Gurubhakti: Eine Lektion in Liebe

II

Nun kommen wir auf unsere ursprüngliche Frage zurück, nämlich, wen man in der Welt lieben soll. Wenn wir genau hinsehen, finden wir, dass Liebe eine dem Menschen angeborene Eigenschaft ist und jeder sich der einen oder anderen Sache gewidmet hat, sei es dem Dienst an der eigenen Familie, Gemeinschaft, Nation oder Religion oder der Förderung einer Kunst, eines Handwerks oder Ähnlichem. Und doch gibt es welche, die sich selbst über alles lieben und für die ihre eigene Befriedigung das ein und alles im Leben ist.

Einmal lebte in unserem Land ein Herrscher namens Mohammed Shah Rangila. Er gab sich Trinkgelagen hin. Als in Delhi heftige Kämpfe tobten, baten die Leute den König, einzugreifen. Dieser war aber so sehr dem Trunk ergeben, dass er weder die Zeit noch das Herz hatte, sich diesem Gnadengesuch zuzuwenden. Er rief aus:

Lasst uns diese bedeutungslosen Papiere im Wein ertränken!

Ähnliches wird von dem römischen Kaiser Nero berichtet, der geigte, während Rom brannte. An solchen Leuten mangelt es nicht auf der Welt. Wer seiner Familie dient, ist weit besser als einer, der sich selbst verehrt und nur der eigenen Befriedigung lebt. So ist der, welcher seine Gemeinschaft, seine Religion oder sein Land liebt und ihnen dient, zunehmend besser. Aber alle diese verschiedenen Arten der Liebe und Ergebenheit sind mehr oder weniger von selbstischen Interessen bestimmt und haben einen Beigeschmack von Stolz; daraus ergibt sich nur allzu oft Zwietracht zwischen Familien, Klassen und Ländern.

Wir hatten das, was man beschönigend Kreuzzüge oder heilige Kriege nannte, die im heiligen Namen der Religion geführt wurden, aber geboren aus einem fehlgeleiteten religiösen Eifer und, offen gesagt, völliger religiöser Unwissenheit, Bigotterie und Intoleranz. Im Gegensatz dazu aber geht die Liebe zu Gott über alle diese unbedeutenden Ziele der Verehrung weit hinaus, da sie in völliger Selbstverleugnung und selbstlosem Aufopfern besteht, aus dem Wissen heraus, dass Gott im Herzen aller wohnt und die Grundlage der ganzen Schöpfung ist – Unwandelbares Sein, das ewig währt. Aber wir haben Ihn noch nicht gesehen; wie können wir Ihn lieben, ohne Ihn geschaut zu haben, und wie uns die Ergebenheit für Ihn einschärfen? So müssen wir notwendigerweise unsere liebende Hingabe auf den Menschlichen Pol lenken, Wo die Gotteskraft offenbart ist.

Guru Amar Das Ji sagt:

Wenn ihr Gott verehren wollt, verehrt den Satguru, den Personifizierten Gott oder das Fleisch gewordene Wort.

Er gewährt uns dann die Verbindung mit dem Heiligen Naam und hilft uns, ins Jenseits zu gelangen. Den Satguru verehren, bedeutet in Wirklichkeit Gott verehren. Der leichteste Weg, Hingabe an Gott zu entwickeln, ist der, Gurubhakti – Liebe zum Meister – zu pflegen.

Im Gurbani lesen wir:

Die liebende Ergebung in den Meister steht über allem, und ich liebe Seine Heiligen Füße mit meiner ganzen Kraft.

Was ist nun Bhakti – liebende Hingabe? Es ist die Liebe zu Gott. Der Weg zurück zu Gott führt auch über die Liebe. Liebe kennt nichts als Dienen und Opfern. Was zeichnet diese Liebe aus? Wer liebt, möchte alles, was er hat, für den Geliebten opfern, und nachdem er alles hingegeben hat, schaut er nicht nach einer Belohnung als Gegengabe aus.

Gott Selbst erläutert im Gurbani:

Wenn du am Spiel der Liebe mit Mir teilhaben willst, so komm zu Mir mit dem Kopf auf deinen Händen als Opfergabe; wenn du den Pfad der Liebe gehen möchtest, dann zögere keinen Augenblick, dein Leben hinzugeben.

Das ist die Art des Opfers, welches die Liebe fordert, und wenn ihr so handelt, dürft ihr nie denken, dass ihr irgendetwas Besonderes getan habt. Ihr solltet vielmehr dankbar dafür sein, dass ihr die Liebe so leicht erlangt habt.

Amir Kushro war seinem Meister sehr ergeben. Eines Tages rief er voller Freude, dass er eine glückliche Nachricht von seinem Geliebten erhalten habe. Was ist es?, fragten die Leute. Mein Geliebter hat Anweisung gegeben, wonach ich morgen auf dem Marktplatz vor aller Augen enthauptet werde, sagte er. Hat dir dein Geliebter irgendeine Zusage gemacht, dass er dich sehen und seinen liebevollen Blick auf dich werfen wird?, erkundigten sich die Leute. Nichts dergleichen, war die Antwort.

Das fordert die Liebe vom Liebenden und völlige Unterwerfung unter den Willen des Geliebten, ohne Sinn und Verstand. Die Liebe kennt nur den Einbahnverkehr, soweit es den Liebenden angeht. Sie kennt kein Verhandeln. Alles, was sie umschließt, ist unbedingter Gehorsam.

Nicht mein Wille, sondern der Deine,

ruft der Wahre Liebende.

Ein persischer Dichter hat die Liebe so erklärt:

Was ist Liebe? Der Leibeigene des Geliebten zu sein; umherzuwandeln und sein Herz zu opfern.

Liebe bedeutet demnach, sich selbst – Leib und Seele – Einem hinzugeben und überall auf der Welt nach Ihm zu suchen.

Ein Wahrer Ergebener weiht sein ganzes Leben dem Dienst seines Meisters und löst seinen eigenen Willen in dem Seinen auf. Es ist ein Leben der völligen Übergabe ohne irgendwelche Vorbehalte.

Sarmad, ein Großer Gurubhakta, sagt:

Ich habe mein Herz, mein Leben und in der Tat meine Seele weggegeben; da ich mich all meiner Bürde entledigt habe, kenne ich keinen größeren Gewinn als diesen.

Alles Übel der Welt rührt von der mentalen Aktivität her. Wir hängen am Brennpunkt des Herzens fest, wo die Strahlen des Gemüts beginnen, über die Sinnesorgane weitergehen und die Sinnesobjekte einbeziehen. So sind wir der Welt um uns verhaftet. Wie wenig erkennen wir die große bewegende Kraft der Seele im Hintergrund, die Gemüt und Verstand belebt? Könnten wir uns von diesem Beiwerk freimachen und unser Leben dem Dienst eines Gottmenschen weihen, würden wir auf der Stelle befreite Seelen und könnten den Weg zu Gott gehen. Kann es einen größeren Gewinn einbringen als den, allen Anfechtungen und Wirren des irdischen Lebens zu entfliehen? Das ist es, was wir erwerben, wenn wir uns darin üben, den Personifizierten Gott in unserer Mitte gegenwärtig werden zu lassen. Er ist eine lebendige Verkörperung Der Sich zum Ausdruck bringenden Gotteskraft und hilft uns dabei, Sie auf dieselbe Weise, wie Er es getan hat, zu finden und zu entwickeln.