Gurubhakti: Eine Lektion in Liebe

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Nun erhebt sich die Frage: Wen sollten wir lieben? Da Liebe das Gesetz des Lebens ist, können wir nicht anders, als das eine oder andere zu lieben. Wir schenken unsere ganze Liebe der Welt und allem, was der Welt angehört, Frau und Kinder, Reichtum und Besitz. Aber all diese irdischen Dinge täuschen uns auf die eine oder andere Weise und lassen uns früher oder später reumütig zurück. Wir müssen etwas lieben, das von Dauer ist, so dass sich unsere Liebe nicht als trügerisch erweist. Das vorher Erwähnte ist nicht Liebe im strengen Sinne des Wortes, sondern gänzliche Verblendung, allgemein als Verhaftetsein bekannt. Warum wollen wir dann nicht etwas finden, das unserer Liebe wert ist und das hier und danach hilft? In diesem Zusammenhang lege ich euch eine kurze Hymne Kabirs vor, damit wir die Sache besser verstehen:

Wir müssen Jemanden lieben, Der uns bis ans Ende nicht verlassen noch versäumen wird.

Er allein ist der Liebe würdig, Der uns in allen Wechselfällen des Lebens auf der irdischen Ebene beisteht und uns auch ins Jenseits zum Richterstuhl Gottes bringt.

Im Gurbani finden wir folgende Erklärung:

O Nanak, löse alle vergänglichen Bande der weltlichen Beziehungen und suche die Gemeinschaft eines Wahren Heiligen; die Ersteren werden noch in diesem Leben zerbrochen, während der Letztere auch nach dem Tode bei dir bleibt.

Die Freunde und Verwandten der Welt, wie nahe sie einem auch immer stehen, gehen nicht mit einem durch dick und dünn. Einige verlassen uns in Armut und Bedürftigkeit, andere bei langer Krankheit und Leiden und weitere, wenn uns widrige Umstände und Unglück heimsuchen. Im besten Fall mögen euch ein paar zum Bestattungsplatz geleiten, das ist alles. Die Freundschaft eines Heiligen währt beständig. Er bleibt für immer und ewig bei uns und steht uns auch vor dem Richterstuhl Gottes zu Seite, um uns zu helfen.

So sagt uns Kabir:

Wenn sich auch alle um dich scharen und deine Eitelkeit nähren, solange du im Überfluss lebst, fliehen sie dich im Wandel des Glücks, und keiner kommt dir nahe.

Selbst die Aufrichtigsten stehen hilflos dabei, wenn man an der Schwelle des Todes steht und nach Atem ringt. Wenn sie sehen, dass man aussichtslos mit dem Tod und hilflos um das Leben kämpft und die Schlacht verliert, können sie nichts anderes tun, als Gott bitten, die quälende Agonie der letzten Augenblicke zu erleichtern. Was sonst wäre möglich?

Und wieder heißt es im Gurbani:

Dient dem Wahren Meister und entfaltet das Heilige Wort. Der Meister empfängt beim Tod jene, die ihr Bestes taten, Ihm zu folgen.

Wir sollten deshalb Täter des Wortes sein und Es Tag und Nacht praktizieren. Es ist der Tröster, von dem Christus sprach. Es nützt auf verschiedene Weise, wenn wir hilflos in der Falle des Todes liegen oder in hoffnungslosen Situationen. Es materialisiert sich in Gestalt des Meisters, um uns zu beraten und zu ermuntern, ganz gleich, wo wir sind, auf schneebedeckten Berggipfeln, im brennenden Wüstensand, in den Meerestiefen oder hoch oben am Firmament. Und wenn die letzten Augenblicke des Lebens gekommen sind, erscheint Es in der Strahlenden Form des Meisters, um die Seele ins Jenseits zu bringen, führt den Geist stufenweise von einer Ebene zur anderen, wie und wann Er es für angebracht hält, bis Er einen sicher zum Wohnsitz Gottes leitet.

Mein Meister pflegte zu sagen, dass ein Satguru, wenn Er bei der Initiation das Heilige Wort enthüllt, in Wirklichkeit Seine Wahre Form – Shabd Swaroop – offenbart, Die immer bei der initiierten Seele bleibt, bis beide in Sat Naam, der Ersten Offenbarung Gottes, aufgehen, welche dann der Seele zu Agam – dem Unbegreiflichen –, Alakh – dem Unaussprechlichen – und Anaam – dem Namenlosen, das nicht Gestalt noch Attribut besitzt – verhilft. Wegen dieses außerordentlichen und bedeutungsvollen Opferdienstes, der beständiger Natur ist, wird uns geraten, Liebe für Einen zu entwickeln, Der uns ewig liebt und uns hier wie danach beisteht.

Maulana Rumi sagt uns, indem Er von dieser Liebe spricht:

Liebe ist etwas anderes als die Sinnlichkeit des Menschen, da die Sinne von den Sinnesgegenständen genährt werden und durch die Nahrung gedeihen, die wir zu uns nehmen.

Wir sehen darum, dass Liebe etwas Erhabenes und Heiliges ist und nicht mit Lust verwechselt werden sollte, welche die Folge niedriger Wünsche und sinnlichen Begehrens ist. Es ist die Liebe der Seele für die Überseele oder des Geschöpfes für den Schöpfer. Wie nun können wir zur Liebe kommen, ist die nächste Frage.