Inneren Lichts und Tones zu geben, wie klein sie auch immer sein mag, um damit beginnen zu können. Und wenn der Schüler gelernt hat, sich über das Körperbewusstsein zu erheben, wird Seine Strahlende Form ungesucht erscheinen, um ihn auf der langen Reise zu führen.

Die wunderbare und Strahlende Form des Meisters kann nur ein Wahrer Meister dem Geist offenbaren.

Guru Nanak

Ein Meister, der die Dunkelheit (gu) nicht in Licht (ruh) umwandeln kann, ist von keinem Nutzen.

Nanak sagte: 

Ich will meinen Meister nicht beim Wort nehmen, bis ich mit meinen eigenen Augen sehe.

Wenn Er ein Wahrer Lehrer ist, wird Er niemals eine Erlösung versprechen, die erst nach dem Tode erfolgt. Darum ist es für Ihn immer eine Angelegenheit des Hier und Jetzt. Wenn einer nicht im Leben Befreiung erlangt hat, kann er nicht darauf hoffen, sie im Tod zu erwerben. Und Jesus hat bei Seinen Jüngern immer darauf gedrängt, die Kunst des täglichen Sterbens (das Übersteigen des Körpers) nach Seiner Art zu meistern. Ein Meister wird weiter betonen, dass die Spiritualität eine Wissenschaft ist, wenn auch eine subjektive, und dass jeder Einzelne ihre Wahrheit im Laboratorium seines eigenen Körpers nachprüfen kann, vorausgesetzt, dass er die erforderliche Bedingung schafft: die auf nur ein Ziel ausgerichtete Konzentration. Das Leben ist ein fortlaufender Vorgang, der kein Ende kennt, wenn es auch auf verschiedenen Seinsebenen einen jeweils unterschiedlichen Aspekt annimmt. Da einer hilflos von einer Ebene zur anderen geht, wird angenommen, dass er auf dieser und für diese Ebene, von der die Seele gegangen war, gestorben ist, denn wir haben noch kein Wissen und noch weniger Erfahrung vom Leben auf den anderen Ebenen, wohin man durch die Triebkraft der karmischen Vibration geleitet wird.

Aus dieser Knechtschaft und diesem zwangsweisen Kommen und Gehen bereitet der Meister den Weg zur Befreiung in diesem Leben vor, indem Er einen Jiva (individuelle Seele) mit der immerwährenden Lebensschnur verbindet, die ohne Ende die Schöpfung durchdringt, und wahrhaftig einen Vorgeschmack von den höheren Spirituellen Regionen gibt, sofern einer bereit ist, das Fleisch für den Geist aufzugeben.

Lerne zu sterben, damit du zu leben beginnen kannst,

heißt die Ermahnung.

Selig ist, wer dich täglich auf das Sterben vorbereitet.

Jene, in denen das Ewige Wort spricht, sind frei von Unsicherheit, und es ist wahrlich des Meisters Sache, dem Menschen das Ewige Wort hörbar zu machen.

O Nanak! Sprenge alle Bande der Welt; diene dem Wahren Meister, und Er wird dir den Wahren Reichtum geben.

Gurbani

Wer einen solchen Lehrer hat, ist in der Tat gesegnet, denn er ist wahrhaft mit Gott selbst Freund geworden und hat Einen gefunden, Der ihn selbst bis zum Ende der Welt nicht verlassen wird, weder in diesem Leben noch nach dem Tode, und Der ihn immer leiten wird, bis er seine letzte Bestimmung erreicht hat und genauso groß und unendlich ist wie Er selbst.

Der Stein der Weisen kann bestenfalls einfaches Metall in Gold verwandeln; aber Ehre dem Meister, Der den Schüler in Seine eigene himmlische Form umgestalten kann.

Gurbani

Welche Probleme einer auch immer zu bewältigen haben mag, in Seiner Gesellschaft findet er Frieden und Trost, und die Verbindung mit Ihm gibt Kraft und regt zu Innerer Bemühung an. Daher die dringende Notwendigkeit für Satsang (Gemeinschaft mit dem Wahren) für diejenigen, die noch nicht gelernt haben, sich mit Ihm auf den Inneren Ebenen zu besprechen.

Ein Sucher muss in seiner Suche nach einem Vollendeten Meister sicherlich Unterscheidungs- und Urteilskraft walten lassen, aber wenn er Erfolg hatte und einen solchen gefunden hat (und ein echter Sucher wird ihn nie verfehlen, da dies ein Göttlicher Ratschluss ist), welcher Art wird dann seine Beziehung zu Ihm sein? Wird er weiterhin das, was ihm gesagt wird und was er beobachtet, kritisch aufnehmen? Wird er damit fortfahren, alles, was Sein Lehrer tut, unter dem Mikroskop seiner Unterscheidungskraft zu prüfen? Diese Haltung beizubehalten, nachdem er sich anfangs der Echtheit des Vollendeten bereits versichert hat, heißt, Seine Größe nicht anzuerkennen und nicht auf die rechte Weise darauf zu reagieren. Einer solchen Seele zu begegnen bedeutet, einem unendlich Größeren zu begegnen, als man selbst ist; und zu wissen, dass er Eins mit Gott ist, heißt, demütig und voller Ehrfurcht zu sein. Ihn mit den eigenen begrenzten Fähigkeiten zu beurteilen heißt den Versuch zu machen, das Meer in einem Reagenzglas festzuhalten; denn Er wird durch Gründe bewegt, die wir niemals begreifen können.

Wenn einer den Segen, in die Herde des Satguru oder  Murshid-i-Kamil aufgenommen zu sein, richtig einschätzen kann, wird er immer Seine Gnade, Schönheit und vollkommene Liebe rühmen.

Wenn der Wunderbare meine wandernde Seele unter Seine Schwingen nähme, wollte ich alle Königreiche für das liebliche Mal in Seinem Angesicht opfern.

Hafiz

Er wird niemals die Handlungsweise seines Meisters in Frage stellen, selbst wenn er sie nicht begreift; denn er weiß, dass selbst

Wenn der Kizr das Schiff im Meer versenken würde, in diesem Unrecht dennoch tausend Rechte wären.

Jalal-ud-din Rumi

Er wird das Vertrauen eines Kindes entwickeln müssen, das, wenn es sich einmal einer liebenden Hand anvertraut hat, tut, wie ihm geheißen, und niemals etwas fragt:

[…] wer nicht das Reich Gottes nimmt als ein Kind, der wird nicht hineinkommen.

Lukas 18:17

Selbst wenn Er von dir verlangt, den Gebetssitz mit Wein zu tränken, nimm nicht Anstoß daran, sondern tu‘ es. Denn Er, der dein Führer ist, kennt die Reise und ihre Stationen gut.

Jalal-ud-din Rumi

Die geheimen Worte eines Gottmenschen übersteigen sehr oft das menschliche Verständnis. Sein Gebote klingen zuzeiten, als ständen sie in Widerspruch zu den Texten der Schriften oder den ethischen Forderungen, aber in Wirklichkeit ist es nicht so. Man sollte sie in vollem Vertrauen befolgen, und zu gegebener Zeit wird sich ihre Wahre Bedeutung offenbaren.

Und wie des Kindes Liebe sollte die des Ergebenen sein, voller Demut und Einfachheit. Die Reinheit ihrer Flamme allein wird den Schmutz der Welt verbrennen.

Entfache das Feuer der Liebe und verbrenne damit alles; dann setze deinen Fuß auf das Land der Liebenden.

Baha’U‘llah

Schweiße das jetzt in tausend Stücke zerbrochene Gefäß in eins zusammen, damit es tauglich wird, das Licht Gottes zu fassen. Es ist das Bindeglied zwischen dem Sucher und seinem Freund und durch Ihn zwischen dem Sucher und dem Absoluten. Wie kann einer den Namenlosen und Formlosen anders lieben als durch Den, Der Seine Wahre Verkörperung darstellt; denn der Herr offenbarte dem Propheten Mohammed:

Ich wohne weder im hohen Himmel noch auf der Erde unten und auch nicht im Paradies; doch, o Geliebter, glaube mir, so seltsam es auch scheinen mag, Ich wohne im Herzen des Gläubigen, und dort bin Ich zu finden.

Rumi

Auf diesem mystischen Pfad ist der Verstand eine Hilfe, aber er ist auch ein Hindernis. Allein die Liebe kann den Abgrund überbrücken, die Kluft umspannen und das Endliche mit dem Unendlichen, das Sterbliche mit dem Unsterblichen und das Relative mit dem Absoluten verbinden. Eine solche Liebe ist nicht von dieser Welt oder fleischlich.

Es ist der Ruf der Seele an die Seele, vom Gleichen zum Gleichen, das Fegefeuer und das Paradies.

Wer vermag diese Ekstase zu beschreiben?

Sprich nicht von Lailas oder Majnus Leid. Deine Liebe hat die Liebe von einst zunichte gemacht.

Saadi

Lebe frei von Liebe, denn selbst ihr Friede ist Pein.

Arabisches Sprichwort

Millionen sprechen von Liebe, doch wie wenige kennen sie. Wahre Liebe heißt, das Denken daran auch nicht für einen Augenblick aufzugeben.

Kabir

Tatsächlich ist diese Eigenschaft unaufhörlichen Gedenkens vom Wesen der Liebe. Und einer, der sich auf diese Weise seiner Liebe erinnert, muss demzufolge in dauerndem Gedenken an des Geliebten Gebote und in stetem Gehorsam leben. Eine solche Liebe verbrennt mit ihrem Feuer den Unrat des Ego; das kleine Selbst wird vergessen, und der Liebende opfert seine Individualität auf dem Altar seines Geliebten.

Willst du auf dem Weg der Liebe wandeln, so lern erst, dich selbst als Staub zu sehen.

Ansari von Herat

Liebe wächst nicht auf dem Felde und ist auch nicht auf dem Markt zu haben; wer sie besitzen will, sei er König oder Bettler, muss sie mit seinem Leben bezahlen. Lege dein Haupt auf deine Hände und opfere es, wenn du ins Wunderland der Liebe gelangen willst.

Kabir

Und wieder heißt es:

Verflucht sei das Leben, in dem man der Liebe zu Gott nicht teilhaftig wird. Gib dein Herz Seinem Diener, denn Er wird dich zu Ihm bringen.

Aber eine solche Selbsthingabe ist erst die Einleitung, um ein größeres und reineres Selbst, als wir es kennen, zu erben; denn dies ist die Macht Seines Zaubers, dass, wer auch immer an Seine Tür klopft, in Seine Art umgewandelt wird:

Der Liebende wird zum Geliebten – das ist die Alchemie Seiner Liebe; Gott Selbst ist eifersüchtig auf einen solchen Geliebten.

Dadu

Wenn ich Ranjha rufe, werde ich Eins mit Ihm.

Bulleh Shah

Von einer solchen Liebe sprach Lord Krishna in der Gita, und die gleiche Liebe meinte Paulus, wenn Er Seinen Zuhörern sagte:

Ich lebe aber; doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich in dem Glauben des Sohns Gottes, Der mich geliebet hat, und Sich selbst für mich dargegeben.

Galater 2:20

Dies beschreiben die Sufis, wenn sie von Fana-fil-sheikh (Aufgehen im Meister) sprechen:

Die ungeheure Ausdehnung meines Selbst ist so zum Überfließen vom Dufthauch des Herrn erfüllt, dass der bloße Gedanke an mich völlig geschwunden ist.

Und dies erklären auch die christlichen Mystiker, wenn sie die Notwendigkeit des Sterbens in Christus betonen. Ohne diese Selbsthingabe ist das Wissen allein nur von geringem Nutzen.

Das Wissen ist nur ein Kind der Schriften. Ihre Mutter ist die Liebe.

Persischer Spruch

Die Welt verliert sich im Lesen der Schriften, doch zum Wissen kommt sie nie. Dem aber, der nur ein Jota der Liebe kennt, wird alles offenbart.

Kabir

Eine solche Liebe allein ist der Schlüssel zum Inneren Königreich:

Wer nicht lieb hat, kennet Gott nicht; denn Gott ist Liebe.

1. Johannes 4:8

Das Geheimnis von Gottes Mysterien ist die Liebe.

Rumi

Durch die Liebe wird Er erreicht und gehalten, aber niemals durch das Denken.

'Die Wolke der Unwissenheit'

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, dass nur jene, die liebten, den Herrn erreicht haben.

Guru Gobind Singh

Liebe ist sowohl die Essenz von Gott als auch die der Seele.

Lasset uns ihn lieben, denn Er hat uns zuerst geliebt.

1. Johannes 4:19

Die Beziehung der Liebe zwischen dem Satguru und Seinem Shishya, dem Gottmenschen und Seinem Schüler, erfährt viele Phasen und Entwicklungsstadien. Sie beginnt mit der Achtung für Einen, Der mehr weiß als man selbst. Sowie der Schüler anfängt, des Meisters uneigennützige Sorge für sein Wohlergehen und seinen Fortschritt zu würdigen, beginnen seine Gefühle im Tau der Liebe zu schmelzen, und er entfaltet Vertrauen, Gehorsam und Ehrfurcht. Größerer Gehorsam und stärkeres Vertrauen bringen größere Anstrengung mit sich, und mit der größeren Anstrengung kommt größere Zuneigung des Meisters. Anstrengung und Gnade ergänzen sich, und eines hilft bei der Entfaltung des anderen. So wie die Liebe der Mutter für ihre Kinder ist die des Göttlichen Hirten für Seine Herde.

Sie unterscheidet nicht zwischen denen, die ihrer würdig sind, und denen, die ihrer nicht würdig sind; sondern wie bei einer Mutter werden die Tiefen und der Reichtum Seiner Liebe nur von jenen erschlossen, die Seine Liebe erwidern und zurückgeben:

Er ist bei allen gleicherweise; doch jeder erhält seinen Anteil gemäß seinem eigenen Verdienst.

Guru Amar Das, Sorat M3

Mit seiner größeren Anstrengung und der größeren Gnade seitens des Meisters macht der Schüler größere Fortschritte im Inneren Sadhan, was schließlich zum völligen Übersteigen des Körperbewusstseins führt. Wenn dies erreicht ist, sieht er seinen Guru, Der ihn in der Strahlenden Form empfängt und seinen Geist von nun an auf den Inneren Ebenen leitet. Zunächst erblickt er Ihn in Seiner Wahren Glorie und erkennt die unergründlichen Dimensionen Seiner Größe. Hinfort weiß er, dass der Guru mehr ist als ein Mensch, und sein Herz fließt über von Lobpreis und demütiger Hingabe.

Und je höher er auf seiner Spirituellen Reise kommt, desto eindringlicher werden seine Lobpreisungen, denn umso mehr erkennt er, dass Er, Den er einst zum Freunde nahm, nicht nur ein Freund ist, sondern dass Gott selbst herunterkam, um ihn zu Sich emporzuheben. Dieses Band der Liebe samt seinen Abwandlungen und Entwicklungsstadien wird zum Spiegel seines Inneren Fortschritts, der sich vom Endlichen zum Unendlichen bewegt.

Die Liebe beginnt im Fleisch und endet im Geist.

St. Bernhard

Auf ihren Anfangsstufen mag sie Ähnlichkeiten mit der irdischen Liebe haben, der zwischen Eltern und Kind, zwischen Freunden, zwischen Liebenden, zwischen Lehrer und Schüler. Aber wenn einmal der Punkt erreicht ist, wo der Schüler seinen Lehrer in Seiner Strahlenden Glorie in sich selbst entdeckt, sind alle Analogien zerschellt und alle Vergleiche werden für immer zurückgelassen und alles, was übrig bleibt, ist eine Geste und dann Schweigen.

Lasst uns schreiben auf eine andere Weise von der Liebe Geheimnisse – besser so. Lasst ab von Blut und Lärm und all diesem, und sprecht nicht mehr von Shamas-i-Tabrez.

Maulana Rumi