Selbsthingabe

von Dr. George Arnsby Jones

Selbsthingabe an den Adepten der Mystik ist nur eine Vorstufe, um ein größeres Erbe, das höhere Spirituelle Selbst, zu erlangen, wie es Dadu Sahib, ein Adept der Mystik des 16. Jahrhunderts aus Rajputan, ausgedrückt hat:

Ein Liebender wird zum Geliebten – das ist die Alchemie der Liebe.

Und Kabir bestätigt:

Die Welt ist in das Lesen von Schriften versunken, doch sie kommt niemals zum Wissen; aber wer auch nur ein Jota der Liebe kennt, dem ist alles offenbar.

Sufi-Mystiker haben eine solche Selbsthingabe als fana-fil-sheikh (Auflösung im Meister) beschrieben und christliche Mystiker haben die Notwendigkeit des ‚Todes an Christus‘ betont, des Aufgehens des persönlichen Selbst im alles umfassenden Selbst des Meisters, sodass sogar der Gedanke eines getrennten Selbst gänzlich verschwindet. Wie es auch der Heilige Paulus ausgedrückt hat:

Ich bin mit Christus gekreuzigt. Ich lebe; doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dargegeben.

Galater 2:20

Der Satguru ist der Wahre Mittler zwischen dem Schüler und dem Höchsten Herrn; aber Er ist noch mehr als dies, denn Er ist wahrlich die Verkörperung des Höchsten Herrn. Es war das Gefühl der Unmittelbarkeit und der Lebendigen Gegenwart des Satguru, das Kabir ausrufen ließ:

Der Meister ist größer als Gott.

Er beging nicht die unverzeihliche Sünde, Fleisch und Blut des Menschen zu vergöttlichen, sondern betonte die fundamentale Wahrheit, dass Ergebenheit gegenüber dem Meister einen zu Gott zurückbringt.

Sehjo Bai, eine Mystikerin des 19. Jahrhunderts, bestätigte:

Gott hat mich in die Wildnis der Welt getrieben, aber der Meister hat die endlose Kette der Seelenwanderung zerrissen.

Diese Heilige war eine Schülerin von Charan Das, einem dichtenden Mystiker von Rajasthan, der ein Adept der Spirituellen Wissenschaft war.

Allein die Liebe überbrückt den großen Abstand zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen. Verstand und Logik enden im Bereich des Gemüts, doch Liebe ist die Symphonie der Seele und ihre strahlenden Töne klingen in der ganzen Schöpfung wieder. Ein altes persisches Gedicht sagt uns:

Wissen ist nur ein Kind der Schriften, Liebe hingegen ist ihre Mutter.

Gobind Singh, der zehnte Guru der Sikhs, sagte:

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, diejenigen, die liebten, haben den Herrn erreicht.

Das Geheimnis von Gottes Mysterien ist Liebe,

sang Maulana Rumi; und der Satguru, der Höchste Adept der Mystik, ist eine direkte Verkörperung der Liebe. Er ist eine lebendige Verkörperung aller biblischen Lehren über die Liebe; Er gibt Seine mystische Wissenschaft und Seine Spirituelle Botschaft als eine freie Liebesgabe, ohne je etwas als Gegengabe zu wünschen, und Er lebt niemals von der Mildtätigkeit anderer.

Darüber hinaus erhebt sich ein Wahrer Adept der Mystik über die offensichtlichen Widersprüche der verschiedenen Religionen; Er vertreibt alle Unterschiede zwischen Glaube und Glaube, Religion und Religion und verweist auf die grundlegende Einheit der Spirituellen Erfahrung, die in den äußeren Schriften der Propheten und Mystiker niedergelegt ist. Er betont, dass das Innere Wesen aller Religionen das Gleiche ist, trotz aller äußerlichen Unterschiede und Dogmen, die die Menschheit verwirren.

Guru Nanak bekräftigte:

Erkenne Ihn als Wahren Meister, Der alle in einer Herde vereint.

Der Satguru versucht nicht, den Aspiranten zu diesem oder jenem äußeren Glauben zu bekehren, sondern Er bemüht Sich, Ihn zu der Taufe der Seele im Innern zu führen. Das Wahre Innere Leben übersteigt alle Schranken von Glaube, Kaste und Rasse, denn es ist ein Geschenk der Liebe und Liebe kennt keine Schranken. Der Satguru spricht von der Inneren Erfahrung der Spirituellen Wirklichkeit und daher bedarf es keiner theoretischen Erörterungen, um die Wahrheit Seiner Worte zu unterstreichen. Er wird jedoch oft die Schriften aller Religionen heranziehen, um Seine Zuhörer zu überzeugen, dass das, was Er lehrt, die älteste Wahrheit ist; aber Er ist nicht den intellektuellen Haarspaltereien der Schriftgelehrten unterworfen, denn Er spricht aus der lebendigen Erfahrung.

Kabir fragt die gelehrten Pandits:

Wie können wir übereinstimmen, wenn ich aus Innerer Erfahrung spreche und ihr allein aus dem Buchwissen?

Guru Nanak hat klar festgestellt:

Ich werde meinen Meister nicht bei Seinem Wort nehmen, bis ich mich mit meinen eigenen Augen überzeugt habe.

Und dies ist ein sicheres Kennzeichen, um die Gültigkeit der Feststellungen eines Adepten der Mystik zu prüfen. Wenn Er ein echter Satguru ist, wird Er nicht Erlösung in einem Leben nach dem Tode versprechen, sondern wird den Weg zur Inneren Befreiung hier und jetzt zeigen. Jesus ermahnte Seine Jünger ‚täglich zu sterben‘, d. h. das physische Bewusstsein zu übersteigen, denn wenn einer die Befreiung nicht im Leben erreicht hat, so kann er nicht hoffen, sie nach dem Tode zu erlangen. Der Satguru wird beibehalten, dass die Spiritualität eine Wissenschaft ist und dass sie im Laboratorium des menschlichen Körpers ausgeübt werden muss, denn nur während der Schüler sich im menschlichen Körper befindet, kann er die Grundvoraussetzung der zielbewussten Konzentration erlangen. Der Adept der Mystik hat eine gemeinsame Botschaft für die ganze Menschheit, und diese Botschaft ist eine der universalen Liebe.

Jesus sprach:

Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Darum sollt ihr vollkommen sein, gleich wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.

Matthäus 5:44-48

Der Adept der Mystik sagt mit Nachdruck, dass niemand seine Liebe zu Gott beweisen kann, wenn er nicht weiß, wie er seine Mitmenschen lieben soll. Denn wie kann ein Mensch Gott lieben, Den er nicht sehen kann, wenn er nicht einmal den Menschen, den er sehen kann, liebt? Liebe ist die eine universale Religion des Menschen und sie gründet sich auf die fundamentale Wahrheit der Vaterschaft Gottes und der Bruderschaft der Menschen.

Die eine Wirklichkeit leuchtet im Gläubigen wie im Ketzer,

stellte Hafiz, der bekannte persische Dichter-Heilige, fest.

Und all die scheinbaren Unterschiede in den verschiedenen Religionen sind tatsächlich nebelhafte Nichtigkeiten ... Durch bloßes Vorurteil haben die Brahmanen und die Sheiks (religiöse Führer des Hinduismus und des Islam) nun unterschiedliche Trinkschalen, denn in der Schenke gibt es nur einen Wirt (den Adepten der Mystik), der den gleichen Wein (der Göttlichen Liebe) aus derselben Flasche an die verschiedenen Zecher der Tafelrunde verteilt.

Der Satguru oder Adept der Mystik ist die lebendige Verkörperung des Spirituellen Geistes hinter allen Religionen. Aus diesem Grund hat Guru Arjan, der fünfte Guru der Sikhs, die Aussprüche der verschiedenen Adepten der Mystik des Hinduismus, des Islam, des Sikhismus und anderer Glaubensrichtungen zusammengetragen, ohne Sich um ihre religiöse Herkunft, ihre Kaste oder ihren Beruf zu kümmern. In Guru Arjans Zusammenstellung, die der Granth Sahib, die heilige Schrift der Sikhs, wurde, können die Spirituellen Aussprüche von Kabir gefunden werden, Der im weltlichen Beruf ein Weber war; von Nam Dev, der ein Kattundrucker war; von Ravi Das, einem Schuhmacher; von Farid, einem Moslem-Heiligen, und von anderen, die von niedriger Herkunft waren, die jedoch alle Prinzen der Spiritualität waren. Solche Meisterseelen kommen frei vom Gepränge und den Umständen der äußeren Religion in die Welt, mit dem speziellen Auftrag, den Spirituellen Nektar des Höchsten Herrn an jene zu verteilen, die auf sie hören und ihren Lehren folgen wollen. Wo und wann immer solche Adepten der Mystik auf der Bühne des Lebens erscheinen, erteilen sie der irrenden Menschheit Lektionen in Menschlichkeit und Frömmigkeit und durchtränken ihre Schüler mit einer beständigen Liebe zu Gott und den Menschen, und was am bedeutsamsten ist, sie stellen sie auf den Inneren Weg, der zum Höchsten Herrn führt. Während solche Spirituellen Lehrer Achtung für alle äußeren religiösen Gebote haben und auch selbst die äußerlichen Traditionen der sozialen Religionen ihrer Umgebung annehmen, sind Sie doch Wahre Freidenker und bemühen Sich, die Menschen von den fest versiegelten und engen Begrenzungen der erstarrten religiösen Glaubensanschauungen zu befreien, damit sie sich im ursprünglichen Sonnenschein der Spirituellen Bereiche baden können und das Wahre Reich Gottes erkennen.

Kein Mensch kann den Inneren Pfad sicher überqueren ohne die Hilfe eines nie versagenden Führers; sei es, dass dieser die Sufi-Bezeichnung eines Murshid-i-Kamil (vollkommener Meister) trägt oder dass Er als Sant Satguru oder als Rahbar-i-Haq (Führer zum Reich der Wahrheit) bekannt ist. Der Wahre Adept der Mystik wird einer sein, Der mit der Theorie und der Ausübung des Surat Shabd Yoga völlig vertraut ist. Solch eine erleuchtete Seele führt wahrlich die wandernde menschliche Seele von der Dunkelheit der Materie zu dem strahlenden Licht der höchsten Spirituellen Bereiche. In Begleitung eines solchen Adepten der Mystik übersteigt der Aspirant das Körperbewusstsein und erhebt sich in das kosmische Bewusstsein und dann aufwärts in das Überbewusstsein, dessen Endzustand weit jenseits der Grenzen der großen kosmischen Auflösung liegt und das in der Tat ewig und grenzenlos ist.

Farid, der Moslem-Heilige, rief aus:

O Farid, beginne eine weltweite Suche nach einer Meisterseele; setze deine endlose Suche fort, oben oder unten, rechts oder links, hier und überall, denn wenn du einmal diesen Mann der Gnade gefunden hast, wirst auch du Gnade haben.

Der Satguru ist demgemäß die lebendige Verkörperung der drei Attribute der Gottheit: Leben, Licht und Liebe. Er ist vollständig durchtränkt von der höchsten Spiritualität und ist die Quelle der Gottheit und der Liebe. Die heiligen Schriften können dem Aspiranten etwas über die Spiritualität berichten, denn diese Schriften stellen eine Schatzkammer von aufgezeichneten Inneren Erfahrungen der alten Weisen und Seher dar; aber solche Schriften können unmöglich dem Aspiranten eine lebendige Erfahrung der Spiritualität geben, denn diese kann nur wie eine ansteckende Krankheit aufgenommen werden aus den liebeerfüllten Augen von Einem, Der selbst mit der Spiritualität durchtränkt ist. Wie eine brennende Kerze die Dochte vieler nicht brennender Kerzen entzünden kann, so kann der Adept der Mystik den Spirituellen Lebensimpuls der sich sehnenden Seele übertragen.

Wie Guru Nanak festgestellt hat:

Der allein lebt, der mit Gott im Innern in Verbindung ist, o Nanak, alle anderen sind wirklich tot.

Shamas-i-Tabrez, der große persische Heilige und Spirituelle Lehrer von Maulana Rumi, erklärte:

Durch den Rand dieses Grashalmes des menschlichen Körpers fließt ein endloser Strom von Leben. Verborgen im Herzen dieses Atoms ist das Licht von hundert Sonnen.

Dieser große Adept der Mystik informierte aber Rumi und Seine anderen Schüler, dass es dem Menschen nicht gegeben sei, diese Inneren Wahrheiten ohne die Hilfe einer Meisterseele zu erkennen, einem Wahren Lehrer der Mystik, Der ihnen ‚den Weg, die Wahrheit und das Leben‘ zeigen kann.

Aber solche Adepten der Mystik warnen beständig davor, seinen Glauben auf die Behauptungen irgendeines Spirituellen Lehrers zu setzen, bevor der Lehrer einen lebendigen Beweis Seiner Kompetenz gegeben hat.

Bevor ich nicht die Wahrheit mit meinen eigenen Augen sehe,

versicherte der große Soami Shiv Dayal Singh,

kann ich nicht völlig überzeugt sein von dem, was der Meister sagt.

Und Tulsi Sahib, der Dichter-Heilige von Hatras, bestätigte:

Als ich die Wahrheit mit meinen eigenen Augen erblickte, da glaubte ich erst wirklich an die Worte des Meisters.

Die vom Satguru gesprochenen Worte können nicht vom Satguru getrennt werden, denn der Satguru spricht aus der Überfülle Seines Herzens. Er ist in das Ewige Wort eingebettet, und so sind Seine Worte der Ausdruck des lebendigen ‚Shabd‘ in Seinem Innern. Die Illusionen und Täuschungen der weltlichen Dinge haben keine Wirkung auf Ihn. Er ist jenseits der Macht von Kal, dem Herrn der Zeit, denn Er hat Sich selbst aus der Bindung von Zeit, Raum und Kausalität befreit. Er hat das Ewige Leben gewonnen und aus dem unendlichen Mitgefühl Seines Herzens steigt Er freiwillig in das Gefängnis der drei Welten hinab, um die sich sehnenden Seelen aus der Knechtschaft des sich endlos drehenden Rades der Geburten und Tode zu erretten. Der ist wahrlich gesegnet, der zu den Lotosfüßen eines Wahren Satguru gekommen ist, denn er hat das Höchste Gut des Lebens gewonnen.