Kapitel I

Der Herr

Was ist Gott? Gibt es ein solches Wesen in der Realität? Was ist die Kraft, die dieses Universum belebt und es nach einem Plan fortschreiten lässt? Ist diese Kraft bewusst oder leblos? Wenn sie wirklich leblos ist, wieso drehen sich dann die Sonne, der Mond und die Sterne alle dem Gesetz entsprechend? Welchen Bezug haben wir zu dieser Kraft? Woher stammt dieses Universum, wann ist es entstanden und wie ist so etwas passiert? Solche Fragen stellen sich jedem Menschen seit jeher. Ein Buch nach dem anderen ist über dieses Thema geschrieben worden. So mancher Mensch hat seine Zeit hier verbracht und ist von dannen gegangen. Viele grübeln immer noch über diese Fragen nach, dennoch bleiben sie immer aktuell.

Jahrhunderte sind vergangen im Ringen um das Wie und Warum der Philosophie. Aber die Diskussion über Gott ist immer noch da, wo sie am Anfang war.

Das Gemüt des Menschen ist zu großen Höhenflügen der Phantasie fähig, aber die Zweifel legt es nicht ab. Das Thema Gott wird nicht begriffen, und der Mensch irrt weiter umher im dichten Wald seines Intellekts.

Es gibt Theisten und Atheisten. Letztere sind der Meinung, dass die Existenz Gottes eine bloße Erfindung der Furchtsamen ist. Sie ist nur ein Mittel, um ihre Feigheit zu verbergen, und ein Stützpfeiler, um sich daran zu lehnen. Weil Gott weder mit Teleskopen noch mit Mikroskopen sichtbar ist, sagen die Atheisten, dass Er keine Existenz haben kann. Sowohl die Gläubigen, welche an einen Gott glauben, von dem sie gehört oder gelesen haben, als auch die Ungläubigen, sind unglücklich.

Khwaja Hafiz ist so weit gegangen, zu sagen:

Sprich über den Wein und den Sänger, vertiefe dich nicht in die Geheimnisse der Welt; niemand hat durch logisches Denken dieses Rätsel gelöst, noch wird es jemals (jemand auf diese Weise) lösen.

Sprich nur über den Meister und Seinen Namen (den Wein). Vertiefe dich nicht in das Geheimnis des Universums, denn niemand hat dieses Rätsel bis jetzt gelöst, noch wird es irgendjemand jemals allein durch Intellekt und Nachdenken lösen.

All diese Fragen liegen innerhalb der Grenzen von Zeit und Raum und der Sphäre von Maya (Täuschung). Es gibt keine Antwort auf sie; aber trotz alledem bestehen sie im Gemüt fort. Die Menschen sagen oft, wenn die Gottverwirklichung so schwierig ist, warum sollten wir dann danach streben. Die Antwort auf diese Frage ist, dass, so wie ein hungriger Mensch nicht ohne Nahrung leben kann, in ähnlicher Weise wir nicht ohne den Herrn leben können.

Der heilige Augustinus hat gesagt:

Du, O! Gott, erschufst uns nach Deinem Selbst, und das Herz des Menschen ist immer unruhig, bis es in Dir ruht.

Die Menschen erinnern sich an Gott aus verschiedenen Gründen.

Lord Krishna hat in der Bhagvad Gita (dem Himmlischen Lied) gesagt: ‚Vier Kategorien von Menschen beten zum Herrn, nämlich die Leidenden, die Vergnügungssüchtigen, die Ergebenen und die Weisen: die Leidenden für die Linderung ihrer Leiden, die Vergnügungssüchtigen für die Befriedigung ihrer Vergnügungen, die Ergebenen für die Erlangung von Wissen und die Weisen für die Verwirklichung Seiner Seligkeit.‛

Die Antwort der vollkommenen Sants auf die Frage, woraus das Universum entstand und wann und wie, lautet, dass wir uns für die Antwort an den Schöpfer selbst wenden sollten. Diejenigen, die Ihn erkannt haben, haben ihr Selbst ausgelöscht. Sie haben die Grenzen von Zeit und Raum und die Sphären von Ursache und Wirkung überschritten.

O Gemüt, besuche den Ort, wo du den Geliebten sehen kannst; gib diese Welt auf, damit du die andere Welt sehen kannst.

Erhebe dich über deinen Körper, damit du den Erhalter von allem sehen kannst. Verlasse diese Welt, damit du die Welt da darüber sehen kannst.

Er, der Herr, ist wahr. Seine Schöpfung ist wahr. Er Selbst kennt Seine Beschaffenheit und Seinen Zustand.

Gauri M5, Sukhmani 284-19

Der Erschaffene kann das Ausmaß des Schöpfers nicht erkennen; o Nanak, allein das geschieht, was Er will.

Gauri M5, Sukhmani 285-1

Indem Er verwirklicht wird, werden diese Fragen automatisch beantwortet. Diese interessanten Themen können nach Belieben diskutiert werden, wenn wir das Ziel erreichen. In unserem jetzigen Stadium sind nur die Fragen notwendig, die einen Bezug zum Pfad haben, welcher zu Ihm führt. Wenn du es hier und jetzt wissen willst, frage diejenigen danach, welche die Spirituellen Regionen erreicht haben, in denen der Herr manifest ist. Gott kann nicht durch Nachdenken, das Lesen von Büchern und philosophische Diskussionen erkannt werden. Zweifellos können wir durch sie eine Ahnung von Seiner Realität und der Existenz Seiner Macht bekommen. Aber um Ihn als Tatsache zu erkennen, müssen wir in den Laboratorien der Sants experimentieren und Ihn selbst erfahren. Einige Wissenschaftler sagen, dass es keinen Beweis für Seine Existenz gibt. Sie empfinden nicht einmal die Notwendigkeit, an Ihn zu glauben.

Ein Studium der alten Geschichte und der religiösen Schriften zeigt, dass die alten Völker die Kräfte der Natur wie den Mond, die Sonne und so weiter verehrten, um ihren Glauben an Gott zu stärken. Sie erfanden auch verschiedene Namen für Ihn und als Ergebnis hat sich die Welt in den Spinnweben dieser Namen verfangen.

Sants und heilige Männer verwickeln uns nicht in die Worthülsen dieser Namen, sondern sagen uns, dass kein Name Ihn beschreiben kann und dass es keinen Sinn hat, über die verschiedenen Namen zu streiten. Sie alle sind Seine Namen.

Wir nennen Wasser ,eauʽ auf Französisch, ,hudorʽ auf Griechisch, ,maʽ auf Arabisch, ,jalʽ auf Hindi, ,waterʽ auf Englisch und so weiter. Es macht wenig Unterschied, ob wir einen dieser Begriffe verwenden. Aber unser Durst kann nur gestillt werden, wenn wir das tatsächliche Wasser selbst erhalten.

Guru Nanak sagt:

Was kann der arme Nanak sagen? Alle preisen denselben Einen. Nanak lebt zu den Füßen von allen. Er lobpreist all Deine Namen.

Rag Basant M1, 1168-14

Guru Gobind Singh hat im Jaap Sahib mehr als tausend Namen des Herrn erwähnt. Er betont jedoch die Notwendigkeit, die wirkliche Bedeutung der Namen zu verstehen, und rät, dass man über sie hinausgehen und den ,Benannten Einenʽ erkennen sollte, Welcher das Objekt von all diesen ist.

Wie bereits erwähnt, können korrekte Informationen über Gott nur von Jenen erhalten werden, Welche Ihn in den transzendenten Regionen verwirklicht haben, denn ihr Wissen ist nicht nur eine Sache der Einbildung, noch wurde es aus religiösen Schriften oder vom Hörensagen gesammelt. Sie haben Ihn mit Ihren eigenen Augen gesehen. Sie haben Ihn durch die Erweiterung und Erleuchtung Ihres Bewusstseins erfahren und haben andere dazu gebracht, Ihn zu erfahren. Auch heute können Sie die Sucher nach Gott dazu bringen, Ihn zu erkennen.

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Fußnote: