Gemüt: Wie man es beherrscht

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Was geschieht, wenn man nicht in der Lage ist, Herr über das Gemüt zu werden? Es gibt Menschen, die lebhaft daran interessiert sind, zu erfahren, wie man das Gemüt überwinden kann. Gelehrsamkeit oder Wissen zu besitzen, gewandt zu sein, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen, andere durch gescheite Reden zu beeindrucken usw. – alle diese Dinge sind leicht. Was aber ist schwer?

Ins Kosmische Bewusstsein aufzusteigen oder das Gemüt zu schulen ist schwierig.

Es kontrollieren, die Seele zurückziehen und sich ins Kosmische Bewusstsein erheben ist eine Herkulesarbeit. Solange das Gemüt nicht bezwungen ist, kann die Seele nicht über das Körperbewusstsein hinausgelangen.

Was erleben wir, wenn wir zur Meditation sitzen? Nur das, was wir auf der Sinnesebene sehen oder woran wir uns dort erfreuen.

Die Krankheit, unter der das Gemüt leidet, beschreibt Guru Amar Das so:

Es (das Gemüt) ist durch die Sinne gefangen und immer von Lust und Ärger geplagt.

Fünf Werkzeuge des Handelns und fünf Kräfte der Wahrnehmung halten es unter ihrem Einfluss. Die Fähigkeiten der Wahrnehmung werden durch die Werkzeuge des Handelns wirksam. Das Gemüt wird von schönen Bildern oder melodischen Weisen gefesselt. Es findet Gefallen an delikaten Speisen und erfreut sich süßer Düfte. Manchmal wird es von Lust angezogen. Die Gyan Indriyas (Wahrnehmungskräfte) halten die Aufmerksamkeit durch die Karma Indriyas (Handlungsvermögen) auf die äußere Welt gerichtet. Zuzeiten wird das Gemüt durch Begierden erniedrigt; ein andermal bauscht es sich durch Ärger auf.

Keuschheit ist Leben und Sexualität der Tod. Die Geschichte ist voll von Begebenheiten, die diesen Punkt erläutern. Als Mohammed Gauri Indien zum ersten Mal angriff, wurde er von Prithvi Raj in zwei aufeinanderfolgenden Schlachten geschlagen. Aber die dritte Schlacht verlor dieser an Mohammed Gauri. Die Historiker schreiben, dass Prithvi Raj in der Nacht vor seiner Niederlage bei einem Dienstmädchen gefunden wurde. Desgleichen wird von Napoleon Bonaparte berichtet, dass er die Schlacht von Waterloo verlor, weil er in der Nacht zuvor der Sexualität nachgegeben hatte. Dies lehrt die Geschichte. Ihr könnt es aus eurer alltäglichen Erfahrung bestätigen.

Ein Hund und ein Unreiner sind immer ruhelos.

Wenn bei einem Hund ein Gefühl der Lust aufkommt, hält es dreißig Tage an. Und welches ist das Schicksal solcher Menschen, in denen ständig Gedanken tierischer Leidenschaft vorherrschen? Es geschieht durch die Augen, dass unsere hinausströmenden Kräfte von Lüsten bedrängt werden. Wenn ihr es vermeiden wollt, schaut nicht in die Augen des anderen Geschlechts. Ihr könnt dann in einem großen Ausmaß sicher sein. Mathematiker haben ausgerechnet, dass wir durch die Augen nicht weniger als 83 % unserer Eindrücke aufnehmen. Durch die Ohren sind es 14 %. So werden 97 % der äußeren Eindrücke durch diese beiden Quellen gesammelt und die verbleibenden 3 % durch andere Sinnesorgane.

Ein Moslem-Weiser hat gesagt:

Schließe deine Augen, Ohren und Mund. Wenn du dann nicht die Wirklichkeit erfährst, lache über mich.

Guru Nanak erklärte:

O törichtes Gemüt, lerne zu Hause zu bleiben!

Dieser Körper ist das Haus. Wenn das Gemüt am Hinausströmen gehindert und im Körper konzentriert wird, beginnt es die erhabene Wahrheit zu erfahren. Erst nachdem man die Grenzen der Sinne überschritten hat, erkennt man, dass einen Naam (das Wort) aufwärts bringt, die Begierde dagegen nach unten zieht. Wie kann sich ein Mensch, der immer tierischen Leidenschaften verfallen ist, mit dem Wort verbinden? Einige Aspiranten sagen, dass Naam keine Früchte trägt. O Brüder, macht euer Leben rein! Ein Tagebuch zur Selbstprüfung zu führen, wie ich es vorgeschrieben habe, hat seine Bedeutung. Es muss verstanden werden, dass man, je reiner das Leben wird, umso mehr Zugang zu den höheren spirituellen Ebenen erhält. So ist Reinheit des Lebens wesentlich.

Alle fünf Leidenschaften – Lust, Ärger, Habgier, Verhaftetsein und Ichsucht – sind die verkehrte Form ein und derselben Sache – des Wunsches. Nehmt an, ein Fluss mit starker Strömung fließt ruhig dahin. Legt einen großen Stein hinein; das Wasser wird dagegenschlagen und zwei Dinge verursachen – Schaum und Getöse. Ebenso wird, wenn wir bei der Erfüllung eines unserer Wünsche ein sichtbares oder unsichtbares Hindernis befürchten, dieser Wunsch sich in Ärger verwandeln. Erfahrt ihr direkt oder indirekt, dass jemand etwas gegen eure Wünsche sagte oder tat oder gewisse Erschwernisse in den Weg legte, mögt ihr ärgerlich werden. Im Allgemeinen nimmt der Ärger zwei Formen an: eine laute Stimme und Schaum. Ein ärgerlicher Mensch kann nicht langsam sprechen. Er beginnt zu schreien und vor Wut zu schäumen. Dann verfällt man in Gegenbeschuldigungen und Parteilichkeit und verleumdet andere. Dem folgen Wellen der Lust und des Zorns. Wisst ihr, was durch eine solche Behinderung geschieht? Aus Eitelkeit will jemand unbedingt etwas haben. Dies ist als Habgier bekannt. Hat man das Gewünschte, lebt man in der Furcht, es wieder zu verlieren. Dies nennt man Verhaftetsein. Dann schwelgt man in Besitzerfreude und brüstet sich, es erreicht zu haben. Dies gilt als Ego oder Ichsucht.

Der Wunsch ist die Ursache aller fünf Leidenschaften. Darum mahnte Buddha:

Seid wunschlos.

Das ist sehr bedeutungsvoll. Wir lesen es nur oberflächlich und denken nie ernsthaft darüber nach, was dem zugrunde liegt. Guru Amar Das erklärt, dass das Gemüt innerhalb der zehn Körperöffnungen umherwandert. Wie kann es da den Herrn verehren? Welches ist die Krankheit, unter der das Gemüt leidet? Es ist durch die Sinne gefangen, welche es in sinnlichen Bestrebungen verstrickt halten. Der einzige Weg, ihm dieses Verlangen abzugewöhnen, besteht darin, die Sinne zu bezwingen und das Gemüt in Zucht zu nehmen.

Nun kennen wir die Leiden, welche uns überwältigen – Lust und Ärger –, von denen die ganze Welt mitgerissen wird.

Der Gurbani geht so weit zu sagen:

Einer, der frei ist von Lust und Ärger, ist der Mensch gewordene Gott.

Von Wem keine Wellen tierischer Leidenschaften und Erregung ausgehen, ist eine Verkörperung des Herrn. Schon durch den flüchtigen Blick eines solchen Menschen, Der andere durch Seine Ausstrahlung beeinflusst, werden alle Leidenschaften ausgebrannt. Das ist ganz natürlich, weil Er Sein Gemüt unter Kontrolle hat.

Einer, bei Dessen Anblick das Gemüt zur Ruhe kommt, wird ein Satguru genannt. Das Gemüt kann nie bezwungen werden, es sei denn, mit der Gnade eines Meisters.

Dies ist die Aussage eines Moslem-Weisen. Wie kann also das Gemüt beruhigt werden? Es ist durch die Verbindung mit einem spirituellen Adepten möglich. Das ist der erste Schritt. Zunächst erklärt Er die Theorie; dann gibt Er einen praktischen Beweis der esoterischen Wissenschaft. Des Weiteren gewährt Er dem Neuling die nötige Führung.

Tulsi Sahib sagte dasselbe:

Die Aufmerksamkeit wird in der Gemeinschaft eines Sadh – einer disziplinierten Seele – beruhigt.

Die Verbindung mit einem Lebenden Meister ist als Satsang bekannt, der im Meer des Gemüts als Wellenbrecher dient. Im Meer ist ein langer Steindamm errichtet, an dem sich die Wellen brechen, wenn sie gegen ihn schlagen. Andererseits kann man leicht im Wasser baden und sein Spiegelbild darin sehen. Die Gemeinschaft mit einer Großen Seele erfüllt den gleichen Zweck. Für einen Augenblick wird der Gemütsstoff daran gehindert, nach außen zu fließen, wodurch Selbsterkenntnis aufdämmert.

Guru Amar Das erklärt nun, wie das Gemüt bezwungen werden kann:

Was für eine wunderbare Sache! Durch die Berührung mit der alles durchdringenden ewigen Wonne wird das Gemüt zahm.