Herberge des Wahns

VI

Lord Krishna sagt in der Gita, dass es nur zwei Wege gibt: Pitrian Panth und Devian Panth

Pitrian Panth ist der Weg des karmischen Rades; und die Seele, welche ihn geht, kann nicht von diesem Rad wegkommen. Die Seele jedoch, die sich auf dem Devian Panth – Pfad des Lichts – befindet, kehrt nie mehr zurück. In der Sanatan-Gemeinschaft der Hindu-Religion ist es Brauch, eine Lampe anzuzünden und sie einem Sterbenden in die Hand zu geben, denn es wird angenommen, dass die Seele sonst nicht erlöst wird. Aber in Wirklichkeit sollte dieses Licht – das Innere Licht – während des Lebens angezündet werden, denn nur das kann die Seele von den Geburten und Toden befreien.

Wo ist dieses Licht?

Das Licht erstrahlt in dem, der die zehn Sinne unter Kontrolle hat.

Dieses Licht ist bereits in allen Menschen, aber man muss sich von den Sinnen trennen, um es zu sehen. Man braucht es nicht hervorzubringen; wendet euch einwärts. Ihr könnt sagen, man soll sich nach Innen wenden oder sich durch Selbstanalyse über die Sinne erheben.

Kabir Sahib fragt:

Warum bleibt ihr trunken in dieser Herberge des Körpers?

Der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass die Seele, welche sich auf der Ebene des Gemüts und der Sinne befindet, die das Abbild des Körpers geworden ist und daher alle Dinge auf dieser Ebene tut, sich unmöglich über den Körper, das Gemüt und die Sinne erheben kann. Wenn jemand denkt, es doch zu können, mag er es versuchen. Was wünscht sich letztlich ein Blinder? Nur zwei Augen. Aber wenn ihr nicht dazu imstande seid, gebt es zu und erbittet Jemandes Hilfe, Der die Wissenschaft, wie man sich über das Körperbewusstsein erhebt, kennt. Eine solche Meister-Seele mag für zehn, fünfzig, hundert oder mehr Personen eine Meditationssitzung abhalten, aber durch einen Bruchteil Seiner Aufmerksamkeit wird jeder Licht erhalten. Den Beweis des Lichts kann man selbst sehen. Der Pfad der Heiligen wird somit der Weg der Umkehr genannt, denn Sie lehren den Sucher, wie man die Sinne nach Innen lenkt.

Wenn ihr dem Satguru begegnet, nimmt die Umkehr ihren Anfang. Das Sterben während des Lebens wird es klären

Begibt sich die Seele nach Innen, wird der Körper leblos; wer im Leben stirbt, wird zu einem, der den Herrn erfahren hat. Lernt zu sterben, damit ihr zu leben beginnen könnt. Maulana Rumi rät, wenn man ewiges Leben will, solle man lernen, während des Lebens zu sterben.

Dadu Sahib erklärt:

Dadu, stirb vorher; jeder stirbt, wenn die Zeit kommt.

Alle Meister haben über dieses Thema ähnliche Aussagen gemacht. Wer das Rätsel des Lebens enthüllt hat, fürchtet den Tod nicht.

Sterben musst du, warum also nicht jetzt? Halte dich fern von der Welt. Einen solchen Tod kann man hundertmal am Tag sterben.

Sich willentlich erheben zu können beseitigt alle Angst vor dem Tod. Ihr seid nur ein paar Tage lang Gast in dieser Herberge des Körpers – verliert euch nicht im Wahn der Sinne und der Sinnesfreuden. Vergesst euch nicht völlig in diesem äußeren Irresein, sondern seid bestrebt, das Ziel zu erreichen, für welches die menschliche Geburt gegeben wurde. Wenn diese Gelegenheit, die rechte Arbeit zu tun, vergeudet wird, wer weiß dann, wann ihr wieder eine bekommt?

Ruht in der Nacht, geht am Morgen.

Es ist ein Ort, an dem ihr die Nacht verbringen könnt, aber bei Tagesanbruch müsst ihr gehen. Wer bleibt auf Dauer in einer Herberge?

Kehre in deine Heimat zurück, Bruder; warum in der Ferne leben? Verrichte deine Arbeit, und schenke den Dingen, die dir fremd sind, keine Beachtung!

Dieses ist nicht euer Land. Ihr habt nur für ein paar Tage Verbindung mit der physischen Gestalt und werdet bald gehen müssen. Sie kann nie euer ständiger Wohnsitz sein; wohin aber werdet ihr gehen? Habt ihr je darüber nachgedacht?

Das Haus, das ihr verlassen müsst, ist an euer Gemüt gebunden; ihr denkt nie an eure Ewige Heimat.

Ihr habt euch selbst auf seinen Umkreis beschränkt und ihm den Rang eines Gottes verliehen. Die Wahre Heimat wurde vollständig vergessen. Wer kann da sagen, ihr seid klug? Vielleicht seid ihr durch Bücher gebildet, aber die Meister sagen, dass einer, der seine vergängliche Lage nicht erkennt und nichts von seinem wirklichen Bestimmungsort weiß, entweder ein Tor oder ein unwissendes Kind ist.

Wenn eine spirituelle Persönlichkeit auch in äußerem Wissen erfahren ist, trägt sie dies wie eine Blumengirlande und gebraucht es, um die Wahrheit auf verschiedene Weise darzulegen.

Als zum Beispiel Keshab Chander Sen zu Shri Ramakrishna ging, sagte der Letztere:

Wenn du diese Lehre in einem Wort verstehen willst, dann höre mich an; wenn du vorziehst, sie durch viele Worte zu erfahren, dann gehe zu Vivekananda.

Es ist wichtig, dass das Gemüt ganz verstehen und zufrieden gestellt sein sollte, denn wirklich spirituelles Erleben kann man nur haben, wenn die Sinne, das Gemüt und der Verstand völlig ruhig sind. Man kann nichts erfahren, solange man auf der Sinnesebene zerstreut ist, gleich, ob in Vergnügungen oder in intellektueller Weitschweifigkeit. Wir sollten zum eigenen Verständnis oder dem anderer den besten Gebrauch von unserem Intellekt machen; aber denkt daran, dass Schlussfolgern eine Hilfe, aber auch ein Hindernis sein kann. Durch den Verstand können wir zu einem Punkt kommen, wo wir zustimmen, dass es Gott gibt; aber wenn das geschehen ist, warum erkennen wir Ihn dann nicht? Dafür muss der Verstand zur Ruhe gebracht werden.

Jeder muss die physische Gestalt ablegen – davon seid ihr nicht ausgenommen.

Ein Meister sagt:

Wohin sind die Eltern gegangen, die euch die Geburt gaben? Ihr wisst nichts darüber.

Die Tatsachen sind ganz offensichtlich, aber das Öl der Welt hat euch wie mit einer Fettschicht umgeben, auf deren Oberfläche sich kein Wasser hält. Wir lesen Bücher und Schriften, hören unzählige Vorträge, doch die Wahrheit, dass auch wir die Welt zu verlassen haben, dringt weder ins Gemüt noch ins Herz.

„Weshalb sollten sich jene, die wissen, dass sie gehen müssen, sorgen und Pläne schmieden?“

Warum Kummer und Sorgen mehr als nötig vergrößern, wenn wir alle eines Tages diesen Ort verlassen müssen? Wenn ihr wüsstet, dass ihr am Ende dieses Tages aus der Welt zu gehen hättet, wie würdet ihr ihn dann verbringen?

Ein bestimmter Meister rät:

Verbringt jeden Tag so, als ob es euer letzter auf Erden wäre.

Wenn man diesen Ratschlag streng befolgte, würde das Leben eines Menschen umgewandelt. Wir gehen tiefer ins Vergessen hinein, weil wir nicht an den Tod denken. Der Tod ist kein Schreckgespenst, sondern der Name für eine Verwandlung; ihr könnt ihn auch als eine Versetzung bezeichnen. Nur wer sich auf dieses Geschehnis vorbereitet, kann wirklich als intelligent bezeichnet werden. Wie klug treffen wir Vorkehrungen für ein weltliches Ereignis, sagen wir für eine Heirat oder eine Prüfung. Die Verwandlung des Todes kann auch eine Prüfung genannt werden, die wir zu erwarten haben, deren Termin wir jedoch nicht kennen. Wir tun nichts, um uns dafür vorzubereiten.