XXVI

Die Segnungen Gottes und des Meisters

Der Pfad der Spiritualität ist keine breite Straße, die man leichten Schrittes gehen kann. Er ist eine harte, mühselige Aufgabe, gewunden und schwierig.

In der Katha Upanishade ist zu lesen:

Erwache, erhebe dich und suche Erleuchtung zu den Füßen der Meister. Die Weisen sagen, dass dieser Weg so scharf sei wie ein Rasiermesser und es schwer ist, auf ihm zu gehen.

Farid, ein Moslem-Heiliger von großem Ansehen, erklärte:

O Farid, mache dich auf und durchforsche die ganze Welt nach einem gottesfürchtigen Menschen. Nur darin liegt dein wahres Heil.

Im Koran wird dieser Pfad Pul-i-Sirat genannt, von dem es heißt, er sei so scharf wie eines Messers Schneide und so schmal wie ein Haar.

Bhai Gurdas beschreibt den Gur Sikhi (Pfad der Meister) mit den gleichen Worten: schmäler als ein Haar und schärfer als eines Messers Schneide.

Und die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal, der zum Leben führet; und wenige sind ihrer, die ihn finden.

Matthäus 7:14

Auch die Veden enthalten Textstellen mit zahllosen Regeln und Vorschriften für die Ausübung von Yoga Asanas und Sadhans, die so schwierig sind, dass einem, beim bloßen Gedanken an sie, die Haare zu Berge stehen.

Wie kann angesichts solcher Mühen das schwache, unbeholfene Kind aus Lehm, das ständig von Gemüt und Materie beherrscht wird und im Netz blinder Leidenschaft verstrickt ist, von Wünschen, Zorn, Habgier, Verhaftetsein und Selbstsucht bewegt, aus eigener Kraft unversehrt davonkommen und ein erfolgreicher Pilger auf dem Pfad werden?

In einer so schwierigen, verworrenen und ausweglosen Lage nimmt Sich Gott seiner an. Er kommt Selbst herab in des gemeinen Menschen Kleid, um Leid zu erdulden, auf dass Seine Kinder gesegnet sind. Doch unsere Not hat noch kein Ende.

Die Lehren des Meisters zu verstehen und ihnen täglich strikt zu folgen, auf Ihn zu vertrauen und sich mit Körper und Seele ganz in Seinen Willen zu ergeben ist keine leichte Sache. Wenn sich Gott und der Satguru nicht beide des Jivas erbarmen, wird er schwerlich die Wirklichkeit erkennen und der Knechtschaft entrinnen.

Da Er Selbst der Meister des Universums ist, kann er den Jiva nach innen ziehen und eine Verbindung herstellen.

Mit unserer begrenzten Erkenntnis sind wir nicht einmal fähig, die Worte des Meisters richtig zu verstehen.

Doch zu gegebener Zeit, wenn es Gottes Wille ist, führt Er den Jiva zu einem Sant Satguru, Der ihm einen Kontakt mit Naam – der Gotteskraft oder dem wirkenden Gott – gewährt, mit dem ursprünglichen Tonstrom, durch den er allmählich weitergeführt wird, bis er die Quelle von Shabd oder dem Tonstrom erreicht hat.

Die nicht der Wahrheit dienen, welken dahin wie gebrochenes Rohr. O Nanak, wen der Meister segnet, der wird mit Naam verbunden! Nur durch besonderes Verdienst begegnet man einem Satguru, der den Surat mit Shabd vereinigt. Einen Meister zu finden ist ein reines Geschenk Gottes; so auch die Verbindung mit Hari Naam (Gott).

Der Meister ist Gott gleich, wenn Er auch in physischer Gestalt erscheint. Er verfügt über dieselben Eigenschaften wie Gott Selbst. Er kommt, die Sünder zu erlösen und allen anderen Seine rettende Gnade zu erweisen. Er wäscht die Jivas von ihren Sünden rein und verleiht Naam, das ein sehr wirksames Heilmittel gegen alle Übel ist, seien sie physischer oder geistiger Art oder durch sonstige Umstände bedingt.

Mein Meister nimmt alle Sünden fort, und ich bin auf Ihn angewiesen. Vergib mir alle Schuld, o Meister! Nur darum bittet Nanak. Groß sind die Segnungen eines vollendeten Meisters. Aus der Verehrung Haris reift ewige Glückseligkeit. Die Vereinigung mit dem Herrn ist das Geschenk eines vollendeten Meisters. Mir ist für immer vergeben; frei und unbegrenzt erhebe ich mich nun.

Dryden, ein englischer Dichter des 17. Jahrhunderts, sagt von Christus:

Siehe, Gott herabsteigend in deiner menschlichen Gestalt. Der Beleidigte leidet im Namen des Missetäters. Alle deine Untaten Ihm gegenüber siehst an Ihn geheftet, und all Seine Rechtschaffenheit wird dir übergeben.

Die Gnade des Meisters ist genauso unbegrenzt wie Seine Größe, so dass Er selbst jenen, die schlecht über Ihn reden, vergibt und sie als Sein eigen annimmt.

Wer schlecht über den Meister redet, kann sich noch wandeln, um Seine errettende Gnade zu finden, die ihn in Seine Herde führt.

Zahllos sind die Menschen, deren Sünden vergeben werden und die Er unversehrt über das Meer des Lebens bringt.

Mit Shabd verbrennt Er zu Asche die karmischen Eindrücke von manch einer Seele; Wie ein Kapitän steuert er das Schiff durch manch eine Untiefe.

Der Meister ist wahrhaftig Gott selbst. Er ist ein Meer aufwallender Barmherzigkeit. Gaben aller Art gehen von Ihm aus wie ewige Quellen kühlen und erfrischenden Wassers.

Narain (der Schöpfer) im Guru ist die verkörperte Barmherzigkeit und ein wahrer Freund; Alles geschieht, wie es Ihm gefällt, und Nanak bringt sich Ihm zum Opfer dar.

Das größte Geschenk Gottes und des Gurus ist jedoch Naam. Sie gewähren ihren Ergebenen immer die Segnungen von Naam und bringen ihnen so die Erlösung.

Die Ergebenen Gottes schöpfen immer aus Naam. Durch die befreiende Gnade schreiten sie unaufhaltsam fort. Sein bloßer Anblick ist ein seltener Segen, den der wirkliche Ergebene empfängt. Mit der Güte des Barmherzigen verleiht der Guru das Geschenk von Naam.

Weder in dieser Welt noch im Jenseits gibt es eine größere Gabe als Naam.

Unvergleichlich ist der Schatz von Naam, den der Wahre Eine nach Belieben austeilt.

Man erhält Naam und findet dadurch mit Hilfe des Satsangs und des Satgurus den Weg zu Gott.

Wen immer der Meister segnet, der empfängt die Liebe des Herrn. Es wird an die Barmherzigkeit Gottes gerührt, wenn man wirklich die Gunst eines Sadh erlangt, o Nanak.

Die befreiende Gnade geht aus der Verbindung mit Naam hervor, und die beständige Sehnsucht nach ihr und Gottes Liebe ist wiederum von Hilfe. Die Gnade und Naam wirken wechselseitig und fördern die gegenseitige Entwicklung.

O Nanak, Naam kommt allein aus der Gnade! Es gibt keinen anderen Freund als Ram Naam. Erhebe dich über alle Gegensätze, halte fest an Naam, und Er wird dich segnen. Der Augenblick, in dem ich die Wahrheit vergesse, dieser Augenblick ist vergeudet. Gedenkt Seiner mit jedem Atemzug, und Seine Gnade wird bei uns sein.

Sie kommt herab, indem wir Seinen Bhana (Willen) folgen und Sein Hukam (Gebot) anerkennen.

Wer Sein Gebot anerkennt, hat nichts zu bereuen. O Nanak, präge deiner Seele die Gabe Seines Naam ein.

Wenn ein Heiliger die Saat von Naam gelegt hat, muss sie Frucht tragen, und keine Macht kann sie daran hindern. Und der Jiva muss früher oder später das Ziel erreichen, das heißt die Selbstverwirklichung und Gottverwirklichung.

Nur durch Gnade erlangt man die Wahrheit. Niemand hat die Macht, ihr Wachstum aufzuhalten. Naam wird durch den Tod im Leben bewässert, was die Gurumukhs bewirken. Gott verleiht ihnen diesen Schatz, und keiner kann ihn entwenden.

Selbst Kal (die Zeit) und Maya (die Täuschung) können keinen Effekt hervorrufen auf die Saat von Naam, weil sie empfangen wurde in einer Region, viel höher als ihre Bereiche.

Außerdem ist der Sämann, Der die Saat ausstreut – der Satguru –, Sat Purush selbst (Seine offenbarte Form). Deshalb können der Ishwar (Niranjan, der Herr des feinstofflichen Bereichs) und Parmeshwar (Om, der Herr der Kausalregion) nicht in Sein Werk eingreifen.

Die Gabe des Gurus ist ewig. Sie birgt die erlösende Gnade für den, der sie empfängt. Der Shabd des Meisters ist der hohe Gebieter, o Nanak! Der Meister ist kein anderer als Gott.

Die Segnungen des höchsten Herrn sind unbegrenzt und jederzeit in reichem Maße vorhanden; doch nur durch ein außergewöhnliches Verdienst hat man daran teil. Eine Spur dieser Gnade genügt, um den Jiva vom endlosen Zyklus der Seelenwanderung zu befreien.

Wenn Er seinen Segen in Fülle gibt, hört der ewige Kreislauf der Geburten auf. Wenn das Kommen und Gehen ein Ende hat, findet man in der Heimat immer währende Ruhe.

Nur die Gurumukhs erlangen dieses Vorrecht, nicht die Manmukhs.

O Nanak, Er vollbringt alles Selbst, und die Gurumukhs erfreuen sich Seiner Gunst. Die bitteren Worte des Meisters munden süß; Seine liebevollen Worte sind ein unvergleichlicher Segen. Jedes Seiner Worte trägt reiche Frucht, aber die leeren Worte der anderen sind umsonst.

Man entfaltet Naam allein durch Seine Gnade.

Nur Deine Gnade hilft die Naam-Kraft zu entwickeln. Frei von allen Mängeln, ist man immer in Naam vertieft.

Auf sich gestellt, ist der Mensch nur ein hilfloses Geschöpf, das nichts aus eigener Kraft vermag. Deshalb sollte er nicht eitel und stolz auf etwas sein, das er nur scheinbar selber tut.

Gott allein ist der Handelnde, Der alles bewirkt. Er kennt die Herzen aller und weiß um ihre innersten Geheimnisse.

Das Heilmittel für alles Übel und der einzige Weg, Gottes Gnade zu finden, ist vollständige Hingabe in aller Demut zu den Füßen der Meister-Seele.