Kirpal Singh

Die Rolle der Ernährung

Die Ernährung spielt naturgemäß eine Hauptrolle in der schwierigen Frage des Lebens. Das Gesetz des Karmas ist der Natur unsichtbare Methode, die Welt in ihren eisernen Griffen zu halten, damit sie bevölkert und in Gang bleibt. Darum ist es umso mehr notwendig, dass sich der Mensch vor gedankenlosen, unachtsamen und wahllosen Essgewohnheiten bewahrt. Da wir nicht ohne Nahrung sein können, müssen wir zumindest solche Nahrungsmittel wählen, die sich in unserem spirituellen Streben als am wenigsten schädlich erweisen. Unsere Nahrung sollte für uns nicht unnötige karmische Schulden verursachen, wenn es möglich ist, dies mit ein wenig Sorgfalt zu vermeiden.

Nach dem moralischen, sozialen und spirituellen Gesetz darf man nicht in das Leben irgendeines Tieres in Gottes Schöpfung eingreifen. In Indien wird diese Lebensführung als ‘Ahimsa‘ oder Nichtverletzen allen Geschöpfen gegenüber verkündet. Dies führte zur vegetarischen Ernährung im Gegensatz zur nicht vegetarischen. Wenn wir eingehender über die natürlichen und unnatürlichen Erscheinungen der Ernährung nachdenken, kommen wir zu einem besseren Verstehen im Hinblick auf die Frage der ‘Gunas‘ oder der angeborenen Neigungen, natürlichen Bestrebungen und verborgenen Anlagen, die allen empfindenden Wesen eigen sind.

Die Nahrung muss in Körner, Getreide, Gemüse und Früchte eingestuft werden, welche die ‘Satvic‘ – oder ‘Satoguni‘-Nahrung bildet; es ist die reine Nahrung, die Heiterkeit und Ausgeglichenheit zur Folge hat, wie sie die Weisen und Seher auszeichnet. Satvic oder die reine Nahrung von ‘mool‘ (essbare Wurzeln wie Rettich, Rüben etc.) ‘and‘ (Kartoffeln), ‘phal‘ (Früchte) und Kuhmilch etc. verlängert das Leben und heilt eine Anzahl Krankheiten und Leiden. Ihr Vorteil wurde auch durch die medizinische Wissenschaft erkannt. Heutzutage werden viele Medikamente aus Kräutern, Früchten und Körnern hergestellt und haben sich als sehr wirksam erwiesen. Satvic-Nahrung und einfache Lebensweise sind der Entwicklung höchster Kultur und Zivilisation dienlich. Wir müssen dessen eingedenk sein, dass die Nahrung für den Menschen geschaffen ist und nicht der Mensch für die Nahrung. Essen, um zu leben und nicht leben, um zu essen, sollte unser Grundsatz sein. Wenn wir dem folgen, entwickeln wir Empfänglichkeit für die höheren Werte des Lebens, die ethischen und spirituellen, was allmählich zur Selbsterkenntnis und Gotterkenntnis führt.

‘Rajsic‘ oder Kraft erzeugende Nahrung schließt neben der vegetarischen Ernährung Produkte wie Milch, Sahne, Butter, Butterschmalz (ghee) etc. nicht nur von Kühen ein, wenn sie in Maßen genommen wird. Im alten Indien war der Genuss von Milch hauptsächlich auf die Fürstenklasse beschränkt (die kämpfenden Klassen). Der begrenzte Genuss von Milch wurde auch von den Rishis der alten Zeit beachtet, die mehr oder weniger isoliert lebten und in der Abgeschiedenheit die meiste Zeit in Meditation zubrachten. Sie ließen eine Menge Milch für den Gebrauch des tierischen Nachwuchses zurück.

‘Tamsic‘ oder stumpf machende Nahrung besteht aus Fleisch und Spirituosen, Knoblauch etc. oder tatsächlich aus jeder anderen Speise, sei sie natürlich oder unnatürlich, alt oder frisch. Wer hemmungslos und uneingeschränkt alles isst, der lebt, um zu essen, aber isst nicht, um zu leben. Ihr Lebensziel ist der Genuss und ihr Motto ist, ”Iss, trink und sei vergnügt.” Sie stürzen sich kopfüber in die süßen Lebensfreuden, wie sie es nennen. Wenn sie mit ein wenig Konzentrationskraft begabt sind, lenken sie ihre ganze Kraft (physisch und geistig) auf die Verherrlichung ihres kleinen Ich, das egozentrische Gemüt. Diese Handlungsweise bezeichnet der Mensch dann gerne als eine höhere Auswirkung der Zivilisation. Eine solche Lebensweise wird durch die Meister der höchsten Ordnung jenen, die nach der Erkenntnis des Geistes im Menschen und die schließliche Befreiung der Seele von den Fesseln des Gemüts und der Materie suchen, streng verboten.

Der Mensch hat sich im Hinblick auf seine Ernährung die wilden Tiere des Dschungels zum Vorbild genommen und tut es ihnen gleich. Er erfreut sich nicht nur am Fleisch der harmlosen Tiere wie der Kuh und den Ziegen, Rotwild und Schafen, der unschuldigen Vögel der Luft und dem Fisch im Wasser, sondern nimmt auch Teil an Menschenfleisch und Menschenblut, um seinen unersättlichen Hunger nach Geld und Reichtum zu befriedigen. Er hat seinen Weg der Selbsterhöhung, den er stolz Fortschritt nennt, noch nicht beendet. Möge er gut nachdenken über die Grundprinzipien, nach welchen die Meister vegetarische Ernährung empfehlen und vorschreiben. Auch die Pflanzen haben Leben in latenter Form in sich, wie nun durch die Wissenschaftler der ganzen Welt nachgewiesen wurde. Und doch hängen wir, da wir unsere Rolle in diesem Panorama des Lebens auf der Bühne der Welt zu spielen und uns selbst zu erhalten haben, um Körper und Seele zusammenzuhalten, von dem ab, was die Erde hervorbringt.

Wollen wir nun zu der eigentlichen Sache kommen. In der ganzen Schöpfung gilt das Naturgesetz, dass Leben von Leben abhängt. Wie die Geschöpfe anderer Schöpfungsstufen erhält sich auch der Mensch, indem er Nahrung zu sich nimmt, die Leben in sich hat. Äußerlich gesehen scheint es, dass sich der Mensch hinsichtlich des Anhäufens von Karma mit den anderen Geschöpfen einer niedrigeren Lebensordnung – Reptilien und dergleichen – in derselben Lage befindet.

Die Natur hat ein anderes Rad, das in dieser stofflichen Welt am Werke ist, nämlich das Gesetz der Evolution. Es sieht vor, dass alle lebenden Wesen von einem Entwicklungszustand in den anderen gehen. Da sie sich von der einen Schöpfungsordnung zur nächsthöheren bewegen, hat jedes Wesen einen von den niedrigeren besonderen Wert. Die Grundlage, die den Nennwert als auch den inneren Wert bestimmt, ist die Materie und der Intellekt. Je wertvoller die Bestandteile der Materie, die einem Wesen in hervorragender Form eigen sind, desto größer der Intellekt und umso höher der Wert des Wesens. Die Heiligen wenden dieses Gesetz bei der Lösung der Ernährungsfrage für den Menschen an. Ob er es beachtet oder nicht, stellen sie dieses Gesetz für den Menschen auf, damit er seine Ernährung verbessert und dadurch soweit als irgend möglich einer schweren Last karmischer Verkettung entgeht, in der er unentrinnbar festgehalten würde.

Der Menschenkörper mit allen fünf Tatvas (oder schöpferischen und zusammengesetzten Elementen, Erde, Wasser, Luft, Feuer und Äther) in voller Aktivität wird am höchsten bewertet. Deshalb steht er an der Spitze aller geschaffenen Wesen und wird Gott als seinem Schöpfer am nächsten betrachtet. Dass der Mensch seine Mitgeschöpfe tötet, wird als das verruchteste aller Verbrechen angesehen, das die höchste Strafe oder die Todesstrafe verdient. Der nächste Wert wird den Vierfüßlern und anderen Tieren zugemessen, in denen vier Tatvas aktiv am Werk sind, während das fünfte, der Äther, nahezu fehlt oder nur in einem geringfügigen Teil vorhanden ist. Das willkürliche Töten eines Tieres hat eine Strafe zur Folge, die dem Wert des infrage stehenden Tieres entspricht. Dann kommen die Vögel mit drei aktiven Elementen, nämlich Wasser, Feuer und Luft und werden daher nach ihrem nominellen Wert betrachtet. Noch niedriger ist der Wert von Geschöpfen mit nur zwei aktiven Elementen, nämlich Erde und Feuer, während die übrigen drei in latenter Form vorhanden sind, wie bei den Reptilien, Würmern und Insekten, die ohne die geringsten Gewissensbisse getötet und zertreten werden, da in ihrem Falle keine Strafe damit verbunden ist. Der geringste Wert wird den Wurzeln, Gemüsen und Früchten zuerkannt, in denen allein das Wasser–Element aktiv ist und vorherrscht, während sich die restlichen vier in einem latenten Zustand befinden. Somit bildet im Hinblick auf das Karma die vegetarische und früchtereiche Kost die Nahrung, die den geringsten Schmerz verursacht, und wenn sich der Mensch von ihr ernährt, häuft er die wenigsten karmischen Schulden an.

Wir wollen nun sehen, was das Essener Johannes-Evangelium in diesem Zusammenhang sagt: Aber sie (die Jünger) antworteten ihm: ”Wohin sollen wir gehen, Herr, denn mit euch sind die Worte des ewigen Lebens? Sagt uns, welches sind die Sünden, die wir meiden müssen, damit wir niemals Krankheit sehen mögen?” Jesus antwortete: ”Es geschehe nach eurem Glauben”, und er setzte sich in ihre Mitte und sprach: ”Denen der alten Zeit war gesagt, ‘Ehre deinen himmlischen Vater und deine irdische Mutter und erfülle ihre Gebete, damit du lange lebest auf Erden,‘ Und nach dem wurde dieses Gebot gegeben: ‘Du sollst nicht töten‘, denn das Leben ist allen von Gott gegeben und was Gott gegeben hat, soll der Mensch nicht wegnehmen. Denn ich sage euch, wahrlich, von einer Mutter stammt alles her, was auf der Erde lebt. Daher, der, welcher tötet, der tötet seinen Bruder. Und von ihm wird die irdische Mutter sich abwenden und ihre erquickenden Brüste von ihm wegnehmen. Und er wird von ihren Engeln gemieden werden; und Satan wird in seinem Körper Wohnung nehmen. Und das Fleisch der geschlachteten Tiere in seinem Körper wird zu seinem eigenen Grab. Denn ich sage euch, wahrlich, der, welcher tötet, der tötet sich selbst, und wer das Fleisch der geschlachteten Tiere isst, isst vom Körper des Todes ... Und ihr Tod wird zu seinem Tode ... Denn der Sünde Sold ist der Tod. Tötet nicht, noch esst das Fleisch eurer unschuldigen Beute, damit ihr nicht Sklaven des Satans werdet. Denn das ist der Pfad des Leidens und er führt zum Tod. Aber tut den Willen Gottes, damit Seine Engel euch dienen mögen auf dem Weg des Lebens. Befolgt daher die Worte Gottes:

Seht, ich habe euch gegeben jegliches Kraut, welches Samen trägt, das sich überall auf der Erde befindet, und jeden Baum, in welchem der fruchtbringende Same eines Baumes steckt. Dies soll zu eurer Speise sein; und auch für jedes Tier auf der Erde und für alle Vögel in der Luft und für alles, was da kriecht auf der Erde, worin der Atem des Lebens ist. Ich gebe jegliches grüne Kraut zur Speise. Auch die Milch von allem Getier, das sich bewegt und lebt auf der Erde, soll für eure Speise sein; ebenso wie ich das grüne Kraut ihnen gegeben habe, so gebe ich ihre Milch euch. Aber Fleisch und das Blut, welches es belebt, sollt ihr nicht essen.

Dann sagte ein anderer (Jünger): "Moses, der größte in Israel, erlaubte unseren Vorvätern, das Fleisch von reinen Tieren zu essen und verbot das Fleisch von unreinen Tieren. Warum verbietet ihr uns das Fleisch aller Tiere? Welches Gesetz kommt von Gott? Das von Moses oder das eure?" Und Jesus fuhr fort: ”Gott gebot euren Vorvätern: ‘Ihr sollt nicht töten‘. Aber ihre Herzen waren verhärtet und sie töteten. Dann wünschte Moses, dass sie zumindest keine Menschen töten sollten und er erlaubte ihnen, Tiere zu töten. Und dann wurde das Herz eurer Vorväter noch mehr verhärtet und sie töteten Menschen und Tiere gleicherweise. Aber ich sage euch: Tötet weder Menschen noch Tiere, noch was ihr sonst zur Nahrung nehmt. Denn wenn ihr lebendige Speise nehmt, dieselbe wird euch erquicken, aber wenn ihr getötete Speise nehmt, wird die tote Speise auch euch töten. Denn Leben kommt nur von Leben und vom Tod kommt nur der Tod. Denn alles, das eure Speise tötet, das tötet euren Körper auch. Und alles, was euren Körper tötet, das tötet auch eure Seele. Und euer Körper wird das, was eure Speise ist, genauso wie euer Geist wird, wie eure Gedanken sind ...