Guru, Guru Dev und Satguru

IV

Wo liegt nun der Pfad heimwärts? Es gibt so viele Yoga-Systeme; einige haben die physische Entwicklung zum Ziel, andere bieten Mittel und Wege, um die Lebensspanne zu verlängern. Es gibt den Bhakti-Yoga, der uns lehrt, wie man Liebe und Hingabe entwickelt. Solange der Mensch beständig nach Spiritueller Erleuchtung sucht, sinkt er nicht zu den niedrigeren Stufen der Schöpfung ab. Paramhansa Ramakrishna verehrte Gott als göttliche Mutter, und er sah sie in allem Geschaffenen. So blieb er in einem Zustand der Dualität und konnte nicht darüber hinausgelangen. Als er zu Guru Totapuri ging, gab ihm dieser das Geheimnis des Brennpunktes hinter und zwischen den Augen, stieß ihn mit einem Stück Glas fest gegen die Stirn und wies ihn an, an dieser Stelle zu meditieren. Dadurch wurde es ihm möglich, das Körperbewusstsein zu überschreiten und von der Dualität zur Einheit zu gelangen.

Dann gibt es den Pfad des Gyan-Yoga, des logischen Denkens und Schlussfolgerns, der nur für solche geeignet ist, denen große intellektuelle Kräfte eigen sind. Er kann nicht von jedem praktiziert werden. Wie können die jungen, alten und geistig schwachen Menschen daraus Nutzen ziehen?

Der große Weise Patanjali hat Yoga als yogish chittavriti nirodha bezeichnet, was bedeutet, die Vibrationen des Gemüts zur Ruhe zu bringen. In Wirklichkeit ist auch dies nur eine Vorstufe, die den Weg zur Gottverwirklichung bahnt. Der Weise Yagyavalkya nannte den Yoga: yogish atma Paramatma sanyog (die Vereinigung der Seele mit der Überseele). Aber es gibt noch etwas Weiteres, nämlich Selbstverwirklichung oder ständiges Gewahrsein des Selbst, das man erreicht, wenn man sich über das Körperbewusstsein erhebt, allmählich die physische, astrale und kausale Hülle ablegt und Kosmisches und Überkosmisches Bewusstsein entwickelt. Zuletzt ist man eine Welle vom Meer aller Bewusstheit. Wie kann dies verwirklicht werden?

Guru Nanak sagt:

Ohne Selbstanalyse vergeht der Giftschleier der Täuschung nicht.

Solange man sich nicht über das Körperbewusstsein erhebt, kann man nicht einmal eine Ahnung vom Inneren Selbst haben. Ihr müsst euch von den verschiedenen physischen, astralen und kausalen Umhüllungen, die alle der Täuschung unterworfen sind, befreien. Selbst der große Shankara wies auf etwas hin, das weit darüber und jenseits davon liegt, wenn er sagte:

O Herr, ich weiß, dass es keinerlei Unterschied zwischen dir und mir gibt. Ich bin Dein. Doch Du bist nicht mein; denn der Fluss hat seine Wellen, aber die Wellen haben nicht den Fluss.

Zum einen gibt es Selbstbewusstsein, zum anderen Kosmisches Bewusstsein, und dieses wird noch vom Zustand des Überkosmischen Bewusstseins übertroffen. Die Heiligen haben immer auf diesen Zustand des Überkosmischen Bewusstseins Bezug genommen. Alle Großen Meister taten das Gleiche, und Sie sind für Ihre Universalität bekannt. Hazur sagte uns immer, dass Er für alle da sei und alle annehme, und dass es oberste Pflicht eines Wahren Meisters sei, die Kinder Gottes zu vereinen.

Alle Menschen, alle Religionen, alle Nationen und Länder sind Sein, trotz der scheinbaren Unterschiede infolge der geographischen und klimatischen Bedingungen; denn sie leben auf der gleichen Erde, unter dem gleichen blauen Himmelszelt, und derselbe Lebensimpuls ist in ihnen. Die Heiligen geben allen ausnahmslos die gleiche Innere Verbindung mit dem überfließenden Meer Göttlicher Trunkenheit, das in jeder Seele verborgen liegt und seit langem durch die schwere Last des Alltagslebens vergessen wurde. Der Meister hilft uns, Zugang zum Göttlichen Nektar zu gewinnen, indem Er uns ein wenig über das Körperbewusstsein hebt. Ein Großer Meister hat Seine Seelenströme ganz unter Kontrolle, während unsere über die Sinnesorgane nach außen fließen. Die Sonnenstrahlen brennen gewöhnlich nicht, doch wenn man sie durch eine Konvexlinse leitet, werden sie gesammelt und verbrennen alles auf der anderen Seite der Linse. Es ist unsere eigene Aufmerksamkeit, die Gemüt und Verstand Leben gibt. Wenn sie, anstatt durch die Sinne nach außen zu gehen, am Zentrum der Seele konzentriert würde, könnte man sich ihre Leistungsfähigkeit gut vorstellen. Es ist eine Sache der tatsächlichen Erfahrung, nicht nur theoretischen Wissens. Der Lebende Meister ist somit ein großes Meer Göttlicher Wonne und Harmonie:

Ein Gottmensch ist immer in einem Zustand Göttlicher Trunkenheit.

Jene, die wirklich Menschen Gottes werden, benötigen keine äußeren Hilfen, um sich in sich selbst zu verlieren. Aus diesem Grund erklärte Mira Bai, dass sie sich ohne jeden Wein in einem Zustand ständiger Berauschung befinde.

Christus sagt uns:

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.

Guru Ram Das sagt uns:

Das Gemüt ist völlig in die Musik der Seele vertieft.

Der Lebende Meister ist wie ein blühender Baum voll duftender Blumen und süßer Früchte. Wahrhaft gesegnet ist, wer einem solchen Meister begegnet. Bedenkt bitte, dass die Augen die Fenster der Seele sind. Die Kraft, die ein Heiliger in Sich birgt, wird durch die Augen übermittelt. Seine Seele ist mit der Gottheit aufgeladen. Diese Verwirklichung kann man durch Ihn erhalten.

Jeder Meister hatte Seinen eigenen Bola (eine vom Ihm gewählte Form des Gottgedenkens); und welcher Bola es auch immer sei, er ist mit der ganzen magnetischen Kraft des Heiligen geladen. Guru Nanak rief sehr oft Sat Kartar aus, was bedeutet, dass der Schöpfer alles durchdringt. Ebenso ging Chaitanya Mahaprabhu umher mit den Worten: Hari Bol (nehmt den Namen des Herrn).

Einmal kam er zufällig an einem Weiher vorbei, wo Waschmänner bei der Arbeit waren. Er forderte einen von ihnen auf, Hari Bol zu sagen, doch dieser beachtete ihn nicht, weil er annahm, er sei ein Bettler. Als aber Chaitanya den Waschmann nachdrücklich dazu anhielt, konnte dieser nicht anders, als die Worte Hari Bol zu wiederholen, und bei dieser Wiederholung begann er in Ekstase zu tanzen. Unversehens wurden andere Waschmänner aus der Nähe vom Rhythmus der geladenen Worte angesteckt, und bald hallte der ganze Platz in rhythmischem Einklang vom fröhlichen Gesang des Hari Bol wider.

Mein Hinweis geht dahin, dass die Worte einer Meister-Seele, welcherart sie auch immer sind, wegen der persönlichen Verbindung, die Sie mit der Gottheit im Innern hat, hoch geladen sind und deshalb nicht anders können, als die Hörer tief zu berühren und ihnen beim Spirituellen Vorwärtskommen zu helfen. Die Augen sind die Fenster der Seele, und ein einziger von Liebe erfüllter Blick Seiner Gottberauschten Augen ist genug, den Geist zu unermesslichen Höhen zu erheben.

Shamas-i-Tabrez betet:

O Göttlicher Meister, gib mir nur einen Schluck von dem Heiligen Wein, der meinem gequälten Herzen Frieden bringen kann. O Meister, gib mir das Lebenselixier, welches nicht einmal im Paradies zu haben ist.

Bhai Nand Lal sagt:

Ein einziger Becher vom Wasser des Lebens ist erheiternder als zweitausend Fässer Wein.

Und von Guru Gobind Singh lernen wir:

Es ist keine Sache verstandesmäßiger Erörterungen, sondern eine des eigenen Sehens.

Bhikna erklärt:

Wer weiß, spricht nicht darüber, da es nicht im menschlichen Vorstellungsbereich liegt. Es ist einzig eine Sache des Sehens. Jene, die aussprechen, dass sie wissen, wissen in Wirklichkeit nicht.

Maulana Rumi sagt uns:

Wollte ich etwas von diesem Zustand erzählen, würden sich alle Ungläubigen der Welt augenblicklich in Gottmenschen verwandeln.

Was geben nun die Meister? Es ist etwas äußerst Erhabenes, das sich jeder Beschreibung entzieht. Der große Maulana Rumi fährt dann fort:

Wenn nach meinem Tod aus meinem Körper Dünger gemacht würde und man diesen Dünger auf ein Weizenfeld streute, würden der Koch und der Überbringer des Brotes, das davon gebacken wird, in Ekstase tanzen; und sogar der Ofen würde beginnen, Flammen der Liebe von sich zu geben.

So viel hat uns der Maulana wissen lassen, ohne etwas über den Zustand desjenigen zu sagen, der an der so zubereiteten Speise teilhätte, denn dies ist unbeschreiblich.