Gurubhakti: Eine Lektion in Liebe

II

Ergebenheit für den Meister und Liebe für Ihn sind sinnverwandte Begriffe, die das Gleiche besagen. Liebe ist allumfassend, und sie kennt nur Dienen und Opfern.

Guru Gobind Singh sagte hinsichtlich Seines Wiederkommens auf die Erde:

Nachdem ich mit dem Herrn vereint war, wollte ich nicht mehr in diese irdische Welt zurückkehren, aber ich wurde von Gott dazu veranlasst, es zum Spirituellen Wohl der Menschheit zu tun.

Wenn liebende Hingabe ihren Höhepunkt erreicht, bleibt nichts vom individuellen Selbst bestehen, denn es wird allumfassend und alles durchdringend.

Hafiz sagt:

Mein Herz ist so erfüllt von der Liebe zum Herrn, dass ich mich nicht getrennt von Ihm denken kann.

Wir müssen uns deshalb von unserem persönlichen Ich befreien, denn es steht zwischen uns und Gott.

Der Gurbani sagt:

Der Wahre Herr wird durch Gurubhakti erreicht.

Auf diese Weise kommt Er, in uns Wohnung zu nehmen, und das Gemüt vertieft sich in Ihn. Die Hauptsache bei allen Spirituellen Übungen und Disziplinen ist die Entfaltung von Gurubhakti oder der Hingabe an den Guru, die sich natürlich aus der Liebe entwickelt. Aus diesem Grunde haben alle Heiligen und Weisen großen Nachdruck auf diese Entfaltung der Liebe gelegt.

Guru Gobind Singh sagt:

Was hilft es, die Augen zu schließen und mit angelegten Flügeln dazusitzen wie ein Storch, und Bäder zu nehmen in den Meeren der Welt, was einem weder hier noch im Jenseits nützen kann; und während man sich in Sinnesfreuden ergeht, die Zeit mit sinnlosen Wortgefechten zu vergeuden? Wahrlich, ich sage euch, hört alle zu, wenn ihr könnt; allein sie gelangen zum Herrn, die zu lieben wissen.

Ebenso sagt Johannes in Seinem ersten Brief:

Wer nicht lieb hat, der kennt Gott nicht: denn Gott ist Liebe.

1. Johannes 4:8

Und im Koran haben wir wiederum:

Ein Liebender kann nicht ohne einen Geliebten sein.

Es ist in der Tat der Geliebte, Der den Liebenden die Kunst der Liebe lehrt und ihn befähigt, stetig auf dem Pfad der Liebe fortzuschreiten. Wie Gott Liebe ist, so ist auch der Mensch ein Funken der Göttlichen Liebe. Das Wesen der Liebe liegt der ganzen Schöpfung zugrunde und noch mehr im Menschen. Ein Mensch ist, wer liebendes Mitgefühl in sich hat. Was kennzeichnet einen Weisen oder Heiligen?

Er ist eine Schale, die von Gottesliebe überfließt, Seine Nähe erweckt in uns das Leben der Liebe.

Wie Licht von Licht kommt und Leben von Leben, so kommt die Liebe von der Liebe. Liebe wächst nicht auf den Feldern, noch ist sie im Geschäft zu haben, aber wir können sie wie eine Infektion von den liebegeladenen Augen eines Gottliebenden erhalten. Es gibt Menschen, die auf die Freuden dieser Welt ganz versessen sind und sich nicht um die nächste kümmern. Dann gibt es andere, die von Hoffnungen auf paradiesische Seligkeit mitgerissen werden. Aber solche, die den Herrn lieben, richten mehr als die Genannten ihr Augenmerk auf die Dinge, die wirklich von Bedeutung sind. Die Liebe entzündet in uns die Flamme des lebendigen Lichts oder des Lebenslichtes.

Die Art der Liebe ist:

Nachdem ich der Gottberauschten Seele begegnet war, fragte ich nach der Natur der Göttlichen Liebe und erhielt einzig zur Antwort, dass sie in ihrer Fülle nicht zu beschreiben sei. Die lodernde Liebe zum Herrn kann nicht unter einen Scheffel gestellt werden; auch wenn man seinen Mund nicht öffnete, würden doch Tränen in den Augen für sich sprechen und unwillkürlich fließen. Ein Herz ohne Liebe ist ein Leichenhaus, wie der Blasebalg eines Schmiedes, der atmet ohne den Lebensodem.

Kabir sagt:

Demut, Einfachheit, Ergebenheit und Höflichkeit sind große Tugenden, aber der allein ist groß, der allen gegenüber die rechte Sitte wahrt.

Anstand oder gutes Benehmen sind der Kern wahrer Lebensweise und zählen fast so hoch wie die Wahrheit selbst. Wir müssen alle lieben, alle achten und zu allen höflich sein, was wir selten tun. Gewöhnlich treiben wir wie Janus ein falsches Spiel und messen in all unserem Tun mit zweierlei Maß. Kopf und Herz sind nicht in Einklang, noch stimmen unsere Handlungen mit unseren Worten überein.

Guru Nanak sagt:

Demut, gewürzt mit Liebenswürdigkeit, ist der Kern aller Tugenden.

Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über, und solange wir nicht aus dem Innersten heraus liebenswürdig sind, können wir nicht liebevoll sprechen. Alle Weisen sagen, dass die Liebe der einzige Weg zur Erlösung ist.

Guru Nanak sagt uns treffend:

Schönheit, Abstammung, Tapferkeit, Wissen und Reichtum sind von keinem Nutzen; mit all dem ausgestattet, aber bar der Liebe zum Herrn, ist man so viel wie tot.

Wie können wir den Reichtum der Liebe erlangen? Sie kommt dem Erwählten des Herrn zu, und Er schüttet sie im Überfluss auf wen immer es Ihm gefällt. Die Weltklugen, die in Gemüt und Materie eingegraben sind, vermögen schwerlich danach zu streben und erhalten sie nicht.

Einst ging die Prinzessin Zaibul-Nisa zu Sarmad und bat ihn um die seltene Gabe der Gottesliebe.

Sarmad sagte:

O Sarmad, die brennende Leidenschaft zum Herrn wird nicht den Habsüchtigen gewährt, wie auch die Liebe der Motte zur Flamme nicht den Fliegen gegeben ist, die um den Schmutz kreisen. Zeitalter gehen dahin, bis die Offenbarung des Herrn ins Herz geht. O Sarmad, nicht jeder erhält diesen Schatz.

Nun erhebt sich die Frage: Wen sollten wir lieben? Da Liebe das Gesetz des Lebens ist, können wir nicht anders, als das eine oder andere zu lieben. Wir schenken unsere ganze Liebe der Welt und allem, was der Welt angehört, Frau und Kinder, Reichtum und Besitz. Aber all diese irdischen Dinge täuschen uns auf die eine oder andere Weise und lassen uns früher oder später reumütig zurück. Wir müssen etwas lieben, das von Dauer ist, so dass sich unsere Liebe nicht als trügerisch erweist. Das vorher Erwähnte ist nicht Liebe im strengen Sinne des Wortes, sondern gänzliche Verblendung, allgemein als Verhaftetsein bekannt. Warum wollen wir dann nicht etwas finden, das unserer Liebe wert ist und das hier und danach hilft? In diesem Zusammenhang lege ich euch eine kurze Hymne Kabirs vor, damit wir die Sache besser verstehen:

Wir müssen Jemanden lieben, Der uns bis ans Ende nicht verlassen noch versäumen wird.

Er allein ist der Liebe würdig, Der uns in allen Wechselfällen des Lebens auf der irdischen Ebene beisteht und uns auch ins Jenseits zum Richterstuhl Gottes bringt.

Im Gurbani finden wir folgende Erklärung:

O Nanak, löse alle vergänglichen Bande der weltlichen Beziehungen und suche die Gemeinschaft eines Wahren Heiligen; die Ersteren werden noch in diesem Leben zerbrochen, während der Letztere auch nach dem Tode bei dir bleibt.

Die Freunde und Verwandten der Welt, wie nahe sie einem auch immer stehen, gehen nicht mit einem durch dick und dünn. Einige verlassen uns in Armut und Bedürftigkeit, andere bei langer Krankheit und Leiden und weitere, wenn uns widrige Umstände und Unglück heimsuchen. Im besten Fall mögen euch ein paar zum Bestattungsplatz geleiten, das ist alles. Die Freundschaft eines Heiligen währt beständig. Er bleibt für immer und ewig bei uns und steht uns auch vor dem Richterstuhl Gottes zu Seite, um uns zu helfen.

So sagt uns Kabir:

Wenn sich auch alle um dich scharen und deine Eitelkeit nähren, solange du im Überfluss lebst, fliehen sie dich im Wandel des Glücks, und keiner kommt dir nahe.

Selbst die Aufrichtigsten stehen hilflos dabei, wenn man an der Schwelle des Todes steht und nach Atem ringt. Wenn sie sehen, dass man aussichtslos mit dem Tod und hilflos um das Leben kämpft und die Schlacht verliert, können sie nichts anderes tun, als Gott bitten, die quälende Agonie der letzten Augenblicke zu erleichtern. Was sonst wäre möglich?

Und wieder heißt es im Gurbani:

Dient dem Wahren Meister und entfaltet das Heilige Wort. Der Meister empfängt beim Tod jene, die ihr Bestes taten, Ihm zu folgen.

Wir sollten deshalb Täter des Wortes sein und Es Tag und Nacht praktizieren. Es ist der Tröster, von dem Christus sprach. Es nützt auf verschiedene Weise, wenn wir hilflos in der Falle des Todes liegen oder in hoffnungslosen Situationen. Es materialisiert sich in Gestalt des Meisters, um uns zu beraten und zu ermuntern, ganz gleich, wo wir sind, auf schneebedeckten Berggipfeln, im brennenden Wüstensand, in den Meerestiefen oder hoch oben am Firmament. Und wenn die letzten Augenblicke des Lebens gekommen sind, erscheint Es in der Strahlenden Form des Meisters, um die Seele ins Jenseits zu bringen, führt den Geist stufenweise von einer Ebene zur anderen, wie und wann Er es für angebracht hält, bis Er einen sicher zum Wohnsitz Gottes leitet.

Mein Meister pflegte zu sagen, dass ein Satguru, wenn Er bei der Initiation das Heilige Wort enthüllt, in Wirklichkeit Seine Wahre Form – Shabd Swaroop – offenbart, Die immer bei der initiierten Seele bleibt, bis beide in Sat Naam, der Ersten Offenbarung Gottes, aufgehen, welche dann der Seele zu Agam – dem Unbegreiflichen –, Alakh – dem Unaussprechlichen – und Anaam – dem Namenlosen, das nicht Gestalt noch Attribut besitzt – verhilft. Wegen dieses außerordentlichen und bedeutungsvollen Opferdienstes, der beständiger Natur ist, wird uns geraten, Liebe für Einen zu entwickeln, Der uns ewig liebt und uns hier wie danach beisteht.

Maulana Rumi sagt uns, indem Er von dieser Liebe spricht:

Liebe ist etwas anderes als die Sinnlichkeit des Menschen, da die Sinne von den Sinnesgegenständen genährt werden und durch die Nahrung gedeihen, die wir zu uns nehmen.

Wir sehen darum, dass Liebe etwas Erhabenes und Heiliges ist und nicht mit Lust verwechselt werden sollte, welche die Folge niedriger Wünsche und sinnlichen Begehrens ist. Es ist die Liebe der Seele für die Überseele oder des Geschöpfes für den Schöpfer. Wie nun können wir zur Liebe kommen, ist die nächste Frage.

Liebe wächst weder auf dem Felde, noch ist sie auf dem Markt zu haben, auch die Hohen und Mächtigen, die sich nach der Liebe sehnen, müssen mit ihrem Kopf dafür bezahlen.

Liebe ist die Würze des Lebens, denn wir leben durch die Liebe des Herrn.

Guru Amar Das hat gesagt:

Verflucht ist der Mensch, dessen Herz ohne Liebe ist.

Die Liebe ist das Licht des Lebens, in dem wir unser Sein haben. Was nützt uns die menschliche Geburt, wenn wir nicht wissen, was Liebe ist und wie das Beste daraus zu machen? Wir müssen die Segnungen der Liebe kosten, um wirklich gesegnet zu sein. Das ist der ganze Zweck des menschlichen Lebens. Aber was tun wir? Die ganze Zeit über sind wir eifrig damit beschäftigt, auf der Ebene der Dualität zu handeln, sind so nicht nur Gott verloren, sondern auch unserem eigenen, Wahren Selbst und vergessen unsere eigentliche, Göttliche Natur. Gibt es da kein Heilmittel? Die Antwort ist: Doch, es gibt eines:

Die Liebe zum Gottmenschen erweckt die Liebe zu Gott.

Wenn ihr Jemanden liebt, Der die Personifizierte Wahrheit ist, wird Er euch bestimmt damit anstecken. Lebt in Einem, Der für die Gottheit erwacht ist, und ihr werdet ebenfalls im Göttlichen leben. Daher die große Notwendigkeit, Liebe, das Lebensprinzip, zu entwickeln, das für immer und ewig bei euch bleibt.

Ohne Liebe findet die wechselhafte Natur des Menschen keine Ruhe.

Im Meer der Sinnesfreuden umhergestoßen, haben wir unseren Ankerplatz verloren und treiben steuerlos im Strom der Zeit dahin. Solange wir keine sichere Verankerung, keinen Hafen des Friedens, gefunden haben, sind wir immer eine Beute unberechenbarer Winde und Lebensstürme. Täglich sehen wir überall Hader und Streit, Disharmonie in den Familien, Gegnerschaft unter den Menschen, Völkern und Nationen. Warum all diese Verwirrung? Weil es an liebendem Verständnis und wohlwollender Toleranz für die Ansichten anderer fehlt. Sind wir nicht trotz aller künstlichen Schranken, die der Mensch aufgestellt hat, – den nationalen, sprachlichen, religiösen und politischen – Glieder einer großen Menschenfamilie? Solange wir uns nicht über diesen kleinlichen Rassen- und Sippenstolz und andere Vorurteile, die unsere Sicht verdunkelt und verdeckt haben, erheben, können wir keinen Zugang zu dem strahlenden Sonnenschein liebender Einigkeit gewinnen sowie inneren und äußeren Frieden haben. Und dies wird erst möglich sein, wenn wir unsere Seele in dem Grundlosen Urgrund ruhen lassen.

Der Heilige Augustinus sagt uns:

Du, Gott, hast uns zu Dir geschaffen und ruhelos ist unser Herz, bis dass es Ruhe findet in Dir.

Während meiner zweiten Weltreise hatte ich Gelegenheit, in den verschiedenen Ländern mit nationalen, religiösen und politischen Führern zusammenzutreffen, und ich legte ihnen den Grundsatz von Leben und leben lassen dar; dies hatte eine mäßigende Wirkung auf sie. Ich sagte ihnen, dass Gott Millionen Seiner Kinder ihrer Fürsorge und ihrem Schutz anvertraut habe, und wenn sie aus dem einen oder anderen Grund kein rechtes und ausreichendes Interesse an ihnen nehmen könnten, sollten sie einen Teil ihrer Bürde anderen übertragen. Dieser Gedanke beeindruckte sie, und an zwei oder drei Stellen, wo die Beziehungen bereits dem Abbruch nahe waren, gewann durch Göttliche Gnade eine bessere Einsicht die Oberhand.

Liebe wirkt in den Angelegenheiten der Welt wie ein großer, heilender Balsam. Wenn wir in unseren Heimen auf liebevolle Weise miteinander sprechen könnten, hätten wir das Paradies auf Erden. Ein Schwerthieb kann in wenigen Tagen heilen, aber die Verletzung durch eine scharfe Zunge schwärt die ganze Zeit wie eine eiternde Wunde. Je mehr man über die bitteren Worte nachsinnt, desto mehr nagen sie im Herzen.

Der große Krieg des Mahabharata-Epos war die Folge von ein paar wenigen, bitteren Worten, die Draupadi unbedacht geäußert hatte. Als die Kauros den Palast der Königin besuchten, sah die glitzernde Oberfläche des Hofes an einer Stelle wie rieselndes Wasser aus. Natürlich zogen sie ihre lang herunterhängenden Kleider hoch. Während sie ihnen dabei zusah, bemerkte Draupadi scherzhaft, dass die Kinder eines blinden Vaters nicht anders könnten, als blind auf die Dinge zu schauen. Das Ergebnis war ein großer, mörderischer Krieg, durch den die älteste Kultur und Zivilisation Indiens tatsächlich ihr Ende fand.

Die Schwäche, Fehler aufzuspüren und sarkastisch zu sein, ist unglücklicherweise ein allgemeiner Zug der heutigen Gesellschaft geworden. Wir sind für den Splitter in den Augen anderer äußerst wach, können aber in unseren eigenen nicht den Balken sehen. Wir bemühen uns, geschickte Anspielungen zu machen, und sprechen auf unehrliche Weise. Dies ist in der Tat eine sehr hässliche Gewohnheit, denn sie verletzt zutiefst die Gefühle anderer.

Ich würde euch allen raten – alten wie neuen Initiierten – ein Tagebuch zur Selbstprüfung zu führen und am Ende jedes Tages Verstöße gegen den Pfad der Rechtschaffenheit zu vermerken – nämlich in der Wahrhaftigkeit, Reinheit, Ehrlichkeit, in Nichtverletzen, selbstlosem Dienen und dergleichen. Auf diese Weise werdet ihr eure Mängel leicht erkennen und euch bemühen, sie einen nach dem anderen auszumerzen. Dies wird euch unwissentlich auch befähigen, entsprechende Tugenden auf allen Ebenen – in Gedanken, Worten und Taten – zu entfalten. Ahimsa parmo dharma oder Nichtverletzen ist die höchste Tugend. Wenn ihr Liebe für alle in euch habt, werdet ihr nicht den Versuch machen, irgendjemanden zu täuschen, denn wenn ihr es tut, werdet ihr zuallererst euch selbst täuschen; weit davon entfernt, werdet ihr versuchen, andern zu helfen. Dienen kommt, wie ihr wisst, vor Eigennutz und wird geheiligt durch Selbstlosigkeit. All dies trägt zur Läuterung des Gemüts bei, und je reiner es wird, desto geeigneter ist es, das Licht der Wahrheit zu empfangen, und desto mehr seid ihr fähig, es durch eure Handlungen und Taten auszustrahlen. Ich habe immer darauf bestanden, dass ein solches Tagebuch geführt wird.

Im Gurbani steht:

Einer, Der die Wahrheit sieht, kann euch zur Wahrheit führen und vom Tod zum Ewigen Leben bringen.

Dies ist auch der Sinn des Gebets, das zu wiederholen die Alten nie müde wurden:

O Gott, vom Unwirklichen führe mich zum Wirklichen, aus Dunkelheit führe mich zum Licht, vom Tod führe mich zur Unsterblichkeit.

Und nun haben wir gesehen, wie wir dieses geheiligte und altehrwürdige Gebet fruchtbar machen können.

Der Gurbani verkündet:

Wer euch mit der Gotteskraft verbindet, Den seht wahrlich als Gott Selbst an.

Denn wer außer Gott kann euch zu Gott führen? Dies ist eine tiefgründige Wahrheit, die ihr für euch selbst prüfen könnt, wenn ihr durch ein großes Glück einen Gottmenschen findet oder ein Solcher euch aufnimmt, denn wir alle sind damit beschäftigt, 'Blindekuh' zu spielen.

Der Satguru ist zweifellos der Makellose Eine, trotz dem menschlichen Gewand, in dem Er erscheint.

Wieder heißt es:

Der Gottmensch ist Gott gleich, obwohl Er die menschliche Hülle trägt.

In kristallklaren Worten erklärt Maulana Rumi:

Wenn ihr euch einem Gottmenschen nähert, naht ihr euch Gott, und wenn ihr von Ihm weggeht, entfernt ihr euch von Gott.

Warum? Weil der Gottmensch auf Erden ein Abgesandter von Gott Selbst ist. Wenn wir mit leerem Herzen bei einem Lebenden Meister sitzen, werden wir von Seiner Göttlichen Vibration erfüllt, die fürwahr alle Poren unseres Körpers durchdringt. Dies ist das Zeichen Seiner Größe und Güte.

Sehr selten nur können wir einen Wahren Satsang haben, das heißt, den Satsang eines wirklich Gotttrunkenen Menschen. Wenn wir eine solche Gelegenheit erhalten, ziehen wir kaum allen Vorteil daraus. Solange wir den Satsang nicht gläubig und empfänglich besuchen, empfinden wir nicht die Wirkung der radioaktiven Strahlen, die von Seiner Person ausgehen. Wenn selbst ein Stein, der im Wasser liegt, die kühlende Wirkung desselben erhält, gibt es keinen Grund, warum einer, wie unwissend er auch immer sei, in der Gegenwart eines Göttlichen Wesens nicht berauscht werden sollte. Er wird sicherlich den ermunternden Dufthauch des Satgurus aufnehmen, vorausgesetzt, er ist offen dafür – frei von weltlicher Befangenheit. Ein Lebender Meister ist das Fleisch gewordene Wort, und die Atmosphäre um Ihn ist hochgeladen mit Spirituellen Vibrationen, woraus folgt, dass man ihre Wirkung und glückselige Ruhe in sich zu spüren beginnt. Hat man diese einmal gekostet, wird man gleichgültig gegenüber allen Freuden der Welt.

Nach allem muss doch ein besonderer Spiritueller Gewinn in der Gemeinschaft eines Heiligen liegen, wenn alle Schriften der Welt über den Wert des Satsang und seine Notwendigkeit für den Fortschritt auf dem Spirituellen Pfad so hoch sprechen. Aber der Guru muss ein Vollendeter Guru sein, nicht ein halber Prophet, der Anspruch auf die ganze Wahrheit erhebt. Es ist keine Sache der Anmaßung oder Schaustellung, sondern eine der Offenbarung des Inneren Lebensprinzips. Die bittere Erfahrung mit falschen Meistern zwingt die Leute sogar dazu, die Größe Wahrer Lehrer zu leugnen, und sie ziehen die Schriften der direkten Erfahrung vor. Ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Aber ohne die Hilfe eines wirklich Vollendeten Meisters gibt es keinen Ausweg für die Seele, den Fesseln von Gemüt und Materie zu entkommen, um in die Spirituellen Bereiche des Jenseits zu gelangen, das Reich Gottes nun wiederzugewinnen und sich Ewigen Lebens zu erfreuen. Liebe und Gehorsam für einen solchen Meister schließen die Tore zum Himmel auf, und die Seele wird von dem immer liebenden Bräutigam und Strahlenden Guru Dev sicher von Ebene zu Ebene geleitet und auf ewig mit dem Satguru – Sat Naam oder Sat Purush, dem Einen Wahren – vereint:

Wie das Wasser eines Flusses Wasser bleibt, auch wenn es von den Ufern eingeschlossen wird, so offenbart sich die Gotteskraft durch einen Menschlichen Pol als die Wahrheit selbst.

Guru und Satguru sind gleichbedeutende Begriffe und benennen lediglich zwei verschiedene Erscheinungsformen der Wirklichkeit. Äußerlich ist Er ein Guru, Der den Schülern Spirituelle Lehren vermittelt, aber Innerlich ist Er ein Satguru, denn in Ihm wirkt die offenbarte Kraft von Sat oder der Wahrheit. Er ist kurz das Fleisch gewordene Wort und wohnt unter uns, um im einzelnen Menschen die Verbindungsschnur zu enthüllen.

Guru Nanak sagt:

O Lalo, ich spreche nichts aus mir selbst, ich öffne meinen Mund nur auf Sein Geheiß.

Ein Guru ist Einer, Der das Sprachrohr Gottes wurde. Hingabe an den Guru ist somit die erste Stufe der Spiritualität, und sie besteht in der unbedingten Annahme Seiner Gebote.

Liebet ihr mich, so haltet meine Gebote,

war die Ermahnung Christi an Seine Jünger.

Wenn ihr einem wirklichen Guru begegnet, vergesst alles andere und hört aufmerksam auf das, was Er sagt; und selbst wenn ihr Seine Sprache nicht völlig versteht, so macht es nicht viel. Allein Seine Ausstrahlung hat eine beruhigende Wirkung auf euch. Seine magnetischen Strahlen haben eine unvorstellbar große Reichweite. Wenn ihr still dasitzt und zuhört, wird dies zu eurem Nutzen sein. Versucht, nach dem, was ihr hört, zu leben, dann wird euer Gemüt eine Wendung zum Besseren nehmen.

Der Weise Lukman pflegte zu sagen:

Wenn ihr zu einem Heiligen geht, setzt euch ruhig vor Ihn hin und lauscht aufmerksam dem, was Er über Sich sagt.

Aber tun wir das? Wir fahren entweder fort, uns mit anderen zu unterhalten, oder unterbrechen den Heiligen ständig durch nutzlose Fragen, was zur Folge hat, dass wir mit leeren Händen zurückkehren.

Heute feiern wir den Geburtstag von Hazur (Sawan Singh Ji Maharaj). Es wäre deshalb ein angebrachter Beitrag zu Seinem Gedächtnis, wenn ihr beschließen würdet, euer Leben zu einer nicht endenden Legende der Liebe und des Dienens zu machen – der Liebe zum Herrn und des Dienstes an Seiner Schöpfung. Da ihr Gott noch nicht von Angesicht zu Angesicht gesehen habt, versucht einstweilen, Liebe für Einen zu entwickeln, in Dem die Gotteskraft zum Wohl der Menschheit wirkt. Der erste Schritt in diese Richtung besteht darin, das zu tun, was Er euch zu tun heißt:

Es gibt keinen Unterschied zwischen dem Satguru und Seinen Worten.

Wir müssen lernen, Glauben und Vertrauen in das zu haben, was Er sagt. Da wir nun in der liebevollen Erinnerung an Hazur zusammensitzen, wird es ein großer Tag für uns sein, wenn wir den Entschluss fassen, in unserem Leben einen neuen Anfang zu machen. Zu diesem Zweck müssen wir ein Spirituelles Tagebuch führen. Dies wird uns befähigen, uns selbst zu prüfen. Gegenwärtig können wir die schwachen Seiten, die in den Tiefen unseres Gemüts verborgen liegen, nicht sehen. Aber wenn ihr versucht, das Unbewusste zu erforschen, werdet ihr allmählich in der Lage sein, sie an der Oberfläche zu sehen, zuerst wie Rinnsale und dann in Sturzbächen.

O Gemüt, lerne den Herrn zu lieben, und liebe Ihn noch mehr!

Dies hat Kabir gesagt. Entsprechende Worte haben wir von Jesus:

Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüte und mit all deiner Kraft.

Und weiter:

Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

Als Er gefragt wurde, welches die christliche Haltung gegenüber Übeltätern sei, erklärte Er:

Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel.

Matthäus 5:44-45
Lukas 6:27,35

Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist.

Matthäus 5:48

Dies ist alsdann die Liebe in den Lehren aller Großen Weisen seit unvordenklichen Zeiten, und es soll in Ewigkeit so bleiben. Sie alle ermahnen uns, unser Leben nach diesen Richtlinien zu formen. Höflichkeit kostet euch nichts. Die ganze Zeit sind wir auf böswillige Weise mit dem beschäftigt, was andere sagen oder tun. Es stünde viel besser um die Welt, wenn wir aufhörten, uns mit dem Reden und Tun anderer zu befassen. Und weiterhin begrenzen wir unsere Fehler nicht auf uns selbst, sondern verbreiten unsere Torheiten eifrig unter unseren Nachbarn, mit dem Ergebnis, dass wir es von ihnen hundertfach zurückbezahlt bekommen. Nun, was bringt das Gutes ein?

An einem Tag wie diesem wiederhole ich mit allem mir zu Gebote stehenden Nachdruck, dass Hazur wahrhaftig ein Meer der Liebe war; und wenn wir Ihn lieben, sollten und müssen wir von Neuem unsere Lektion der Liebe lernen, indem wir Seinen Spuren folgen und gewissenhaft an den Spirituellen Übungen arbeiten, die Er für unsere Erhebung gegeben hat. Wenn Er auch von der physischen Ebene weggegangen ist, so hat Er uns doch nicht verlassen, denn Seine Göttliche Kraft besteht auf der Inneren Ebene in ihrer vollen Strahlung weiterhin fort, und Er erwartet uns sehnlicher denn je am Brennpunkt unseres Seins, um uns zu helfen und zu führen.

Gott sitzt nicht auf einem Thron im Himmel. Er wohnt im Herzen eines jeden von uns. Wir müssen deshalb lernen, unseren Nächsten zu lieben und ihm in Not und Leid beizustehen.

Gott Selbst hat erklärt:

Ich liebe den, der Meine Geschöpfe liebt.

Dies ist die große Lektion, die Hazur uns vor allem lehrte, und wenn wir sie in unserem täglichen Leben in die Praxis umsetzen, wird Seine Gnade mit Sicherheit herabkommen und unseren Spirituellen Fortschritt fördern.

Lasst uns sehen, was Kabir sagt:

Armer Kabir, aufgrund seiner lebenslangen Erfahrung kann er nicht anders, als immer wieder darüber nachzusinnen, dass das Auslöschen des Ich der einzige Weg ist, euch zu Gott und eurer Ewigen Heimat im Himmel zu führen.

Kabir sagt, dass der einzige Weg zur Erlösung in der Liebe liegt. Durch die Liebe erhebt ihr euch über das Ich und werdet selbstlos. Wenn wir nicht das Ich, das Ego, in uns überschreiten, dämmert das Licht Gottes nicht auf. Gesegnet mit der Liebe, der Liebe zu Gott im Menschen, geht ihr vom Zustand der Zweiheit in den der Einheit über. Wie können wir zur Quelle Göttlicher Liebe gelangen? Liebe kann aus dem mit Liebe geladenen Herzen einer von Gott inspirierten Seele aufgenommen werden.

In wenigen Worten hat uns Kabir mit dem Hauptschlüssel versehen, der die Tür des Himmels aufschließt: Sucht einen Gottmenschen, und lernt von Ihm das Geheimnis der Liebe. Sucht zu verstehen, was Er sagt, und setzt dann Seine Lehren gewissenhaft in die Praxis um. Er ordnet an, Keuschheit in Gedanken, Worten und Taten zu entwickeln und Liebe für alles zu haben, was durch die Liebe Gottes lebt. Da Gott nicht von Seiner Schöpfung getrennt ist, werdet ihr den Geist Gottes sehen, Der das ganze Universum belebt. Ihr werdet euch dann nicht als von der Welt abgesondert empfinden. Euer kleines Ich, bislang im menschlichen Gemüt eingeengt, wird sich weiten, allumfassend werden und die Ganzheit aller Wesen umfangen.

Dies ist das Geheimnis des Erfolgs auf dem Gottespfad. Es gibt keinen anderen, kürzeren Weg zu Ihm. Bemüht euch, wahr zu euch selbst zu sein, dann werdet ihr niemandem gegenüber unwahr sein. Übt ferner Bhajan und Simran – das liebevolle Gedenken des Herrn mit gespannter Aufmerksamkeit; macht es zur Regel, der Seele täglich Nahrung zu geben, wie ihr sie dem Körper gebt. Das ist die Liebe, die uns Kabir in wenigen Worten beschrieben hat. Bloßes Lippenbekenntnis und akrobatische Kunststücke reichen nicht aus.

Ich möchte mit Hilfe eines Gleichnisses von zwei Gärtnern erklären, was ich meine:

Ein König hatte einen schönen Obstgarten, der der Pflege zweier Gärtner anvertraut war. Einer von ihnen arbeitete hart und ging schweigend seiner Beschäftigung nach, die Bäume und Blumen mit der gebotenen Sorgfalt zu hegen und sie in Ordnung zu halten. Der andere war faul, hatte aber eine glatte Zunge und eine laute Stimme. Jedesmal wenn der König den Garten besuchte, pflückte der erstere nur ein paar Blumen ab und überreichte sie bescheiden seinem königlichen Herrn, während der andere, der nichts tat, herumsprang, vor dem Herrn tanzte und des Meisters Tugenden, seine Haltung und Kleider besang.

Nun, welchen mochte der König wohl? Ihr könnt euch die Antwort selbst geben. Sicherlich den, der fleißig und ehrlich seine Arbeit tat, ohne irgendein Aufhebens zu machen. Ebenso blickt der Allwissende Meister auf eure innersten Neigungen, die Aufrichtigkeit eurer Absichten und die Ehrlichkeit der Anstrengungen, die ihr macht, um Seinen Geboten nachzukommen, und verleiht euch die Gabe Seines Spirituellen Reichtums gemäß euren Verdiensten.

Kabir beschließt Seine Hymne mit folgenden denkwürdigen Worten:

Wer dem Guru den Vorrang vor allem anderen gibt und getreulich Seinen Lehren folgt, dieser, o Kabir, hat nichts zu fürchten in den drei Regionen.

Es gibt drei Bereiche des Gemüts oder mentale Regionen, in denen sich die verkörperte Seele in dem gewaltigen Rad des Lebens auf- und abbewegt, welches durch die zwingende karmische Kraft: der physischen, feinstofflichen und kausalen Ebene angetrieben wird, und es ist nicht leicht, ihm zu entkommen. Kabir nennt uns den Ausweg durch die gütige Gnade einer Meister-Seele, Die einen Jiva unversehrt durch diese Ebenen hindurch ins Jenseits, den rein Spirituellen Bereich – Sach Khand oder Muqam-i-Haq der Moslems, oder der Garten Eden, das Neue Jerusalem, der Christen – führen kann. Der Meister ist das größte Geschenk Gottes an die Menschheit.

Hazur pflegte uns zu sagen, dass wir in Gegenwart eines fünfjährigen Kindes von einer üblen Handlung ablassen. Aber so seltsam es auch scheinen mag, wir haben nicht einmal so viel Achtung für den König der Könige – den Allwissenden Meister, Der selbst das, was im Innersten unseres Gemüts verborgen liegt, kennt. Wir geben uns schamlos Dingen hin, die kein vernünftiger Mensch tun würde, weil wir fälschlicherweise glauben, dass uns niemand sieht. Wir müssen beständig daran denken, dass der Meister in Seiner feinstofflichen Form immer bei uns ist und all unser Tun beobachtet. Achtet darauf, dass ihr Missetaten und Übertretungen um jeden Preis vermeidet. Und nicht zuletzt sollten wir in keiner Weise die Grenzen überschreiten, die Er gesetzt hat, sondern uns an diesem gesegneten Tag ausdrücklich verpflichten, Seinen Anweisungen mit erneuter Hingabe und Eifer zu folgen. Bitte beachtet all diese Dinge sorgsam, damit ihr in Frieden leben könnt und wirklich gesegnet seid.