Die Bedeutung des ethischen Lebens

von Ingo G. Müller

Um für die Spirituellen Einflüsse empfänglicher zu werden, müssen wir die ethischen Lebensregeln beachten, die uns in unserem Bemühen, die Gedankenebene zu überschreiten, helfen.

Wenn wir darauf achten, dass wir in Taten, Worten und auch besonders in unseren Gedanken Ahimsa einhalten, dann müssen wir vermeiden, auf Vorwürfe, Beschuldigungen oder Handlungen anderer, die wir anscheinend ungerechterweise erdulden müssen, gekränkt oder gar aggressiv zu reagieren. Unsere bewussten Bemühungen, keinen zu verletzen, machen uns unseren Mitmenschen gegenüber großmütiger. Dann wird es für uns leichter, Gemüt und Verstand in rechtem Abstand zu Personen, Dingen und Verhältnissen zu halten. Dies wird uns fähig machen, unsere Sinne von den vielen Dingen während unserer Meditationen zurückzuziehen. Darum sind Provokationen, Beleidigungen, tätliche Angriffe, Eigentumsverlust verursacht durch andere, usw. keine stichhaltigen Entschuldigungen für das Übertreten des Gebotes von Ahimsa. Nur freundliche, höfliche und ruhige Worte dürfen gesprochen werden. Wenn wir nur wohlwollende Gedanken und Empfindungen in unserem Bewusstsein Raum geben, können wir nicht bewusst verletzende Worte sprechen oder einen anderen schädigen. Denn wohlwollenden Gedanken können nur wohlwollende Worte und Taten folgen. Wenn wir uns nicht an solch kleine Mysterien halten können, wie können wir je hoffen würdig zu sein, in höhere eingeweiht zu werden? Wenn uns unrechte Worte oder Taten anderer treffen, so können wir uns vor Augen halten:

Was der Mensch sät, das wird er ernten.

Paulus

Du kannst nicht ernten, was du nicht gesät hast, und wie du einen Baum pflanzest, so wird er wachsen. Welche Tat ein Mensch auch immer begeht, wie auch immer seine Geisteshaltung, er muss die Vergeltung  in einem entsprechenden Leibe empfangen.

Manbu

Unser Meister will sehen und auch uns wissen lassen, ob unsere Selbstverehrung schon gestorben ist oder nicht und wie tief die Demut und die Liebe in uns bereits Wurzel gefasst hat. Solche anscheinend ‚unschönen’ Ereignisse sind also lediglich Rückwirkungen oder Prüfungen. Sie tragen zu unserer Widerstandskraft und zu unserem Durchhaltevermögen bei. Am Ende machen sie uns reifer. Welches Karma Er uns auch immer zukommen lässt, es ist nur zu unserem Besten.

Wahrhaftigkeit ist eine weitere ethische Lebensregel. Der Meister sagt, dass wir immer innehalten und darüber nachdenken sollten, ob das, was wir denken und sprechen, wahr ist und der Wirklichkeit entspricht. Unsere Handlungen sollten wahr und natürlich sein. Wir sollten unsere Haltung unserer Umwelt gegenüber bei all ihrer Vergänglichkeit prüfen und sollten uns von Neuem unserem Ziel das Erreichen der Strahlenden Form des Satgurus und der Spirituellen Vollkommenheit anpassen.

Ebenso wachsam sollten wir in unserer Lebensführung in Bezug auf die Keuschheit sein. Auf diesem Gebiet rät der Meister große Mäßigkeit an. Durch diese Einschränkung können die Säfte des Körpers sublimiert und in Konzentrationskraft umgewandelt werden, die wiederum hilfreich in unseren Meditationen ist. Wir sollten uns nicht durch schöne körperliche Formen und Gestalten blenden und zu unreinem Begehren verführen lassen. Wir sind im Körper inkarniert, um das Sterben vor dem Tode zu lernen. Durch Gedanken und Worte der Reinheit erwecken und festigen wir in unseren Mitmenschen dieselbe Lebenseinstellung. Ebenso erreichen wir durch diese Reinheit in Gedanken, dass sich Menschen mit unreinen Wünschen und Absichten von uns distanzieren. Sie fühlen sich in unserer Gegenwart nicht wohl, da sie ihre Wünsche nicht verwirklichen können. Diese automatische Wirkung macht es uns leicht, den rechten Umgang zu wählen.

Der Meister sagt:

Liebe ist der Hauptschlüssel, der das Königreich des Lichts erschließt.

Dieser Satz lässt die Bedeutung der selbstlosen Liebe erkennen. Je mehr wir uns bemühen, reine selbstlose Liebe, welche nicht Schwärmerei (Fanatismus) oder Sentimentalität in unseren Gedanken, Worten und Taten zum Ausdruck bringt, desto mehr fällt von uns die menschliche Kleinlichkeit ab. Unser Wesen wird von diesen feinen Gedankenschwingungen durchwoben. Unser, von feiner Liebe durchstrahltes Wesen ruft in Menschen, mit denen wir in Kontakt kommen, dieselbe Gedankenart hervor. Denn Gedanken sind Dinge, sind Körper; sie sind ebenso wirklich wie Licht und Wärme. Unsere Gedankenausstrahlung können wir im übertragenen Sinn mit dem Duft, der einer Blume entströmt, oder mit der Aussendung von Lichtwellen eines leuchtenden Körpers vergleichen. Die Form unserer Gedanken gleicht einem feinen Rauch, dessen Dichtigkeit und Farbe verschieden ist. Jeder Gedanke hat eine entsprechende Schwingung, die sich unbegrenzt ausdehnt und in anderen, gleichgestimmten Menschen, gleiche Schwingungen erzeugt. Je lebendiger und intensiver wir mit einer positiven Einstellung denken, desto feiner, aber auch umso kraftvoller sind die Schwingungen, die wir dadurch hervorrufen. Solche kraftvollen Gedanken können bis in das Bewusstsein eines Menschen, dem wir positive Gedanken senden, eindringen und eine positive Reaktion auslösen. Gedanken sind enorme Kräfte, die uns ein hilfreiches Mittel oder auch eine Schranke für unseren Fortschritt auf dem Spirituellen Pfad sein können. Die Schwingungen pessimistischer Gedanken sind dagegen bedeutend niedriger. Sie haben die Eigenschaft, negative Zustände festzuhalten, während positive Gedanken aus negativen Zuständen und Verhältnissen herausführen können.

Somit ist es wichtig, dass wir nur heilbringende Gedanken pflegen, denn nur mit dieser Gedankenart können wir unseren Teil dazu beitragen, aus unserer jetzigen karmischen Situation, die wir uns durch unreifes Denken geschaffen haben, herauszukommen. Gedanken sind uns geschaffene feinstoffliche Formen, die, wenn man sie aufrecht erhält, den in sie gesetzten Auftrag verwirklichen können. Der Selbsterhaltungstrieb fordert von uns immer wieder neue, gleich gerichtete Gedanken; er zeigt sich in unserem Bewusstsein als Zwang der Gewohnheit. Dieser Zwang ist durch unsere Willenskraft und Ausdauer zu überwinden, denn diese Gedankengebilde müssen dann sterben, d.h.sich auflösen, wenn sie von uns durch unsere Selbstdisziplin keine neue Kraftzufuhr erhalten. Geschieht dies nicht, üben wir uns also nicht in eiserner Selbstdisziplin. So ziehen diese Gedankengebilde gleichgeartete an, ballen sich zusammen und verschmelzen miteinander. Die daraus entstehenden Kraftpotentiale bewirken dann, dass entsprechende Verhältnisse und Situationen eintreten, deren Ursache wir dann meist nicht mehr erkennen, die aber nur in uns selbst zu suchen ist. So können wir aber auch an den Gedanken mächtige Helfer haben, die stets für uns am Werk sind. Es ist klar, dass wir nicht nur darauf achten sollten, dass wir den ethischen Regeln entsprechende Gedanken aussenden, sondern auch nur solche aus dem Gedankenmeer, in dem wir uns ständig befinden, aufnehmen.

Die Gedankenform eines aus tiefster Seele kommenden Wunsches, bildet ein unsichtbares magisches Band, das uns mit dem Herbeigewünschten in Verbindung bringt.

Der Meister sagt:

Wenn die Liebe stark genug ist, hat sie die Kraft, den Geliebten zu uns zu ziehen.

Die Stetigkeit und Intensität des Wunsches und die Reinheit des Motivs, das diesen Wunsch hervorgebracht hat, sind Vorbedingungen für den Spirituellen Erfolg. Die andere ist, dass unsere tägliche Lebensführung diesem Wunsch entspricht, da wir sonst durch egoistisch gefärbte Gedanken, Worte und Taten ihre Verwirklichung blockieren.

Somit bietet ein Leben selbstlosen Dienens eine Gelegenheit großen Segens für uns. Selbst wenn wir unzählige Fehler gemacht hätten, brauchen wir nicht ewig zu leiden, weil es für endliche Handlungen nicht unendliche Strafen geben kann. Denn Aktion und Reaktion müssen immer einander entsprechen. Lasst uns also erkennen, wie wichtig es ist, dass wir unser altes Karma im Geiste liebevoller Hingabe selbstlos für den Meister abdienen.

Auf diese Weise können wir uns für die Kraft und Liebe, die der Gottmensch in unendlicher Fülle ausstrahlt, empfänglich machen. Diese Liebe ist gleich dem Regen, der auf alles Land fällt, aber nur dort wirken kann, wo der Boden durch harte Arbeit aufnahmefähig gemacht worden ist. Es mögen Situationen auf uns zukommen, in denen es uns schwerfällt, selbstlos zu dienen. Aber in solchen Momenten ist es gut, wenn wir unseren Verstand der Weisheit des Satgurus unterordnen. Unser Verstand ist nicht in der Lage, alles zu begreifen. Er ist ein Werkzeug, gebunden an das grob-materielle Organ (Gehirn). Er hilft uns, unsere irdischen Aufgaben zu erfüllen.

Das Beachten all dieser ethischen Vorschriften hat den Zweck, dass es uns bei unseren Meditationsübungen leichter fällt, unsere Aufmerksamkeit am Augenbrennpunkt zu halten. Wir müssen uns bemühen, dass wir die Gebote während unserer weltlichen Arbeit einhalten, denn nur so können wir uns während der kurzen Zeit unserer Spirituellen Arbeit, von unserem kleinen Ich mit seinen Forderungen und Einbildungen freimachen, und mit voller Aufmerksamkeit und einem reinen, heiligen Wunsch, das Sehen üben. Das Licht ist bereits da, aber unsere Aufmerksamkeit wandert noch herum aufgrund unserer mangelnden Selbstzucht. Der Geliebte sitzt in uns und wartet nur auf die Reinigung unseres Gemüts.

Aber auch wenn wir restlose, absolute Hinwendung unseres ganzen Wesens an Ihn erreicht haben, was bedeutet, dass wir uns Ihm ganz und gar zur Verfügung stellen, so bedarf es immer noch Seiner Gnade für die Offenbarung in Seiner Strahlenden Form. Diese Gnade kann nicht gefordert, nicht erzwungen werden, sondern kann nur in Demut in sich öffnendem Vertrauen erwartet werden.