Kapitel VI

Selbstloser Dienst

Der Mensch ist ein dreifältiges Wesen, das aus Körper, Gemüt und Seele besteht, und es gehört sich für ihn, dass er seinen Mitgeschöpfen auf allen drei Gebieten dient. Durch Liebe diene einer dem anderen – ist die Ermahnung von Paulus. 

Ein persischer Spruch sagt: 

Dienen erhöht den Dienenden. 

Es heißt auch: 

Selbstloses Dienen ist eine große Tugend und ein Lohn in sich selbst. 

Es ist ein Hauptthema in den Heiligen Lehren der Meister. Der Lebende Meister ist eine Verkörperung selbstlosen Dienens. Er eilt Seinen lieben Kindern auf der ganzen Welt immer zu Hilfe und kümmert Sich nur wenig um Seine physische Bequemlichkeit. Es ist das Göttliche Gesetz, das Er offenbart und in Seiner eigenen Person erfüllt. Aus reinem Mitgefühl Seinen Brüdern gegenüber dient Er allen, um sie von dem Großen Rad zu befreien, indem Er ihre Aufmerksamkeit nach Innen lenkt und sie mit der rettenden Lebensschnur verbindet. 

Je mehr jemand dient, umso mehr dehnt sich sein eigenes Selbst aus, und im Verlaufe der Zeit umfasst es die ganze Schöpfung. Darum müssen wir die Aufgabe auf uns nehmen, des Meisters Botschaft der Erlösung in jede Ecke und jeden Winkel der Welt zu tragen, damit die Menschen von der einzigartigen Gelegenheit, die sich ihnen bietet, erfahren und sie auf beste Weise nutzen.

Wiederum kann selbstloses Dienen verschiedene Formen annehmen, entsprechend den Mitteln und der Fähigkeit des Einzelnen. Manche lieben es, die Armen und Bedürftigen, die Niedergeschlagenen oder die Kranken und Invaliden zu besuchen, um ihnen in ihrer Not zu helfen und beizustehen. Wenn ihr einen Kranken besucht, den Leidenden zur Seite steht und von Hilfe seid, dient ihr einer Göttlichen Sache. Natürlich könnt ihr nicht die Krankheit oder das Leid beheben, aber ganz sicher könnt ihr dabei helfen, die Leiden durch gütige Worte und Taten zu lindern. Jedes gute Wort, das zum Ausdruck kommt, oder eine helfende Hand, die man jenen reicht, die dessen bedürfen, hilft eine Menge bei der Läuterung von Körper und Gemüt. Ein liebendes Herz ist ein geeignetes Gefäß zum Empfang der Göttlichen Gnade; denn Gott ist Liebe. 

Wer nicht lieb hat, der kennt Gott nicht; denn Gott ist Liebe, 

sagt Johannes. 

Liebe kennt keine Grenzen und keine Standesunterschiede. Sie fließt allen gleichermaßen und freimütig zu und übersteigt alle Hindernisse. Wiederum teilt ein Reicher, der ein Herz voll Liebe hat, seinen Reichtum mit den Armen und Bedürftigen; er gibt von seinem Geld für karitative und mildtätige Zwecke.

Das System des Zehnten gab es praktisch in allen Staatsreligionen der Welt, und es ist von tiefer Bedeutung; denn die Abgabe des Zehnten zeigt, wie rechtschaffen und ehrlich ein Mensch ist, und sein Opfer beweist seine Freigiebigkeit. Aus den alten Überlieferungen ist zu ersehen, dass alle Länder des Ostens, von Ägypten bis Afghanistan, und die ganze christliche Welt den Zehnten ihrer Einnahmen zum Wohl der Menschen in ihrer Gesamtheit gaben. Bei den Moslems besteht die Einrichtung des Zakat, die von jedem jährlich den vierzigsten Teil seines Besitzes für wohltätige Zwecke abverlangt. Bei den Sikhs und den Hindus kennt man dieses System unter dem Namen Daswand, was gleichbedeutend mit dem Zehnten ist. Die Meister haben es noch weiter ausgedehnt, nämlich getrennt vom geldlichen Wert auch auf eine gewisse Zeit für die Meditation, und es ist an ungefähr 2½ Stunden von den 24 Stunden des Tages gedacht.

Sie mahnen außerdem:

Seid auf Gott abgestimmt und teilt euer Einkommen mit allen, die in Not sind.

Kabir sagt:

Wenn man Geld spendet, wird es nicht weniger. Solltet ihr nicht überzeugt sein, so versucht es selbst.

Aber die Gaben müssen freiwillig gespendet sein und dürfen von keinerlei Gedanken an Belohnung begleitet werden oder das Ergebnis von Erhebungen, Besteuerungen von außen her sein; denn dann werden sie zu einer Quelle der Bindung, statt zu einer der Befreiung. 

Wiederum sollte Wohltätigkeit nicht an der unrechten Stelle geübt werden, sondern sie sollte wirklich die Leiden der Bedrängten in dieser Welt lindern. Der Allwissende Meister ist in der Tat der beste Sachverständige, denn Er weiß die von Seinen Schülern gezeichneten freiwilligen Zuwendungen am besten nutzbar zu machen und führt sie einem wirklich nützlichen Zweck zu. Man muss hier besonders unterscheidungsfähig und wachsam sein, damit man nicht durch Missbrauch des schwerverdienten Geldes mehr karmische Schulden anhäuft, statt die bestehenden auszulöschen; denn jede Tat, wie gut sie auch immer sein mag, löst eine Reaktion aus und führt zu einer Bindung; sei es auch eine aus goldenen Fesseln, wie Lord Krishna dem Krieger-Prinzen Arjuna erklärte, als er sagte, dass alle Taten, ob gut oder schlecht, gleicherweise binden und die so geschmiedeten Ketten aus Gold oder auch aus Eisen sein können. 

Der Heilige Ignatius von Loyola sagt uns:

Die Saaten der Heiligkeit und der Sünde liegen bereits in uns. Es hängt nur davon ab, welche von ihnen wir im Garten unserer Seele züchten.