Musikalisch sehen

von Bhadra Sena

Sieh tief genug und du siehst musikalisch.

Carlyle

Die Welt, so wie sie ist, ist nicht das Produkt eines Zufalls, aus dem Chaos hervorgegangen. Dahinter stehen eine Absicht und ein Plan. Der Geist und die Kraft des Meisterarchitekten ist in jedem Teil des Lebens verborgen und erstreckt sich von den Steinen und Mineralen bis hinauf zum gestirnten Himmel; und zwischen all dem liegen verschiedene Seinsebenen, belebte oder auch, wie wir es ausdrücken mögen, unbelebte.

Alles Ätherische oder Nichtätherische stammt vom Geist und keine Form existiert, außer für und durch den Geist. Das Bewirkende und das Spirituelle können sich nicht direkt (auf der physischen Ebene) offenbaren, ausgenommen durch das Grobstoffliche und die Materie. Der Geist ist die antreibende Kraft Gottes. Er ist der Ursprung aller materiellen oder nicht-materiellen Dinge, in welchem Gewande sie auch immer erscheinen mögen, einem groben oder einem feinstofflichen. Gemüt und Materie können nicht aus sich heraus existieren. Diese Kraft ist zugleich die materielle und die wirksame Ursache dessen, was wir innerlich und äußerlich sind und wirkt geheimnisvoll in einer ihr ganz eigenen Weise.

Die meisten von uns sind gefühllos gegenüber diesem lebendigen Teil unseres Seins. Zu sehr beschäftigt mit dem, was wir sehen, wissen wir nicht, wer sieht und wie er sieht. Dies sind wichtige Fragen, und je wichtiger sie sind, desto schlimmer werden sie vernachlässigt.

Wir sind, ehrlich gesagt, tot – tot durch Spirituelle Verhärtung. Es bedeutet tot zu sein während des Lebens, im Gegensatz zu dem Totsein, welches durch das Aufhören des Herzschlags eintritt. Diese Verhärtung wächst im Laufe der Zeit. Das Wasser des Lebens wird vollständig vergessen, so wie das Begehren des Fleisches wächst. Und das Ich im Menschen nimmt die Stelle Gottes im Menschen ein. Selbst der Geist wird gefährdet durch das Gewicht unserer Eitelkeit. Solcherart ist der Zustand aller. Das schöpferische Wort wird zum Geschwätz.

Mit Selbstsucht, Gier und Hass in uns leben wir in einem ständigen Zustand von Angst und Spannung und dementsprechend sehen wir die Welt in unserer eigenen Farbe.

Wir erhalten nur, was wir geben. Und allein in unserem Leben lebt die Natur;

das ist das fundamentale Gesetz von Ursache und Wirkung. Deshalb auch sehen wir in unserer Alltagswelt eine Natur, rot durch Biss und Tatzenhieb, zerrissen durch von uns selbst entfachten Stürmen. Warum? Einfach deshalb, weil wir selbst innerlich zerrissen und kein ungeteiltes Einzelwesen sind.

Auf der Oberfläche ist eine einzige Unruhe und Wellen der Leidenschaft branden links und rechts, doch in der tiefsten Tiefe ist alles ruhig. Ständig bringen wir üble Gedanken hervor, führen üble Taten aus und rechtfertigen diese dann durch betrügerische Argumente; so schwimmen wir auf der Oberfläche dahin. Wir sind niemals nach innen gegangen. Wir wissen nicht, dass es dort ein Leben gibt, höher als das Sinnenleben – das Leben des Geistes, welches rhythmisch und musikalisch fließt, in Harmonie mit dem Plan und der Absicht Gottes. Eine Vision dieses musikalisch tönenden Lebensprinzips bewirkt ein Wunder in demjenigen, der tiefer sieht. Wer dies tut, wird ein in eine neue Form gegossener, verwandelter Mensch. Alle Dinge erhalten eine neue Bedeutung für ihn, trotz der Wirbelwinde, die außen wehen.

Wenn wir nur lernen könnten, zum Zentrum unseres Seins hinabzusinken, würden wir mit Sicherheit unser Inneres Wesen sehen und die erhabene Symphonie der Seele hören, denn Gott ist der große Musiker, der die verborgene Harmonie der ganzen Schöpfung hervorbringt.