Brahmcharya – Reinheit

Brahmcharya oder ein Leben der Reinheit umfasst Selbstbeherrschung in Gedanken, Worten und Taten. Wir sollten weder begehrlich auf andere schauen, noch uns innerlich mit unreinen Gedanken beschäftigen, denn Reinheit ist Leben und Sexualität ist der Tod. Wenn wir den Weg des Ewigen Lebens gehen wollen, müssen wir durch und durch rein sein, Innen wie außen. Durch Leidenschaft kann die Seele sehr tief fallen. Der Sitz der Seele ist oben, zwischen den Augenbrauen und jeder weiß, wo der Sitz der Leidenschaft ist.

Die Lust überkommt uns zu achtzig Prozent über die Augen, zu vierzehn Prozent über die Ohren und zu sechs Prozent vor allem über die Berührung. Wie kann man also rein bleiben? Der Punkt ist: Ihr müsst einfach eure Aufmerksamkeit kontrollieren. Das Gemüt und die nach außen gerichteten Sinne erhalten ihre Kraft von der Seele und der äußere Ausdruck der Seele ist die Aufmerksamkeit. Wenn wir also unsere Aufmerksamkeit fest im Zentrum der Seele gesammelt halten und die nach außen gehenden Kräfte richtig benutzen, werden wir von dem, was wir sehen oder hören, nicht beeinflusst. Man kann jemanden ansehen, aber selbst mit offenen Augen muss man nicht mit vollem Bewusstsein hinschauen. Jemand mag euch lange Geschichten über schlimme Sachen erzählen, aber wenn ihr eure Aufmerksamkeit unter Kontrolle habt, werdet ihr selbst mit offenen Ohren nichts hören.

Wenn ihr Jemandem in die Augen schaut, Der euch nach oben zieht und euch hilft, den Körper zu vergessen – dann könnt ihr beurteilen, was wirklich Liebe ist. Deshalb gebe ich immer den Rat: 

Schaut anderen nicht in die Augen, nur dem Meister. 

Denn auf diese Weise erfasst uns die Lust: Über die Augen ergreift sie von uns Besitz. Wenn ihr anderen in die Augen schaut, die voll sinnlicher Wünsche sind oder andere niedere Dinge in sich haben, wird das durch ihre Ausstrahlung bei euch dieselbe Wirkung haben. Schaut in die Augen eines Menschen, in Dem Gott offenbar ist und ihr werdet gesegnet sein.

Das Beachten von Brahmcharya, Enthaltsamkeit, erhält uns nicht nur die Lebenskraft, die ein unschätzbares Kapital für den menschlichen Körper ist und keinesfalls zu gering bewertet werden sollte, sondern es hilft entscheidend dabei, uns auf das Göttliche auszurichten, das schon im Grundmuster unseres Lebens vorgezeichnet ist, jedoch im Trubel der Welt verloren ging.

Man wird nicht alle sexuellen Wünsche unterdrücken, denn Verdrängung führt zur Neurose und bringt uns zum Scheitern, sondern man wird beharrlich versuchen, sie umzuwandeln. So wird man verstehen, dass hinter diesem Instinkt die Absicht der Natur steht, die Art zu erhalten, und wird ihn in solche Bahnen lenken, dass dieser Zweck erfüllt wird. Doch man wird ihn nicht zum Selbstzweck machen, zu einer Quelle körperlicher Vergnügungen; denn wenn es dazu kommt, wird er zu einem Rauschmittel, das den Geist betäubt und der Absicht der Natur, die der Fortpflanzung gilt, entgegenzuwirken beginnt, da es die Erfindung und Anwendung empfängnisverhütender Mittel unterstützt. Außerdem – ist es denn psychologisch betrachtet, dem menschlichen Gemüt möglich, sich aus seinem vertrauten Erlebnisbereich ganz zu lösen, ohne zuerst auf einer anderen, höheren Entwicklungsstufe Fuß gefasst zu haben? Es ist ein allgemeines Merkmal des Menschen, dass er immer an etwas eine Bindung sucht, das außerhalb von ihm liegt. Das ist das Gesetz seines Lebens und der Ursprung aller seiner großen Leistungen. Das Kind hängt an seinen Spielsachen, der Erwachsene an Familie und Gesellschaft. Beim Kind ist es so, dass man ihm nicht ohne Schaden seine Spielsachen wegnehmen kann, bevor es psychisch darüber hinausgewachsen ist; und ebenso hieße es, das Leben an der Wurzel abzuschneiden, wenn man erwartet, dass der Schüler seine Verhaftungen an Familie und Gesellschaft aufgibt, bevor er etwas Größeres und Höheres erkannt hat und ihnen entwachsen ist. Das führt nicht zum Erfolg, sondern zu einer Rückentwicklung; denn wenn ein Mensch dies als eine erzwungene Disziplin auf sich nimmt, erreicht er nur die gewaltsame Unterdrückung eines naturgegebenen Verlangens. Die Folge ist dann nicht die Erweiterung des Bewusstseins, sondern ein Abstumpfen und Verkümmern, und nicht Losgelöstsein, sondern Gleichgültigkeit ist das Ergebnis. Reinheit zu entwickeln ist eine mühevolle Aufgabe, die das ganze Leben hindurch ein zähes Ringen verlangt – wirklich etwas sehr Schweres.

Verheiratet zu sein ist kein Hindernis, wenn man ein Leben in Übereinstimmung mit dem, was in den Heiligen Schriften steht, führt. Den Ehepartnern wird in ihrem eigenen Spirituellen Interesse geraten, Reinheit zu beachten und in gegenseitiger Unterstützung ein maßvolles Leben zu führen. Für Menschen, die eine allmähliche Entwicklung anstreben, sind die Eintragungen in das Tagebuch äußerst wichtig. Man lernt durch Selbstbeobachtung und eine achtsame Lebensweise.

Meinen Lieben steht es frei, zu heiraten und eine Familie zu haben, doch sie sollten ein ideales Familienleben führen, in dem die Göttliche Gnade der Meisterkraft zu spüren ist. Junge Menschen sollten angehalten werden, vor der Hochzeit ein reines Leben zu führen, denn Reinheit bedeutet Leben und Sexualität den Tod. Eine Lampe leuchtet wunderbar, wenn sie mit Öl gefüllt ist, doch wenn alles Öl ausgelaufen ist, wie kann sie da noch Licht geben?

Es ist nicht zu befürworten, dass Initiierte als Mann und Frau zusammenleben, bevor sie rechtmäßig verheiratet sind. Ihr werdet verstehen, dass es in einer engen Gemeinschaft nicht möglich ist, sinnliche Wünsche im Zaum zu halten und ein Leben der Enthaltsamkeit und Selbstbeherrschung zu führen, und das beeinträchtigt euren Spirituellen Fortschritt. Wenn ein Mann aus einer Kneipe kommt und dabei in der Bibel liest – was meint ihr, werden die Leute im Allgemeinen darüber denken? Der Körper ist der Tempel Gottes und man sollte ihn zu einem Werkzeug machen, das geeignet ist, Gott im Menschen zu offenbaren; er sollte nicht zum Ausleben sinnlicher Freuden herabgewürdigt werden.

Wenn man ständig an den Körper denkt, wird man natürlich auch an das andere Geschlecht denken. 

Christus sagt:

Die Männer sollten ihre Frauen lieben wie Christus die Gemeinde liebte. 

Selbst Verheiratete sollten sich nicht als Mann und Frau sehen. Eine Pflicht mag es sein, Kinder zu haben, doch das ist nicht die Hauptsache. Es geht in erster Linie darum, einen Gefährten im Leben zu haben, um mit ihm zusammen Gott zu erreichen. Unglücklicherweise verstehen nur sehr wenige, was für eine Bedeutung es hat, auf ein reines Leben zu achten. Nur weil der Mensch nicht keusch ist, unterliegt er der Herrschaft anderer Laster wie Ärger, Habgier und Verhaftetsein. Wäre er in der Lage, sein sinnliches Verlangen zu beherrschen, würden die anderen Schwächen nach und nach wegfallen. So ist Reinheit nicht nur der Schlüssel zu einem Spirituellen Leben, sondern auch zum Erfolg in jedem anderen Bereich, in dem wir uns bemühen.

Der Samen ist die wichtigste Substanz unseres Körpers, eine Flüssigkeit, die unsere Vitalität bestimmt. Je mehr davon unser Körper enthält, desto gesünder sind wir. Wer enthaltsam ist, hat die Größe und den Mut, ganz allein Hunderten entgegenzutreten. Wenn ein solcher Mensch Spirituelles Verstehen hat, ist er wirklich eine Große Seele.

Wer kann sich über das Körperbewusstsein erheben? 

Wer frei von Verhaftungen ist und sich nicht von den sinnlichen Vergnügungen gefangen nehmen lässt. Ein solcher Mensch kann leicht im Innern anklopfen. Ein reines und ethisches Leben ist daher ganz wesentlich. Selbst wenn der Meister durch Seine Gnade jemanden, dessen Leben nicht rein ist, über das Körperbewusstsein erhebt, wird derjenige auf Dauer nicht bestehen können. 

Es ist völlig klar, dass zwei Hindernisse im Wege stehen: 

  • leidenschaftliche Wünsche und 
  • Ärger. 

Denn ein keusches Leben ist nicht genug. 

Wir müssen alle Wünsche und Begierden überwinden. Im Ärger strömt die Seele nach außen. Nachgiebigkeit gegen sich selbst und Ärger führen zu den verschiedenen anderen Lastern. Wenn man nicht zuerst diese beiden Gegner überwindet, kann man die anderen – Habgier, Verhaftetsein und Egoismus – nicht unter Kontrolle bekommen. Wer alle diese fünf Feinde erfolgreich besiegt, ist frei von Leid. Die Sinne erhalten ihre Macht vom Gemüt und das Gemüt erhält sie von der Seele. Wenn unsere Aufmerksamkeit am Sitz der Seele konzentriert ist, werden die Sinne machtlos.

Seid wahr zu Ihm, Der in euch lebt! Wenn ihr die zwei Tugenden Reinheit und Vergebung praktiziert, werdet ihr feststellen, dass ihr ohne große Mühen Höheres Bewusstsein, Volles Erwachen und Vollkommenen Frieden des Gemüts erlangt. Auf diese Weise beginnt ihr, Frieden, Harmonie und Heiterkeit auf alle um euch herum auszustrahlen.

Wer sind wir? Wir sind Gott im Miniaturausmaß. Wir sind nur verkümmert aus dem Grund, dass unsere Seele auf der Ebene des Gemüts und der Sinne nach außen fließt. Würden wir uns von den Sinnesvergnügungen zurückziehen und unsere Aufmerksamkeit auf die Kraft richten, Die uns kontrolliert, würden wir mit Gewissheit zum Sprachrohr dieser Kraft werden.

Reinheit und Vergebung sind die beiden edlen Tugenden, die die Grundlage von allem sind. Wenn wir diese Eigenschaften erlangen, werden wir in unserer Meditation erfolgreich sein. 

Hören wir, was Kabir über die Reinheit des Lebens sagt: 

Wenn Keuschheit und Vergebung im Herzen entstehen, wird der Unsichtbare Herr sichtbar. Ohne Keuschheit kann man Ihn nicht erreichen. Leere Worte führen zu nichts.

Wer ein reines Leben führt, kann sein Wahres Ziel ohne jede Mühe erreichen. Wer Vergeben und Reinheit praktiziert, braucht sich um nichts zu sorgen, er wird Gott erkennen.