Kapitel V

Asanas – Körperhaltungen

Körperhaltung bedeutet, in einer bestimmten Haltung zu sitzen und sie fest und für eine bestimmte Zeitdauer beizubehalten. Hatha Yoga beschreibt zahlreiche Haltungen, und von diesen sind 84 gut bekannt. Die Praxis dieser Haltungen gewährt viele Vorteile, weil sie ein Hilfsmittel zur Konzentration sind. Sie helfen dabei, alle körperlichen Beschwerden und Schwächen zu beseitigen. Die Organe, Venen und Arterien bleiben gesund und kräftig. Es gibt keinen Verlust von Wärme im Solarplexus. Das Essen wird gut verdaut und die Atmung ist regelmäßig. Durch diese Übung wird der Körper unter Kontrolle gebracht. Ferner erwachsen auch eine Reihe von geistigen Vorteilen, wie der Konzentration, Klarheit der Gedanken, tiefe Einsicht, usw.

Jeder Mensch hat Körper, Geist und Seele. Durch die Nahrungsaufnahme erledigt der Körper seine Arbeit; durch den Körper wird das Gemüt aktiviert und durch das Gemüt wirkt die Seele. Der Hauptzweck des menschlichen Lebens ist, das Selbst zu erkennen und Gottverwirklichung zu erlangen. Für die Kontrolle von Körper und Gemüt war die Praxis des Hatha Yoga und Raja Yoga lange en vogue unter den Hindus gewesen. Hatha Yoga befasst sich mit den Grundsätzen der Atemkontrolle und der verschiedenen Körperhaltungen. Im Raja Yoga wird auf der anderen Seite das Gemüt beruhigt und seine Kraft wird durch Kontemplation und feste Entschlossenheit verstärkt, um eine angemessene Gemütshaltung zu schaffen. Beide dieser Methoden streben die Sammlung der Seelenkraft am Augenzentrum oder dem Dritten Auge an.

Yoga hat acht Aspekte:

1. Yam – Beherrschung

    • Ahimsa – Gewaltlosigkeit oder Enthaltung von Verletzungen in Gedanke, Wort oder Tat

    • Satyam oder Sat – Wahrhaftigkeit

    • Asteya oder Astaiya – Nicht stehlen, oder Enthaltung von Diebstahl

    • Brahmacharya – Mäßigkeit oder Keuschheit

    • Aprigreha – Freiheit von Gier und Habsucht oder Verneinung des Wunsches nach Besitz jenseits der Notwendigkeiten des Lebens

2. Niyam – Bräuche

    • Suouch oder Souch – Sauberkeit oder innere und äußere Reinheit

    • Santosh – Zufriedenheit

    • Tapa – Selbst-Disziplin des Körpers, der Zunge und des Gemütes

    • Swadhyaya – Studium des Selbst; auch der Schriften

    • Ishwar Pranidhan – Selbsthingabe an den Willen Gottes

3. Asanas – Körperhaltungen

4. Pranayam – Praxis des Einatmens, den Atem anzuhalten, dann auszuatmen, schließlich den Atem an einem der Zentren im Körper für eine lange Zeit anzuhalten

5. Pratyahar – Kontrolle der Sinnesorgane

6. Dharma – Entschluss oder Bestimmtheit, eine angemessene Gemütshaltung für die Kontemplation zu schaffen

7. Dhyan – Kontemplation

8. Samadhi – Überbewusstsein oder mystische Trance

Der dritte Aspekt des Yoga, d. h. der Asan, ist wichtig für das vorliegende Thema, nämlich eine korrekte Körperhaltung für die Meditation einzunehmen. Wenn man nicht fest in einer bestimmten Körperhaltung verbleibt, sondern häufig die Haltung wechselt, werden die Geistesströme nicht konzentriert. Es ist daher grundlegend, dass die gewünschte Haltung beibehalten werden sollte. Ansonsten können die Yoga-Übungen nicht erfolgreich durchgeführt werden.

In der Yoga-Praxis müssen die Blutgefäße zuerst gesäubert und gereinigt sein. Dies wird mit Hilfe von vier Arten von Körperhaltungen getan:

  1. stehend

  2. sitzend

  3. flach auf dem Boden liegend und

  4. auf dem Kopf stehend – mit dem Kopf auf dem Boden und die Beine vertikal.

Diese vier Stellungen haben ihre jeweiligen Vorteile, aber für unseren gegenwärtigen Zweck ist es nicht notwendig, eine genauere Beschreibung von diesen zu geben.

Yogis haben all die 84 Stellungen durchgeführt, ohne das letztendliche Ziel zu erreichen. Sie befreien den Geist nicht von sprunghaften oder bösartigen Gedanken. Sie sind in erster Linie zum Nutzen des physischen Körpers, und führen nicht zur Gottverwirklichung. Offensichtlich ist ein Medikament nutzlos, wenn es die Krankheit nicht heilt. Diese Körperhaltungen erfordern nachhaltige Anstrengung ohne viel Gewinn. Der Sant Mat missbilligt daher solche Praktiken.

Wir müssen zuerst sehen, welche die einfachste Körperhaltung ist, durch die unsere Seelenströme zum Augenzentrum gebracht werden können und Konzentration erlangt werden kann, und, welche ein Kind, ein junger oder ein alter Mensch mit gleicher Leichtigkeit einnehmen kann. Es ist grundlegend, wachsam zu sein, bevor man die Spirituelle Übung beginnt. Der Übende sollte ein Bad nehmen, um über Faulheit und Schläfrigkeit hinwegzukommen. Wenn dies aus irgendeinem Grund nicht möglich ist, sollte man wenigstens die Hände, Füße und Gesicht waschen. Man sollte dann im Schneidersitz sitzen, indem man den Rücken gerade hält, aber weder steif noch locker. Es ist grundlegend, dass die Wirbelsäule aufrecht bleibt. Wenn die Übung ausgeführt wird, sollte man auf dem Boden oder auf einer hölzernen Liege sitzen. Der Übende sollte seinen Rücken nicht gegen eine Wand oder einen Stuhl stützen. Er sollte darauf achten, nicht einzuschlafen. Wenn man längere Zeit sitzen muss, kann man eine Bairagan – Armstütze – mit Vorteil nutzen.

Was auch immer für eine Körperhaltung einer für seine Spirituelle Übung einnehmen mag, er muss sich davon überzeugen, dass sie keine Unruhe verursacht und dass er leicht den Körper vergessen kann.

Die Sants haben eine Körperhaltung eingenommen, die sowohl einfach als auch natürlich ist. Sie betrachten die verschiedenen Körperhaltungen des Hatha Yoga nicht als wesentlich für die Spirituelle Erhebung. Die Körperhaltung, welche von den Sants eingenommen wird, ist die, durch welche die Seelenströme von den neun Öffnungen des Körpers zum Hauptsitz der Seele zwischen den beiden Augenbrauen zurückgezogen werden können. Und das Bewusstsein muss vom Körper getrennt werden. Das Gemüt wird so von all seinen Ausschweifungen befreit. Das Zentrum zwischen den beiden Augenbrauen ist das Spirituelle Herz-Zentrum der Sants. Um das Bewusstsein vom Körper zu befreien, ist es notwendig, das Gemüt zu beruhigen und die Ströme des Gemüts an dieser Stelle zu konzentrieren. Alle Sorgen des Gemütes werden durch dieses Mittel ausgelöscht.

Man kann hervorragende Ergebnisse durch diese Körperhaltung erreichen, denn die Seelenströme, welche durch die neun Öffnungen des Körpers – nämlich zwei Augen, zwei Ohren, zwei Nasenlöcher, Mund und zwei untere Ausgänge – in der Welt verstreut sind, können sich am Augenzentrum sammeln und nach oben steigen. Die Seele verbindet sich dann mit Naam oder der Wahrheit am Zehnten Tor – Daswan Dwar –, und erreicht schließlich Sach Khand, wo sie Ego, Verhaftung, Gier, Wunschhaftigkeit und Lust verlassen, und der Kreislauf von Geburten und Toden beendet ist.

Der Herr, Der formlos ist, hat Seine Ewige Wohnstatt in den Spirituellen Regionen von Sach Khand. Er ist dauerhaft und erhält das gesamte Universum und die oberen Bereiche. Seine Wahre Wohnstatt ist ewig und unvergänglich. Er bleibt im Sahaj Zustand, welcher durch das Eintauchen in Shabd oder den Tonstrom – das Wort oder der hörbare Lebensstrom – erlangt wird.

Seine Wohnstatt ist frei von Angst. Dorthin gelangend, übersteigt man Geburt und Tod und den Kreislauf der Seelenwanderung. Sie ist jenseits der drei Gunas oder Attribute, und liegt in der vierten Stufe, wo es weder Sorgen noch Angst gibt. Indem man diesen Zustand erreicht, tritt die Seele in die Gemeinschaft mit dem Herrn ein. Der Ergebene und der Herr werden Eins und gehen nie mehr auseinander. Der Kreislauf von Geburt und Wiedergeburt hört auf. Alle Zweifel und Argwohn kommen zu einem Ende.

Die physischen Haltungen des Körpers enden mit dem Tod. Die Haltungen in den feinstofflichen Regionen oberhalb verschwinden mit der Auflösung dieser Regionen, aber die Höchste Haltung von Sahaj unterliegt nicht der Auflösung. Sie ist endlos und unsterblich, und indem man sie erreicht, fällt man nicht wieder. Diese Haltung wird in den Schriften als dauerhaft und wahr betrachtet. Sie kann durch das Hören auf Shabd, welches auch Panj Shabd – Fünf Töne –, Guru Shabd oder Naam genannt wird, erkannt werden.

Ihre Verwirklichung ist nur durch die Gnade und die Führung des Meisters möglich.

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Fußnote: