Kirpal Singh

Die Wahre Wirklichkeit

I

Die Erwachten Seelen sehen die Welt in ihren wahren Farben. Sie sehen von der Farben des Geistes, der der Welt innewohnt. Aber wie ist es bei uns? Wir sehen das Oberste zuunterst. Weshalb? Wir sind noch nicht zur Wirklichkeit erwacht. Die Wirklichkeit in uns ist noch auf den Körper beschränkt und in Ihm gefangen. Wir sind nicht fähig gewesen, Seele und Körper zu unterscheiden. Demzufolge blicken wir nur von der physischen Ebene auf die Welt. Dies ist die große Kluft zwischen den beiden Arten, die Welt zu sehen. Wir haben die physische Form für etwas Wirkliches gehalten, und so scheint auch die physische Welt ringsumher wirklich zu sein. Die Schriften lassen uns jedoch wissen, dass dem nicht so ist. Mit Wirklichkeit meinen sie etwas Ewiges, Unwandelbares und Beständiges (Sat).

Die Weltklugen dagegen sagen:

Wenn es irgendein Paradies auf Erden gibt, dann ist es hier. O, es ist hier und nirgendwo sonst.

Im Allgemeinen erklären sie uns:

Süß sind die Freuden dieser Welt; wer weiß, was im Jenseits ist?

Babar, der erste Mogul-Kaiser von Indien, eröffnet seine Trinkgelage mit seinem Lieblingsausspruch:

O Babar, trinke den Becher des Lebens bis zur Neige! Wer weiß, wie lange wir noch sind.

Dies ist eine epikureische Lebensanschauung: Esst, trinkt und seid fröhlich, denn morgen können wir tot sein. Es ist also die eine Art, das Leben zu verstehen. Die andere ist den Weisen und Sehern eigen. Sie sprechen nicht von der Ebene des Intellekts. Sie halten keine philosophischen Vorträge, sind jedoch eher gute Beobachter. Sie sprechen von der Ebene des gesunden Menschenverstandes. Sie sehen die Welt in ständig wechselnden Farben dahintreiben und blicken auf unsere erbärmliche Lage; aus der Qual Ihres Herzens rufen Sie uns mit lauter Stimme zu, da haltzumachen, wo wir stehen.

Der Mensch hat, gleich einer Münze, zwei Seiten. Er ist eine verkörperte Seele. Die Seele ist sein Wahres Selbst, nicht der Körper, obwohl er diesen besitzt. Der Körper ist das kostbare Eigentum der menschlichen Seele, welche ihn bewohnt. Er ist der Tempel Gottes, der einen erhabenen Zweck zu erfüllen hat. Und was für ein Zweck ist das? Es gilt das Rätsel des Lebens zu lösen – des Lebensprinzips, das für die Erschaffung des Universums verantwortlich ist. Man kann diesen Lebensimpuls sicher erkennen, wenn man in sich danach forscht. Wie ist das möglich? Einer, Der dieses Rätsel Selbst gelöst hat, kann uns helfen, es gleichfalls zu tun.

Es ist eine Sache allgemeiner Beobachtung, dass das menschliche Leben nicht glatt verläuft. Wir sind das Spielzeug dessen, was wir Zufall nennen. Täglich erfahren wir verschiedene Wechselfälle des Lebens: wir drehen uns immer auf dem Rad des Lebens. Es gibt keine einzige Seele, die mit ihrem Los zufrieden wäre.

Kabir sagt uns:

Im Körper ist keiner glücklich; ich habe nicht einen gesehen, der wirklich glücklich war.

Da wir uns selbst mit dem Körper, der sich ständig verändert, identifiziert haben, können wir nicht wirklich glücklich sein.

Nanak sagt das gleiche:

O Nanak, die ganze Welt plagt sich ab in Sorge und Leid!

Das echte Glück erwächst aus dem rechten Verstehen der wahren Werte des Lebens. Jeder ist auf die eine oder andere Weise in Betrübnis. Einige leiden an physischen Krankheiten, andere unter Armut und Bedürftigkeit, Knappheit und Mangel, weitere infolge geistiger Besessenheit, Erinnerungen an früheren Schmerz und Angst vor der Zukunft.

Wenn der Große Lehrer gefragt wurde, ob irgendjemand glücklich sei, antwortete Er:

Ja, einer, der einzig und allein dem Dienst eines Heiligen hingegeben ist.

Wir müssen sodann wissen, was den Heiligen von anderen Menschen unterscheidet. Er ist Einer, Der das Rätsel des Lebens gelöst hat, denn Er sieht von der Ebene der Seele auf die Welt. Er ist mit der rechten Wahrnehmung begabt und darum immer glücklich; so auch jene, Die in Seiner Gemeinschaft bleiben.

Wir wissen eine Menge über unser physisches Selbst. Wir sind empfindende Wesen. Wir sind lebendige Tempel Gottes. Wir sind nichts anderes als kleine Götter. Wir sind mit gleichen Merkmalen ausgestattet wie Gott, wenn auch in geringerem Umfang. Wir sind Kinder Gottes. Aber leider werden wir von Gemüt und Sinnen beschränkt. Wir wissen nicht, dass das Selbst in uns den Körper belebt und wir im Lichte dieses Selbst leben, uns bewegen und wahrlich unser Sein haben. Die Körper-, Gemüts- und Verstandesfunktionen hängen alle vom Licht des Atman ab. Dies ist es, was wir verstehen müssen, und je eher das geschieht, desto besser ist es für uns. Andernfalls werden wir immer in Schwierigkeiten sein. Bedauerlicherweise haben wir die Ordnung der Dinge auf den Kopf gestellt. Die Sinnesfreuden haben von den Sinnen Besitz ergriffen, und diese nehmen das Gemüt gefangen. Das Gemüt wiederum hat den Verstand unter seiner Gewalt. Hinter all dem ist das Selbst, der Herr des Körpers, das unkontrolliert von Gemüt und Verstand durch die mächtigen Rosse der Sinne heftig herum gewirbelt wird. Wir müssen deshalb kehrt machen. Um dies zu vollbringen, bedürfen wir der Hilfe eines Gurumukh – eines wirklich ehrfurchtsvollen Schülers des Meisters. Jene, die die Notwendigkeit der Umkehr oder des Zurückgehens erkennen, beten immer:

O Herr! Gewähre uns die Gemeinschaft eines Gurumukh, die enge Verbindung mit einem Sadh (disziplinierte Seele), und färbe uns in der echten Farbe von Naam. O Geliebter, bringe mich zu solchen Seelen, zu solchen Seelen, in deren Gemeinschaft wir an nichts anderes denken als an Dich.

Dies ist somit der einzige Weg. Um der geneigten Führung willen müssen wir der Gotteskraft in uns nahe kommen, und diese Kraft wird alsdann den Verstand in die rechte Richtung lenken. Durch Sie erleuchtet, beherrscht dieser das sinnenverhaftete Gemüt. So wird die menschliche Maschinerie in Ordnung gebracht. Wir sind die lebendige Seele im Körper.

Kabir sagt uns:

O Kabir, die Seele ist von Gott

und auch:

Das Selbst gehört zum Haus Gottes.

Die Seele ist demnach von sehr hoher Geburt und stolzer Herkunft, doch zu ihrem Unglück ist sie in Liebe für das materielle Gemüt entbrannt – hat sich somit bis zur Unkenntlichkeit erniedrigt und dabei ihre wahre Abstammung völlig vergessen.

Wenn wir einem Erwachten Menschen begegnen, überlassen wir Ihm unseren Verstand. Unter Seiner Anleitung wird Er von Tag zu Tag schärfer und beginnt die Dinge richtig einzuschätzen. Dann hören wir kleine, leise Stimmen in uns – die Stimme des Gewissens, die uns bei jedem Schritt genaue Führung gibt. Wenn wir auf sie achten, geht alles gut. Setzen wir uns aber über diese erhabene Mauer hinweg, wird die Stimme immer schwächer, bis wir sie überhaupt nicht mehr hören. Das bedeutet, zur alten Lebensweise zurückzukehren, die uns unwiderstehlich in den Bereich der Sinnesfreuden treibt; und wir sehen uns von neuem Schwierigkeiten gegenüber.

Der wahre Ergebene eines Heiligen bringt sein Haus in Ordnung. Er zäumt nicht das Pferd am Schwanz auf. Dies ist also rechtes Verstehen. Alle Menschen der Welt sind in der Farbe der Welt gefärbt. Wenn die erwachten Seelen kommen, wenden Sie Sich nicht an andere, sondern an Sich selbst – an Ihren eigenen Körper und Ihr Gemüt. Der Körper ist unser erster Begleiter, wenn wir auf die Welt kommen. Mit ihm verbunden sind die körperlichen Sinne. Auch sie müssen angesprochen und ermahnt werden:

O mein Körper, was hast du seit deiner Ankunft in der Welt erworben?

Wir kommen in die Welt, um uns selbst zu erkennen und Gott zu erkennen. Wen wir das nicht erreichen, sind wir nicht besser als Schaf und Ziege, die stumpfen Sinnes dahinleben. Der Körper und was zu ihm gehört, wie Gemüt, Verstand und die Pranas, können uns in dieser Hinsicht nicht helfen. Nur der Atman, das empfindende Wesen in uns, kann die Kraft Gottes erfassen, Die im Körper wirkt und Körper und Seele zusammenhält.

Mein Meister Hazur Baba Sawan Singh pflegte diesen Punkt durch ein Gleichnis von einen Affen und einer Ziege sehr anschaulich darzustellen:

Eine Hausfrau hatte ihre Kuh gemolken und ging hinaus, um ihre häuslichen Arbeiten zu verrichten. In ihrer Abwesenheit brachte es der kluge Affe, obwohl er an einen langen Strick gebunden war, doch fertig, an den Eimer heranzukommen, die Milch zu trinken und dann das Maul der Ziege damit zu beschmieren. Als nun die Frau den leeren Eimer sah, hielt sie irrtümlich die Ziege für den Übeltäter und schlug sie. Der Affe saß still dabei und freute sich dieses Anblicks.

Das ist es, was sich bei uns im alltäglichen Leben zuträgt. Der Verstand wird durch das Gemüt und die Sinne in die falsche Richtung gelenkt und der Jiva-Atman hat unter den Folgen der vom Gemüt begangenen Handlungen zu leiden, da er in den Verstand eingeschlossen ist. Somit ist es die verkörperte Seele, welche die üblen Auswirkungen zu ertragen hat, die ihr durch die Gunstbezeigung des listigen Gemüts angelastet werden. Die Welt ist ein Spiel des Gemüts, und das Gemüt allein ist für unsere Taten verantwortlich.

Lasst uns einen Augenblick über die Art und Weise, in der wir auf die Welt kommen, nachdenken. Können wir sagen, wie dieser Körper ins Dasein kam? Alles, was geboren wird, entwickelt sich entsprechend Seiner Gattung. Was ist es, das den Samen im Körper Substanz, Form und Gestalt verleiht? Es gibt eine Kraft, Die das vermag. Wir müssen diese Kraft erkennen und mit Ihr in Verbindung kommen. Dies können wir nur in der menschlichen Gestalt. Darum ergeht Ihr Aufruf, der Aufruf der Erleuchteten, an Ihre eigenen körperlichen Sinne:

O meine Augen, Gott hat das Licht des Lebens hinter euch gelegt; nun ist es eure Pflicht, nichts anderes als dieses Gotteslicht zu sehen. O meine Ohren, Gott hat hinter euch der Himmlischen Harmonie (Satbani) Raum gegeben; darum ist es für euch unerlässlich, dass ihr Einzig die Stimme Gottes hört.

Die Alten sprechen von Sat Bani als der Musik der Sphären. Diese Musik erklingt ewig. Gottes Stimme hallt in allen Zeitaltern wider und kündet von den Wahren Einen. Obwohl die Sphärenmusik immer ertönt, sind wir uns ihrer nicht bewusst. Wie eine bewusste Verbindung mit ihr erhalten, ist die nächste Frage.

Die Schriften sagen uns:

Das Wort des Meister wohnt der gesamten Schöpfung inne, es geht von Gott aus, und Gott selbst offenbart Es (in der Gestalt des Gottmenschen), wo immer Er will.

Wiederum heißt es:

Wer auch immer mit Ihm Verbindung erhält, gelangt sicher hinüber und erwirbt das Ewige Leben.

Nach dem Aufruf, welchen die Erleuchteten Menschen an Sich Selbst richten, heißt es weiter:

O mein Gaumen, du hast endlos die Freuden der Zunge genossen und warst doch nie gesättigt.

Die köstlichste und erlesenste Sache der Welt ist die Götterspeise von Naam oder dem Heiligen Wort. Die Heiligen sagen uns, dass wir Gefallen daran finden sollten, dieses Elixier des Lebens zu nehmen, anstatt fortwährend den Sinnesfreuden nachzujagen. Wir sind überflutet mit Eindrücken aller Art, die wir vom Erdenleben aufgenommen haben, und führen deshalb nur ein oberflächliches Leben an der Außenseite unseres Seins, weit entfernt von seinem Innersten. Selbst im Traumland werden wir von weltlichen Dingen verfolgt. Warum ist das so? Einfach darum, weil wir nie Gelegenheit hatten, innen anzuklopfen; und wir haben nie gewusst, was wir sind und wer wir sind. Wir lieben die Welt aufgrund unserer Liebe für den Körper und die körperlichen Bedürfnisse. Wir haben nie erkannt, dass die Schönheit des Körpers der Seele in ihm zu verdanken ist, In dem Augenblick, wo die Lebensströme zurückgezogen werden, wird der Körper ein Häufchen Staub und verliert seinen ganzen Reiz.

Solange die Seele im Körper wohnt, bleibt er in gutem Zustand. In dem Moment, wo die Seele den Körper verlässt, wird weltlicher Besitz wertlos.

So sehen wir, dass die Welt und weltliche Reichtümer ihren Zauber nur dann behalten, wenn wir im Körper leben. Die Erleuchteten Seelen suchen uns auf so vielerlei Weise die ewigen Wahrheiten nahe zu bringen. Sie kommen weder, um irgendeine gesellschaftliche Ordnung oder religiöse Gemeinschaft zu gründen, noch um eine solche aufzulösen. Sie sind lediglich bemüht, uns das Leben in seiner rechten Perspektive zu zeigen. Sie heißen uns, in sozialer und religiöser Hinsicht zu bleiben, wo wir sind, doch nicht ständig auf der Sinnesebene zu verweilen. Die Sinne lenken in die falsche Richtung, und wir werden im Allgemeinen zu Sklaven der Sinne. Erleuchtete Seelen lassen uns die wirklichen Werte des Lebens wissen und wollen, dass wir den ganzen Vorteil aus der menschlichen Geburt ziehen, die einen Platz auf der obersten Sprosse der Leiter einnimmt. Trotz all unseres großartigen Fortschritts in Wissenschaft und Technik sind wir weit vom Glück entfernt.

Ein Moslem-Heiliger sagt in diesem Zusammenhang:

Es gibt nur ein Ziel und einen Zweck aller Bildung, und das ist, sich selbst zu erkennen. Du berechnest aller Dinge Wert und Preis, aber welch ein Jammer, du kennst nicht deine eigene Bedeutung, deinen eigenen Wert!

Wir sind sehr klug, wissen eine Menge über unser physisches Sein und wie wir uns gesund und munter halten. Im Bereich des Verstandes haben wir ebenfalls gewaltige Fortschritte gemacht. Wir sind eifrig dabei, die interplanetarischen Systeme zu erforschen. Doch das Wissen von der Wirklichkeit ist eine ganz andere Sache; wir waren nie bestrebt, sie eingehend zu untersuchen, noch kennen wir die Mittel dazu. Die Schriften können uns in dieser Angelegenheit nicht helfen. Aber ein Erwachter Mensch kann uns, selbst wenn Er nicht gelehrt ist, Einblick in sie verschaffen. Und wenn die Erwachte Seele Wissen besitzt, dient es Ihr als eine weitere Zierde, denn Sie kann uns die Wahrheit auf so vielerlei Art und Weise darlegen, wie es ein spiritueller Akademiker tun würde.

Bulleh Shah, ein Gottsucher, ging zu Shah Inayat, einem persischen Heiligen bäuerlichen Standes, und fragte Ihn, wie man Gott finden könne. Shah Inayat war gerade damit beschäftigt, Pflanzen umzusetzen.

Der Heilige antwortete:

Mein Freund, du brauchst lediglich die Richtung deiner Aufmerksamkeit von der einen Seite auf die andere zu verlegen –

von der Welt zu Gott.

Wenn wir wirklich Gott suchen, müssen wir es so halten. Gott ist die Substanz der Welt. Die Wissenschaft von der Seele und von Gott ist nicht so schwierig, wie wir denken oder wie sie unsere Priester gemacht haben. In jedem Bereich erfahrbaren Wissens müssen wir nach bestimmten Hypothesen arbeiten, doch bei der Gotterkenntnis haben wir mit der Selbstanalyse zu beginnen. Wir müssen den stofflichen Körper von der nichtstofflichen Seele unterscheiden, und dies geschieht, wenn man die Seelenströme am Augenbrennpunkt konzentriert. Es ist sowohl einfach als auch natürlich, uralt und ebenso der heutigen Zeit angepasst. In dieser wissenschaftlichen Epoche wird es wissenschaftlich dargelegt. Die Heiligen gehen mit der Zeit und müssen sich in der geläufigen Sprache verständlich machen. Wir leben bereits zugleich in den physischen, astralen und kausalen Welten. Aber bedauerlicherweise sind wir uns allein unserer physischen Existenz bewusst. Doch wir haben die Möglichkeit in uns, ebenso gut in die astralen und kausalen Welten und darüber hinaus zu gelangen, wenn wir es wollen.

Wir möchten in diesem Leben das Rätsel des Universums lösen, gehen aber den falschen Weg. Die Entwickelten Seelen kommen immer wieder, um unser wahnwitziges Trachten in der Welt in die umgekehrte Richtung zu lenken. Doch wir schenken ihnen kaum Beachtung, und noch viel weniger suchen wir Sie zu verstehen.

Der gesegnete Lord Krishna sagte zu seinem Kriegerschüler und Freund Arjuna, nachdem er ihn belehrt hatte:

Hast du gehört, was ich gesagt habe? Ist meine Rede tief in dein Herz gedrungen? Wie weit bist du der Täuschung der Welt entronnen? Sieh selbst, wo du nun stehst.

Im gegenwärtigen Zeitalter (Kali Yuga) gibt es keinen Mangel an Weisen und Sehern.

Wir haben den Psalm von Guru Nanak vor uns:

In diesem Gaukelspiel der Welt ist allein der glücklich, der das Elixier von Naam trinkt; und die Übrigen, die sich in den Fesseln der Wünsche befinden, begehen üble Taten und tragen eine schwere Last mit sich.

Diese Welt, sagt Guru Nanak, ist ein Kunststück des großen Zauberers. Alles ist eine magische Schau ohne jede Wirklichkeit. Wir leben in einer großen Täuschung, wo die Dinge nicht das sind, was sie zu sein scheinen. Dieses Blendwerk beginnt bei unserem Körper. Wir betrachten ihn als ein und alles der menschlichen Existenz. Wir denken nie für einen Augenblick daran, dass es eine Antriebskraft hinter uns gibt. Wenn Sich diese Kraft einmal vom Körper zurückzieht, hört das ganze Spiel auf. Wir alle fallen auf dieses hohle Schauspiel herein.

Kabir sagt uns:

Wenn ein Gaukler seine Kunststücke zeigt, kommen die Leute, die Darbietung anzusehen.

Wir laufen alle samt und sonders hinter diesem Spiel der Welt her. Wir treiben mit dem Strom der Zeit, einige lachend, andere weinend. Wenn ein Kind geboren wird, sind die Menschen glücklich und feiern fröhlich seine Ankunft; sie wissen nicht, dass eine Seele gefangen und in Ketten gelegt wurde.

Wiederum sagt Kabir:

Eine an den Körper gebundene Seele kann niemals glücklich sein.

Wenn man lernt, das Körperbewusstsein zu übersteigen, beginnt man zu erkennen, was Befreiung ist. Hier könnte die Frage aufkommen, warum Gott zum Possentreiber wurde? Doch diese Frage sollte man besser an Einen richten, Der den Streich gespielt hat. Er wollte es, und so kam es. Er wollte, dass aus dem Einen vieles würde.

Nanak erklärt:

Aus dem Einen flossen Myriaden Ströme und brachten die ganze Schöpfung in ihren vielen Formen und Farben hervor.

Wir fragen, warum sich die Schöpfung auf der Sinnesebene befindet. Nur wenn wir fähig werden, uns mit dem Willen des Schöpfers eng zu verbinden, können wir wissen, warum Er es so wollte. Es mag auch hinzugefügt werden, dass alle derartigen Fragen ein Ende haben, wenn diese Stufe erreicht ist. Auf der Verstandesebene können wir nicht sagen, ob die Saat oder der Baum zuerst da war. Der Verstand reicht nicht aus, die Frage zu beantworten. Wenn man das Geheimnis hinter der Schöpfung unbedingt erkennen will, muss man sich über Körper, Gemüt und Verstand erheben.

Der Große Lehrer sucht uns die Wahrheit klarzumachen. Was wir für ewig und beständig halten – Körper, Gemüt und Verstand –, ist es in Wirklichkeit nicht.

Einmal kam jemand zu einem Heiligen und sagte: O Heiliger Mann, ein Mensch tut eben seine letzten Atemzüge. Der Heilige fragte: Wie alt ist er? Der Mann antwortete: 72 Jahre. Darauf der Heilige: Was sagtest du, mein Freund? Der Leidende trennt sich schon all die Jahre von seinen Atemzügen. Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn er zuletzt nun das aufgibt, was noch geblieben war.

Denkt nur daran, wie es ist, wenn ein Kind heranwächst; seine Eltern freuen sich, wenn es wieder ein Jahr älter wird. Sie erkennen nicht die Tatsache, dass das Kind, anstatt seiner Lebenszeit etwas hinzuzufügen, Jahr für Jahr verliert. Wir befinden uns alle in einem Zustand andauernder Täuschung.

Eindrucksvoll beschreibt Kabir unsere falschen Vorstellungen von der Welt und den weltlichen Dingen:

Der stille Punkt in dem sich rasch drehenden Rad scheint trotz der großen Geschwindigkeit unbewegt zu sein; und wenn das Wasser in der Milch durch das Kochen völlig verdampft ist, sagt man von dem Rückstand, es sei Khoya (wörtlich “verloren”), obwohl es in Wirklichkeit die eigentliche Substanz ist – der Milchkuchen; eine Orange, die eine so schöne Farbe hat, wird Na-rangi (wörtlich “farblos”) genannt. Als Kabir solche irreführenden Dinge bemerkte, konnte Er nicht anders, als Tränen des Mitleids vergießen.

Wie vorher gesagt, beginnt die Täuschung mit unserer falschen Vorstellung vom menschlichen Körper, den wir für beständig halten, obgleich er es nicht ist. Wie können wir die rechte Auffassung davon bekommen? Nur wenn wir durch einen praktischen Prozess der Selbstanalyse eine tatsächliche Erfahrung außerhalb des Körpers erlangen. Erst dann wissen wir, dass der Körper nichts Beständiges ist und er eines Tages verlassen werden muss, ob wir es wollen oder nicht. Solange uns diese Erfahrung nicht praktisch vor Augen geführt wird, können wir die veränderliche Natur des Körpers nicht erkennen. Haben wir nicht diese Körper auf unseren Schultern zum Krematorium oder zur Begräbnisstätte getragen? Aber trotz alledem denken wir nie auch nur einen Augenblick daran, dass wir ebenfalls eines Tages des Körper verlassen müssen. Ist das nicht eine große Täuschung?

Nanak sagt daher:

O Nanak, ohne das Selbst vom Körper zu lösen, können wir aus dem Nebelschleier der Täuschung nicht herauskommen.

Wir haben nicht die geringste Kontrolle über unser Gemüt und unsere Sinne. Wir sind nur deren Sklaven und tanzen nach ihrer Weise. Zweifellos können die Augen nicht anders als sehen und die Ohren nicht anders als hören. Aber dieses Sehen und Hören ist nur oberflächlicher Natur. Wir haben darüber keine Kontrolle. Wir müssen wissen, wie zu erkennen, zu verstehen und wann nach unserem Belieben zu handeln. Aber leider sind wir noch nicht Herr des Hauses geworden, in dem wir leben. Unsere bewusste Aufmerksamkeit geht einfach hinaus und fließt in die Welt. Wir treiben ruderlos und steuerlos auf dem Meer des Lebens dahin. Wir haben keinerlei Wurzeln in uns entwickelt. Es ist deshalb von größerer Bedeutung, unsere Aufmerksamkeit in die rechte Richtung zu leiten und zu lenken. Wir müssen wissen, wo die Wurzeln des Lebens in uns liegen, oder mit anderen Worten, wo sich der Sitz der Seele befindet. Der Mensch ist wie ein umgedrehter Baum, der seine Wurzeln oben am Augenbrennpunkt hat und die Zweige (Glieder) nach unten ausgedehnt. So müssen wir unsere Aufmerksamkeit von unten nach oben lenken. Alle Handlungen auf der Sinnesebene, seien sie gut oder schlecht, halten uns unten in Knechtschaft. Aber wenn wir lernen, im Licht und Leben Gottes zu bleiben, wird die Wirklichkeit und die wahre Natur der Dinge in uns aufdämmern.

Es ist dieses Sein im Licht des Lebens, auf das es am meisten ankommt. Es gibt uns rechtes Verstehen und leitet uns auf genaue Weise. Es bringt uns vom Wahn zur Wirklichkeit, aus dem Dunkel zum Licht und vom Tod zur Unsterblichkeit.

Während wir im Körper sind und ein Leben des Körpers führen, können wir nicht verstehen, worum es geht. Wir kommen lediglich in die Welt, um unsere alten Rechnungen des Gebens und Nehmens zu begleichen. Alle unsere Beziehungen – Vater und Sohn, Mann und Frau, Mutter und Tochter, Bruder und Schwester und umgekehrt – sind das Ergebnis karmischer Rückwirkungen aus der Vergangenheit. Es heißt, dass die Feder des Schicksals entsprechend unseren Taten schreibt. Was wir säen, das müssen wir ernten. Wir kommen mit dem Los, das uns auf der Stirn geschrieben steht; selbst der Körper ist die Folge unseres Karmas (Handlungen), und man sagt zu Recht, man sei Karamsharir. Es ist das Schicksal, welches unsere Gestalt prägt. Ohne Körper kann es keine Taten geben, und ohne Taten gibt es keinen Körper. Darum ziemt es sich für uns, freudig unsere Tage zu verbringen und ohne Murren zu geben, was wir geben sollen und müssen, denn davon gibt es kein Entrinnen. Wir haben natürlich darauf zu achten, dass wir keine neuen Verbindungen schaffen und keine frischen Saaten säen. Das ist der einzige Weg, um aus den abgründigen Tiefen des karmischen Meeres herauszugelangen.

Diese Welt ist ein Theater. Sie ist eine Bühne, auf die wir kommen, unsere Rolle zu spielen, und die wir dann wieder verlassen. Warum wurde dieser Schauplatz errichtet? Keiner kann es sagen. Wir können jedoch zum Direktor des Theaters gehen, um den Zweck und die Absicht für seine Einrichtung zu erfragen. Es gibt eine Kraft, die dieses ganze Spiel aufrechterhält, und wir sind bloß Schauspieler oder Marionetten auf der Bühne des Lebens. Doch wir können nicht eher abtreten, bis die uns zugeteilte Rolle zu Ende gespielt ist. Er allein weiß, wie lange dieses Spiel dauert und auf welche Weise jeder von uns zurückgeholt wird. Die Reichen wie die Armen müssen gleichermaßen früher oder später – jeder zu seiner Zeit – gehen und nehmen die Last ihrer guten oder schlechten Taten mit sich.

Der Zweck des menschlichen Lebens ist, das Geheimnis des Lebens kennen zu lernen. Aber so seltsam es auch scheinen mag, bleiben wir dem gegenüber gleichgültig. Wir bringen eine sehr schwere Last von Karmas in Form des Schicksals oder der Fügung mit uns und hinterlassen ein großes Vorratslager von Taten, die in der weit zurückliegenden Vergangenheit gesät und angesammelt wurden, um in der fernen Zukunft nach und nach zur Auswirkung zu kommen. Die Fügung oder das Schicksal muss selbstverständlich angenommen werden, lachend oder weinend, wie der Fall gerade liegt. Währenddessen fahren wir unglücklicherweise fort, unser Vorratslager zu vergrößern, indem wir in der gegenwärtigen Lebensspanne frische Saaten säen. So schmieden wir täglich neue Ketten, mit denen wir uns binden.

Gibt es da keinen Weg, diesem verwickelten karmischen Netzwerk zu entkommen? Die Heiligen sagen uns, dass es einen Ausweg gibt. Wenn wir nur das Gesetz und den Willen Gottes verstehen können, würden wir damit aufhören, der Handelnde zu sein. Wir sähen dann die Unsichtbare Hand Gottes überall wirken. Auf diese Weise werden wir vom Handelnden zum bloßen Seher oder Zuschauer. Taten allein zählen nicht als Schuld, vorausgesetzt, dass sie nicht von einem schuldhaften Gemüt begleitet sind. Wenn wir uns einmal über das Gemüt erheben und alle mentalen Bereiche durchqueren, überflügeln wir des Einfluss der auf Vorrat liegenden Taten. Im Licht und Leben Gottes werden alle noch nicht fruchtbar gewordenen karmischen Saaten unfruchtbar. Des ungeachtet genießen wir die Sinnesfreuden und wissen wenig darüber, dass diese umgekehrt die lebenswichtigen Organe unseres Systems zersetzen.

Das Hindi-Wort Ann (Nahrung) bedeutet gleichzeitig das, was verzehrt wird, und das, was verzehrt. Haben wir je bemerkt, wie schwach und unfähig wir im Laufe der Zeit durch den ständigen Gebrauch unserer Sinne werden, so dass diese selbst es ablehnen, irgendeine Freude an den Sinnesobjekten zu finden? Wir suchen immer den Körper und die körperlichen Sinne zu verwöhnen, als hätten wir sie ewig. Hierin liegt die große Täuschung.

Wünsche sind die Grundursache all unserer Sorgen. Was das Gemüt will, ist eine Art Wunsch (Kaam). Wenn wir zu Recht oder Unrecht das Gefühl haben, dass sich der Erfüllung unseres Verlangens ein Hindernis in den Weg stellt, werden wir vielfach ärgerlich (Krodh). Je länger es dauert, das Gewünschte zu erhalten, desto mehr verlangt und gelüstet es uns danach. Das wird Habgier genannt (Lobh). Wenn wir einmal durch redliche oder unredliche Mittel die gewünschte Sache bekommen, hängen wir an ihr und wollen uns nicht davon trennen. Das wird Verhaftetsein oder Verblendung (Moh) genannt. Ist das Gewünschte dann in unserem Besitz, weiden wir uns daran und schreiben den Erfolg unserem eigenen Bemühen zu. Dies ist Egoismus, denn wir beanspruchen die Sache als Eigentum und weigern uns, Gott, Der alle Gaben gewährt, dankbar zu sein. Das Denken in 'ich' und 'mein', verbunden mit starker Selbstsucht, ist das Wesen des Egoismus und der Eigenliebe, die beide aus dem Ego kommen. Dies wird Ahankar genannt oder der Sieg des kleinen Ich in uns. Auf diese Weise befassen wir uns die ganze Zeit mit Anschaffen und Verbrauchen und begehen unbewusst schamlose Handlungen der Ausbeutung und Großtuerei.

Die Frage, mit der wir es zu tun haben, betrifft weder die Religion noch die Gesellschaft. Es geht vielmehr um das rechte Verstehen und genaue Bewerten der weltlichen Dinge. Alle unsere Handlungen und Tätigkeiten dienen nur einem Zweck, nämlich unserem Körper Behagen und Bequemlichkeit zu sichern. Wir beurteilen alles nach diesem Maßstab. Ein Mann liebt seine Frau nicht um ihrer selbst willen, sondern seinetwegen. Desgleichen liebt eine Frau ihren Mann nicht wegen ihm, sondern ihretwillen. Wir lieben die Kinder, damit sie uns im Alter von Hilfe sein mögen. Es ist nichts Unrechtes an Wohlstand und Reichtum. Es ist nur der Zweck, für den sie verwendet werden – ob eigennützig oder für einen selbstlosen Dienst – und die Art und Weise, wie sie erworben wurden, was Qualität und Wert bestimmt, ebenso, was sie bei dem, der sie erwirbt, bewirken.

Im Allgemeinen verwenden wir unser Vermögen für unsere persönlichen Annehmlichkeiten und zur Befriedigung unserer Bedürfnisse. Offen gesagt, man braucht nicht viel zum Leben. Unnötigerweise fahren wir fort, unsere Wünsche zu vermehren und schaffen eine Art feinstoffliches Netz um uns. Und wofür? Lediglich für eine kurze Zeitspanne, in der wir zu leben haben. Das Leben ist ein großer Kampf. Wir haben mit Gemüt und Sinnen zu kämpfen. Wir müssen um das rechte Verstehen der Dinge ringen, anstatt im Strom der Zeit dahinzutreiben, ohne Halt für Hände oder Füße, um einen festen Stand zu bekommen.

Erwachte Seelen können nicht anders als unsere Lage bedauern und uns aus Mitleid Ihre Ansicht darüber sagen. Sie sprechen in kurzen, einprägsamen Worten voll tiefer Bedeutung. Sie führen Gleichnisse und Erzählungen an, um uns unsere Fehler und Unzulänglichkeiten klarzumachen. Sie sagen uns, dass diese Welt ein Marionettenspiel sei und hinter uns eine Kraft ist, durch Die wir uns bewegen. Aber ungeachtet all Ihrer Lehren und Predigten gehen wir wie eh und je unsere alten Wege. Wir bemühen uns nicht, den Willen und die Absicht der Kraft hinter uns zu verstehen. Wären wir dazu bereit, könnten wir dem magnetischen Feld der Karmas leicht entkommen.

Das karmische Problem ist sehr verwickelt. Die Karmas folgen uns fortgesetzt, auf Schritt und Tritt, von einem Zeitalter zum anderen. Die Zeit ist ein strenger Schiedsrichter. Alle unsere Taten verursachen einen unauslöschlichen Eindruck auf der Tafel der Zeit, und das in ihr wirkende Gemüt kann nicht umhin, jene Eindrücke anzuziehen.

Über König Dhristarashtra, den von Geburt an blinden Ahnherm der Kurvas, wird berichtet, dass er seine Vergangenheit hundert Inkarnationen zurückverfolgen konnte, aber nicht imstande war, anzugeben, warum er an Blindheit litt, denn er hatte diese ganzen Lebensläufe hindurch nichts Übles getan. Lord Krishna legte dann seine Hand auf den Kopf des blinden Königs, damit er mit Hilfe seiner Yogikräfte weiter zurückdringen konnte, um herauszufinden, wann es war und welcher Tat dieser Schicksalsschlag zuzuschreiben sei. Erst dann vermochte der König zu sagen, dass seine Blindheit die Rückwirkung einer bestimmten Handlung war, die in einer der Inkarnationen vor den hundert, die er kannte, begangen wurde.

Auf dem gegenwärtigen Schauplatz des Lebens sehen wir nur das Ergebnis unserer früheren Karmas, bleiben aber in Unkenntnis über die Ursachen, welche in der Vergangenheit ausgelöst worden sind, sei es in diesem Leben oder in einer früheren Inkarnation, und sind somit bestürzt. Diese Auswirkungen kommen so plötzlich und schnell, dass wir fassungslos sind. Die Wurzel all unserer Karmas sind unsere Wünsche und Sehnsüchte. Das war der Grund, warum Buddha, der Erleuchtete, Nachdruck auf die Wunschlosigkeit legte. In der Tat sagen dies alle Heiligen, jeder mit Seinen eigenen Worten.

Guru Gobind Singh, der zehnte in der Reihe der Nachfolger Guru Nanaks, sagte: Lasst von den Wünschen ab.

Zur Zeit Akbars des Großen war in dessen Ministerrat ein Mann namens Wali Ram. Es war Sitte, dass die Minister stillstanden, wenn der Kaiser kam, um den Vorsitz in seinem Ministerrat zu Führen. Eines Tages begab es sich, dass ein Skorpion in Wali Rams Gewand kroch. Während er nun still dastand, stach ihn das Tier an verschiedenen Stellen, als es sich bewegte. Der Minister ertrug schweigend die Qual und blieb aufrecht stehen, um den Anstand des kaiserlichen Hofes zu wahren.

Als der Kaiser auf dem Thron saß, trat Wali Ram mit gefalteten Händen vor die kaiserliche Hoheit und sagte: O Majestät, ich bin während all dieser Jahre Euer Sklave gewesen. Euer Hoheit wissen kaum, dass ich so viele Male von einem Skorpion gestochen wurde, doch nicht einmal den kleinen Finger rühren konnte, um ihn zu vertreiben, aus Angst, die Etikette des Hofes zu verletzen. Als Wali Ram dies gesagt hatte, zerriss er seinen Mantel und verließ eilends den Hof, um dem König aller Könige zu dienen, Gott dem Herrn. Akbar war betrübt, einen so klugen Minister wie Wali Ram zu verlieren. Er schickte seine Höflinge, ihn zurückzurufen. Aber Wali Ram war nun nicht mehr der alte. Er weigerte sich zurückzukehren. So ging der Kaiser selbst, ihn zu überreden, doch umsonst.

Er wollte seinem alten Minister, der ihm viele Jahre so gut gedient hatte, in aller Demut eine seltene Gunst erweisen und fragte, was er für ihn tun könne. Wali Ram antwortete: O mächtiger Herrscher, alles, was ich von Euch erbitte, ist, mich mit Eurem Schutz zu verschonen. Ich bin Euch dankbar für die hohe Gunst, die Ihr mir so gütig erwiesen habt, aber nun bin ich ein freier Mann und brauche die Vergünstigungen des Kaisers nicht mehr.

Es sind Begebenheiten solcher Art, die einen plötzlichen Wandel in der Denkweise eines Menschen verursachen. Bei einem Erwachen wie diesem fühlt man sich von der Bindung an die Welt befreit.