Die natürliche Aufnahmefähigkeit

von Bhadra Sena

Aufnahmefähigkeit findet man in allen Wesen der Schöpfung, ob Mensch, höher oder nieder entwickeltes Tier oder Pflanze. Sie ist eine Eigenschaft, die der einen oder anderen Form innewohnt und in variierendem Grade in den verschiedenen Gattungen. Die niederen Formen der Schöpfung handeln mehr oder weniger instinktiv. Gleichermaßen sind sie nicht frei von Reaktionen auf die Impulse der Natur und reagieren spontan auf Naturkräfte wie Hitze und Kälte, Licht und Dunkelheit, Regen und Dürre. Aber zum größten Teil führen sie ein blindes Leben, und zum Zweck ihrer eigenen Ernährung, ihres Wachstums und ihrer Entwicklung sind sie von ihren bevorzugteren Mitbürgern auf den höheren Stufen der Schöpfung abhängig.

Ein kleines Kind zeigt bereits Anzeichen der Empfänglichkeit. Sein Gemüt nimmt Eindrücke auf. Es zieht seine Lehren aus allem, was es umgibt und versucht, sich seiner Umgebung zu Hause, in der Schule und auf dem Spielplatz anzupassen. Wenn es älter wird, erweitert sich das Gebiet seiner Aufnahmefähigkeit, und es nimmt mehr und mehr an Verstand und Klugheit zu. Mit motorischen Kräften und Erkennungsvermögen ausgestattet, streift es nach Belieben umher und erzielt eine reiche Ernte an Informationen und versucht, aus dem Erlernten und der Betriebsamkeit der Welt, in der es lebt, Nutzen zu ziehen. Da sich alle seine Kenntnisse durch die Kanäle der Sinne vollziehen, bleibt er allzeit an diese gebunden und weiß kaum, ob irgendetwas jenseits der Sinnenwelt seines eigenen Handelns besteht.

Trotz seiner Unvollkommenheit ist der Mensch ein seltenes Phänomen in der Natur zufolge des Göttlichen in ihm. Daher nimmt er einen Platz von höchstem Rang auf der Leiter des Lebens ein. Gott hat den Menschen nach Seinem eigenen Bilde erschaffen und Sein Atem fließt in Ihm. Er lebt so lange, wie die Gotteskraft in ihm wohnt und Körper und Seele zusammenhält. Es ist die Kraft, welche in harmonischem Einklang die zwei höchst ungleichen Dinge zusammenhält, einen lebendigen Geist und eine aus Lehm geschaffene Form, die in ihrer Beschaffenheit nichts Gemeinsames haben. Doch welch ein Wunder, dass die beiden (Gotteskraft und Menschenkraft), welche die ganze Zeit zusammenwohnen, die eine, als eine Bewohnerin der irdischen Ebene, keine Gelegenheit hatte, mit der anderen im gleichen Geiste zu wirken. Der Grund hierfür ist nicht schwer zu finden. Während wir uns im Licht und Leben des Höchsten Wesens, welches über und in uns wirkt, befinden, sind wir uns nur unseres physischen Körpers und der materiellen Welt bewusst, von welcher wir die ganze Zeit, von der Kindheit bis zum Greisenalter, in Anspruch genommen sind, ohne uns nur einen Augenblick darüber klar zu werden, dass dieser Körper ein Wahrer Tempel Gottes ist, eine Stätte, in der Sein Geist und Seine Kraft machtvoll herrschen, und dass wir leben, weil dies Sein Wille ist.

So ist dieser menschliche Körper ein wunderbares Haus, ganz wunderbar und in der Tat heilig, und wir, als die mit ihm betreuten Hüter dieses fleischlichen Tabernakels, sollen Seine Heiligkeit unverletzt halten und bewusst den großen Gott verehren, der in ihm wohnt.

Sind wir denn unrettbar verloren? Besteht keine Hoffnung für uns, die verlorene Heimat wiederzugewinnen? Das Reich Gottes steigt nicht aus den Wolken herab, noch kommt es durch äußerliche Gebärden. Wir leben bereits in ihm, aber wir wissen es nicht und sind uns dessen auch nicht bewusst. Wir müssen uns selbst den höheren, gesünderen und heiligeren Einflüssen des Wortes öffnen, und dasselbe wird, trotz allem, wie eine Taube vom Himmel zu uns herabsteigen und ewig und immerdar bei uns bleiben. Das ist die Innere Aufnahmefähigkeit, die uns angeboren ist.