Meditation und Selbsterneuerung

von Boyce

Die augenblickliche Welle allgemeinen Interesses des Westens an der Meditation mag bis zu einem bestimmten Grad eine Angelegenheit eitler Neugier sein. Der eine wünscht, sie als Mittel zu benutzen, der Verwirrung und dem Druck des Alltags zu entgehen; ein anderer hofft, seine innere Leere und Langeweile auszufüllen; wieder andere haben das Verlangen nach etwas Neuem, Seltsamen, Erregenden, einen sicheren oder billigen Ersatz für Drogen oder Alkohol.

Ihre Seele mag in der Tat ernsthaft nach einer echten Inneren Speise und Labsal suchen. Wenn aber das oberflächliche Gemüt, das tatsächlich mit Nichtigkeiten genährt wurde, die aufgestapelt und bis zur Unendlichkeit vermehrt worden sind, um dadurch eine noch größere Menge an Plattheiten hervorzubringen, das Leben beherrscht, so ist selbst die Annäherung an ernsthafte Themen oberflächlich, akademisch, leer, wenn nicht eine einschneidend persönliche Erfahrung (sei es ein aufrüttelndes tragisches Erlebnis) zu einer vertieften Einsicht zwingt. Müßiggänger, die lediglich den Wunsch haben, die Meditation als allgemeines Hobby aufzunehmen, werden nicht viel Vorteil aus ihr ziehen, angesichts ihrer oberflächlichen Einstellung zum Leben. Solange einer nicht bereit ist, in das Innerste Leben hineinzuschauen, hat es für ihn keine Wahre Bedeutung, es sei denn in Form eines intellektuellen Zeitvertreibs, um ihn zu unterhalten oder ihm zu nutzen, falls er im allgemeinen zufrieden ist, oder um Luftschlösser zu bauen und einen Ersatz zu finden, wenn er unbefriedigt ist. Glücklicherweise haben selbst die oberflächlichen Augenblicke der Klarheit, mit denen sie dann ihre Aufmerksamkeit auf Feststellungen fundamentaler Tatsachen richten können.

Der echte Ruf der Seele wahrer Aspiranten erlaubt keine Energievergeudung durch unnötiges Befassen mit Eitlen und Selbstzufriedenen, wenn sie darauf bestehen, diesen Weg weiterzuverfolgen. Wenn nicht die Meisterkraft sie innerlich bewegt, oder solange Schicksalsschläge sie nicht zur Einkehr zwingen, können unsere Worte sie wahrlich nicht erreichen.

Unser Wert bei der Beantwortung von Fragen in Angelegenheit der Meditation ist durch zwei Faktoren begrenzt, nämlich durch unser eigenes Vorstellen der Dinge und durch die Ernsthaftigkeit (oder Mangel derselben) seitens des Fragenden. Die Versuchung andere führen zu wollen, ist groß, vor allem, wenn sie uns um Hilfe oder Information bitten, denn wir können uns dann leicht selbst davon überzeugen, dass wir ihnen dadurch behilflich sind. Aber Beistand für die Seele ist wesentlich anders als die Behandlung eines körperlichen Leidens oder die Veränderung eines Vorgangs äußerer Umstände. Die Seele selbst ist nicht wirklich krank, sie gleicht mehr einem Gefangenen, welcher von Schergen abhängig ist, die bewusst brutal sein können oder völlig gleichgültig gegenüber dem Wohlbefinden des Gefangenen. Das Gemüt und die Sinne in ihrer starren Form, ihren Wünschen, ihrem Hang nach Sensation, Gewinn und Macht, jener völlig nach außen gerichtete Ausdruck des Gemüts (mit seinen Wünschen und Begierden) – jenes Gemüt, wenn es sich in der Position des Herrschens befindet, ist der schlechteste Herrscher der Welt. Die Seele benötigt einen Meister ihrer eigenen Wesensart, der ein Abglanz des Schöpfers ist, ein Wahrer Ausdruck allen Lichtes, die Meisterkraft, ein Wahres Meer von Harmonie und Liebe.

Es ist die Freiheit, die nötiger ist, als eine Änderung an der Natur der Seele, die durch das Gemüt bewirkt ist. Das Gemüt ist dem Wesen nach ungeeignet, die Seele zu verbessern. Es wäre denkbar als ein wertvoller Ausdruck der Seele (und zugleich Gottes), wenn es gewissenhaft und beständig im Dienst der Seele stände und sich ihr unterordnen würde. Im anderen Fall kann es nur Unheil stiften.

Die letzten, mit den so wohlkonstruierten Waffen, (ersonnen und hergestellt durch die Gescheiten, Listigen und Schlauen), geführten Kriege unter der Kontrolle und Anleitung von jenen, die auf eine geistige Vorherrschaft Anspruch erheben, diese Kriege dienen dem Ehrgeiz, dem Verlangen nach prahlendem Komfort, der Selbstzufriedenheit, ideologischer Zuversichtlichkeit, Neigung zu standesbedingten Klassen, parteilicher und nationaler Vorherrschaft. Dieser Brauch des Gemüts gibt einen klaren Überblick über sein Wesen, solange es nicht der universalen Weisheit Gottes untergeordnet ist. Dieses Gemüt, getrennt von Gott, außerhalb des Zusammenhangs mit Gott, das sich aber Gottes bedient, dieses Gemüt kann sich keinesfalls ‚verbessern‘. Wenn es als unabhängige Kraft wirkt, ohne Rücksicht auf die Nöte der Seele und deshalb oft im Kampf mit den Bedürfnissen der Seele ist, stellt diese Beziehung von Gemüt und Seele eine Art Krebsschaden an der Wesenheit dar, ein Zustand, welcher keinesfalls gut sein kann, solange er unkontrolliert bleibt. Die Meinung, dass das Gemüt die Lage verbessern könnte, kommt der Vorstellung gleich, dass sich ein Krebsschaden selbst heilen könnte, indem er weiterhin bestehen bleibt. In gewissem Sinne ist weder das Gemüt noch die Seele auf falscher Fährte. Es ist sozusagen die Verbindung der Nichtverwandtschaft, welche das Unheil verursacht. Das Gemüt kann durchaus nützlich sein innerhalb eines eigenen Bereiches, als ein Diener der Seele. Das denkende Gemüt ist im wesentlichen symbolisch, repräsentativ, abhängig, begrenzt und daher sind seine Ergebnisse von angeborener Oberflächlichkeit. Es kann in der Welt des Letztgültigen nicht nutzbringend wirken.

Die praktische Nützlichkeit des Gemüts liegt offenbar in der Lösung der täglichen Aufgaben, oder wenn es zu sozialen Erkenntnissen beiträgt oder zu wirtschaftlichem Erfolg. Da besteht keine Gefahr, dass es unterbewertet wird. Aber es gibt eine große Gefahr, dass jene, die nach Bindung streben, zufrieden sind, wenn sie über alle Techniken der Meditation gelesen, alle Vorlesungen dieses Gegenstands betreffend, besucht haben und dann selbst Vorträge halten und Essays schreiben über das, was sie gelesen und gehört haben, während all dies Angelernte weiter ausgebaut wird, ohne selbst einmal einen ernsthaften Versuch und ohne irgendeine wirkliche Innere Praxis ausgeübt zu haben. Dieser Unterricht mag für sie in wirtschaftlicher Hinsicht wertvoll sein, aber sonst ist er bedeutungslos.

Wir sagen vielleicht, dass es unmöglich ist, ohne ethische Lebensführung zu meditieren, oder dass es möglich ist, ein ethisches Dasein zu führen, ohne Meditation. Aber es ist zweifelhaft, ob jede dieser Möglichkeiten in der Praxis existieren kann. Was leicht in gedankliche und sprachliche Ausdrucksweise trennbar ist, ist oft nicht trennbar in der Welt der Wirklichkeit. Einige Temperamente tendieren in der Richtung der ‚Kontemplation ohne entsprechende äußere Handlungsweise‘ und andere tendieren zu äußerer Handlung, ohne die Konsequenzen zu berechnen oder äußere Handlungen ohne die unvermeidlichen Folgen zu bedenken. Diese voneinander abweichenden Tendenzen bestehen, aber sie sind im Gleichgewicht im vollsten Ausdruck des menschlichen Lebens. Diese Bestätigungen schlechthin zusammengefasst und als ‚meditativ‘ eingereiht in der üblichen Ausdrucksweise des Westens, umfassen Systeme von Bekräftigungen, Selbsthypnose, Vorstellungen, Kontemplation (zuweilen in der Art, über die Dinge nachzudenken), Gebet (besonders in Form einer Wiederholung) irgendwelche körperliche Übungen des Hatha Yoga etc. oder einfaches ruhiges Stillsitzen (wie bei den früheren Quäkern) – fast alle diese Methoden (mit Ausnahme der letzten) betonen den persönlichen Willen und Intellekt, indem beide als Werkzeug zum Fortschritt benutzt werden, je nachdem, was die persönliche Vorstellung als gut bezeichnet, oder was die Klasse, die Partei, die Umwelt, Religion oder die soziale Gruppe als gut erachtet.

Der Nachdruck liegt bei der Anwendung der Meditation durch den Wunsch für persönliche Zwecke oder für andere (aber solche andere, wie wir sie wünschen, im Ausmaß unseres Wunsches und in der Form unseres Wunsches). In solchen Fällen sind der persönliche Wille und die Ichheit vorherrschend.

Es ist durchaus möglich (aber mir nicht direkt bekannt), dass diese verschiedenen selbstorientierten Einstellungen auch im Osten existieren. Dies ist in der Tat nicht eine geographische Angelegenheit, sondern die eines Vorherrschens des Eigenwillens und der Festigkeit einer bestimmten Gedankenform, außer unserer Veranlagung für eine bestimmte Handlungsweise und Denkungsart, die wir uns ohne Prüfung zu eigen machen.

Wenn wir eine andere Meditationstechnik den bereits existierenden hinzufügen, falls sie auf diese Weise mit einer solchen Haltung und Anwendung zu brauchen ist, mag dies den Leuten allgemein wenig helfen, selbst wenn einige von ihnen es vorteilhaft finden mögen.

Den Initiierten von Kirpal Singh sind genaue Anweisungen gegeben über die Inneren Praktiken. Sie sollen sich der täglichen Meditation widmen. Aber selbst Initiierte, die eine Verpflichtung haben, solche Praktiken durchzuführen, nähern sich ihnen oft durch den Schleier ihrer vergangenen Erfahrungen und befinden sich bisweilen unter dem Einfluss fehlerhafter Theorien und allgemeiner Missverständnisse, die den Gegenstand umgeben.

Einige haben ein natürliches liebevolles Temperament und einen intensiven Wunsch, dem Meister oder Gott zu gefallen; sie mögen fähig sein vorwärtszudrängen ohne bewußte Analyse der mentalen Hindernisse, indem sie sich über das mentale Geschwätz in einen Zustand der Verehrung erheben. In diesem Zustand gelten für solche Temperamente weder die mentalen Hindernisse noch die mentalen Erklärungen.

Aber die meisten anderen finden die mentalen und emotionalen Aspekte der Natur weniger glücklich ausgeglichen vor.

Unsere weniger ausgeglichenen Naturen können die Meditation kaum ohne vorgefasste Meinung beginnen, ohne die falschen Denkgewohnheiten der Erwachsenen und ohne einige falsche oder ungeprüfte Vorurteile. Eine solche Einstellung kann das größte Hindernis für eine gewissenhafte Ausübung sein. Der Schaden fehlerhafter Voraussetzungen ist zwar indirekt, aber eine grundlegende Tatsache; und zwar, weil der Effekt der ist, die volle Aufmerksamkeit zu blockieren oder zu unterbrechen (und deshalb zu zerstören). Dies speziell ist weitgehend der Fall beim Surat Shabd Yoga, da dieser wesentlich der Yoga der Aufmerksamkeit ist.

Aber bei unserem eigenen Bemühen um Genauigkeit in der Meditation dürfen wir nicht die Tatsache übersehen, dass Initiierte von Kirpal Singh Instruktionen erhalten haben, genau darüber zu wachen, was sie tun, sagen und denken und Aufzeichnungen über diese Dinge zu machen, um Ihm Bericht zu erstatten und falsche Gewohnheiten auszurotten, wo immer es möglich ist und die Aufmerksamkeit auf die Meisterkraft zu richten, um zu vermeiden, in unrechte Handlungen hineingezogen zu werden.

Es wäre gut, es immer fest im Gedächtnis zu behalten, dass der Pfad der Meister, wie er beispielsweise durch das Leben von Kirpal, Sawan, Jaimal, Soami Ji gezeigt wurde, mehr ist als eine Theorie, mehr als ein System von Dogmen oder eine Sammlung weiser Aussprüche ist und auch mehr als ein Mittel, erfreuliche Bilder zu sehen und angenehme Klänge zu hören. Der Pfad der Heiligen mag aus allen diesen Dingen bestehen, ist aber mehr als diese.

Sucher nach intellektuellen Gewissheiten und akademischen Unterscheidungen sind vielleicht erzürnt über die Sucher nach Sinnesreizen, aber beide sind weit entfernt von einer tiefen Inneren Polarisation, welche die Heiligen so standhaft bleiben ließ, dass Sie nicht nur über Gott nachdachten und Freude und Glück aus Gott schöpften, sondern auch Eins mit Ihm wurden. Und diese Einheit war nicht nur rein ein Vorgeben, eine Vision von Gott gehabt zu haben, die Ihnen verkündete, dass sie Eins mit Ihm seien, sondern Ihre Einheit tritt objektiv in Ihrem äußeren und Inneren Lebensbewusstsein in Erscheinung, so dass Sie tatsächlich Liebe, Furchtlosigkeit, die Kraft, das Leben umzuwandeln etc. ausdrücken konnten und können.

Das Gebot der Heiligen Schrift ist klar:

Seid vollkommen wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.

Aber wer leistet dem Folge? Nur ein paar Heilige unter Millionen von Schwätzern.

Wir müssen zuerst zu unserem eigenen Vorteil zu einer genauen und lang andauernden Meditation und einem tieferen Selbstverständnis gelangen, denn das ist unsere Pflicht, uns selbst zu verbessern (soweit die persönliche Anstrengung dazu imstande ist), denn nur so kann Hoffnung auf wahren Erfolg bestehen, anderen zu helfen. Es ist nicht so, dass wir andere vernachlässigen sollten, bis wir vollkommen geworden sind, aber der Nachdruck muss auf der Selbstbesserung liegen als der einzigen, die sich direkt auf unsere eigenen unmittelbaren Bemühungen bezieht.