Geburtstag im Manav Kendra

Ein Bericht von Russell Perkins über die Feierlichkeiten 1972

Das erste, was man sieht, wenn man auf der Landstraße von Delhi her kommt, ist der große Wasserturm mit der Aufschrift ‚Manav Kendra‘ an der Spitze.

Als zweites sieht man den See. Dann überfluten einen eine Menge Eindrücke auf einmal – des Meisters Büffel, die Gebäude, die Weite, die Himalayas am Rande, die einem den Atem nehmen – und man erkennt mit ehrfürchtiger Erregung, dass man tatsächlich da ist.

Es gibt keinen Zweifel, dass das Manav Kendra, wenn es fertig ist, eines der schönsten Plätze auf diesem Planeten sein wird. Schon jetzt, roh, unfertig und schmutzig, hat es die Fähigkeit, Herz, Gemüt und Seele auf eine Art zu ergreifen, wie es nur sehr wenige Orte vermögen.

Der See ist unglaublich. Kein Bild wird ihm gerecht. Wenn man an seinem südlichen Ende steht und hinüber zu den Bergen blickt, sieht es aus, als hätte Gott die Berge mit einer Hand errichtet und den See mit der anderen ausgeschaufelt. Der Innere Friede kommt von selbst, wenn man dort steht, vielleicht leichter als sonst wo – außer in der Gegenwart des Meisters.

Man sagte uns, dass der Meister beim Satsang im Januar in Delhi die Versammlung fragte, ob sie Seinen Geburtstag in Delhi oder im Manav Kendra zu feiern wünsche. Es wurde abgestimmt, und das Manav Kendra war der überwältigende Sieger. Es wurde angekündigt, dass kostenloser Busverkehr von Delhi für jeden, der hinreisen wollte, und wie immer, freie Kost und Unterkunft (meistens in riesigen Zelten) für jeden vorgesehen seien.

Am 4. Februar (zwei Tage vor dem Geburtstag) wurden überall Zelte errichtet – ein riesiges Zelt vor dem Hauptpodium, das als Schutz beim Satsang wie auch für die Unterbringung diente, Zelte auf dem rückwärtigen Feld, ein großes als Sawan-Ashram-Kantine, wo man Tee und Süßigkeiten kaufen konnte, wenn man wollte. Die Schüler kamen an, und die Besucher aus dem Westen (etwa ein Dutzend) zogen von ihrem Behelfsquartier im Hospital (es soll zum Geburtstag eingeweiht werden) zu einem Bungalow, ungefähr zehn Minuten vom Manav Kendra entfernt. Am Nachmittag des 4. Februar wurde der erste Satsang abgehalten: eine verhältnismäßig zwanglose Sache mit Swami Arvindananda als Gastredner.

An diesem Abend begann es dann zu regnen. Der Regen strömte in Gießbächen die ganze Nacht und am darauf folgenden Tag herab, was jedes Zelt zusammenbrechen und nutzlos werden ließ, das ganz Manav Kendra in einen See von Schlamm verwandelte und die Planungen für diesen Tag zunichte machte. Tausenden von Leuten wurde ihr vorübergehendes Heim buchstäblich fortgespült, und den ganzen 5. Februar über kam Bus auf Bus mit Pilgern durch den kalten Regen an, die zusammengerolltes Bettzeug und Bettdecken mitbrachten. Eifrig und erwartungsvoll wollten sie den Satsang besuchen – doch es gab keinen Platz für sie.

Was machte der Meister? Zuerst wurde jedes verfügbare Gebäude im Manav Kendra unabhängig von seinem gegenwärtigen Fertigungsstand gezwungenermaßen in Dienst genommen. Das Hospital, das gerade von den Leuten aus dem Westen verlassen worden war (sie hatten zu viert in einem Zimmer geschlafen), wurde in ein Gebäude mit Schlafräumen zurückverwandelt – mit zwanzig bis dreißig Schlafgelegenheiten in einem Raum. Das Gästehaus, das Altersheim für die Betagten, die Schlafräume für die Arbeiter und das Gebäude, in dem später der Meister wohnen wird, noch keines fertig, wurden alle nutzbar gemacht, und man sorgte dadurch für Tausende (obwohl der Platz pro Person beträchtlich weniger war, als die meisten aus dem Westen gerne gehabt hätten). Für den Rest bemühten sich der Meister und Sein Stab, die ohne Unterbrechung den ganzen Tag über arbeiteten, um genug Unterkünfte in Dehra Dun zu finden, um all die unterzubringen, für die bis dahin noch nicht gesorgt war.

Des Meisters Haltung war ein vollkommenes Beispiel Seiner Lehre. Abends beim Darshan, ruhig und unerschütterlich wie immer nach einen Tag, an dem er mit Problemen gerungen hatte, die einen jeden von uns begraben hätten, sagte der Meister mit seinem ansteckenden Lächeln:

Was haltet ihr von eurer Unterbringung jetzt?

Lachend:

Ist sie komfortabel?

In dieser Nacht hörte es auf zu regnen, und der nächste Morgen, der Geburtstag des Meisters, brach strahlend klar, kalt und schön an – die Berge spiegelten sich im See, und die Wolken schwebten, als ob sie lebten, über uns hinweg.

Der Meister sagte, dass der Darshan um 4 Uhr morgens dieses Jahr entfiele, und so blieben alle aus dem Westen in ihrem Bungalow. Aber die Ergebenen im Manav Kendra erhoben sich trotzdem um 4 Uhr, und der Meister kam wie gewöhnlich heraus und gab ihnen Seinen Darshan – so, als ob Er nichts anderes gesagt hätte.

Der Satsang am Morgen wurde am See abgehalten, weil der Bereich, der für Satsangs vorgesehen war, vollkommen durchweicht war. So wurde ein provisorisches Podium aufgebaut, und der Meister kam ungefähr um 8 Uhr herüber und setzte uns in Meditation. Was für eine schöne Meditation das war! Auf dem harten Boden sitzend, übertönt von dem noch immer anhaltenden Sturm, die Luft frisch, klar und kalt, und die Gnade des Meisters in uns. Für etwa 45 Minuten vergaßen wir die Außenwelt, und alle waren Innen vertieft.

Dann kam der Meister zurück, holte uns aus der Meditation heraus und begann mit dem Satsang. Mehrere Swamis und Yogis waren da und hielten Reden. Diese morgendliche Zusammenkunft war sehr schön und ungezwungen. Die Gastredner sprachen nicht zu lange, und einer von ihnen, Swami Ved Vyasananda aus Hardwar, war eine ausgesprochene Freude. Dieser Mann, ein Mahamandleshwar, dem 50 000 Sadhus anhängen, ist einer der wirklich bedeutenden Hindu-Führer und dennoch sehr demütig und ehrerbietig gegenüber dem Meister, und seine Rede war voll guter Laune und Heiterkeit. Tai Ji (Bibi Hardevi) erhob sich und sang eines von den schönen Liedern des Meisters. Bibi Lajo (Baba Sawan Singhs langjährige Haushälterin und Autorin des Sakayan) erschien überraschend und versuchte vergebens, dem Meister eine Girlande umzuhängen (Er nimmt von niemandem Girlanden an; in solchen Fällen nimmt er die Girlande gewöhnlich in Seine Hände und streift sie den Leuten über den Kopf, bevor sie merken, was Er tut). Des Meisters Sohn Darshan kam aus Delhi, er rezitierte eines oder zwei seiner preisgekrönten Gedichte in Urdu zum Lobe des Meisters. Es gab viele Gesänge, einschließlich einer schönen Hymne von Meisters Pretap Singh Ji, dem Musik-Meister oder Pathi; und der Satsang schloss nach ungefähr vier Stunden mit einem schönen, heiteren Vortrag des Meisters.

Während jeder sein Mahl aus der freien Küche zu sich nahm, rief mich Herr Sethi, einer von den Sekretären des Meisters, herüber. Ich möchte, dass sie ‚jemanden kennen lernen‘, sagte er. Er machte mich mit dem einfachsten, angenehmsten und ärmsten alten Mann bekannt. Er trug einen Turban, einen Dhoti und nur wenig mehr.

Herr Sethi sagte zu dem Mann etwas in Hindi, der daraufhin herüberkam und mich umarmte. Seine Umarmung war die eines Kindes, rein und zart – sehr zart, wie die von einem wirklich kleinen Kind. Als er wieder gegangen war, sagte Herr Sethi:

Dieser Mann hat die Form des Meisters die ganzen vierundzwanzig Stunden, Tag und Nacht, in sich. Er ist berechtigt, jenen Botschaften vom Meister und von Baba Sawan Singh zu übermitteln, die den Meister Innen nicht erreichen. Er ist ein sehr einfacher Mensch,

sagte er,

ein sehr einfacher Mensch. Bei seiner Initiation hatte er sehr hohe Erfahrungen, aber danach, als der Meister erklärte, dass er allen etwas Kapital gegeben habe, um damit anzufangen, erhob er sich und sagte: ‚Wo, Maharaj Ji? Ich sehe kein Geld.‘ So einfältig ist er!

Wir versammelten uns wieder zum Nachmittags-Satsang um 16 Uhr. Diesmal war die Menschenmenge viel größer (ungefähr 15 000 Menschen – etwa die Hälfte, die es in Delhi gewesen wäre). Die Redner saßen auf dem Hauptpodium, einem fest gefügten Gebäude mit einem Dach, und begrüßten die Versammlung. Die Menschen saßen auf dem allgemeinen Satsang-Gelände, der Boden war zwar noch nass, aber doch wieder benutzbar. Ehrengäste waren, zusätzlich zu den bereits genannten Swamis: Swami Govindananda vom Shahanshah Ashram in Dehra Dun; Maharaj Jagjit Singh, Vorsteher der Namdhari-Sikhs und alter Freund des Meisters, und mehrere Moslem-, Sikh- und Hindu-Führer, Laien wie Geistlichkeit. Als wir Platz nahmen, sang sich ein alter, sehr derber und zerlumpter Mann fast das Herz aus dem Leibe. Er sang über das Mikrophon und begleitete sich mit einem Tamburin. Des Meisters Podium steht nicht nur den sogenannten Führern offen, sondern auch den Anhängern, den unbekannten wie den bekannten, tatsächlich jedem, der etwas zu sagen hat.

Ungefähr nach dem halben Satsang verließen der Meister und Jagjit Singh und einige andere die Bühne für ein paar Minuten, um die freie homöopathische Ambulanz einzuweihen, die zum ersten Mal in Betrieb war.

Am folgenden Morgen gab der Meister Naam an (oder wie wir sagen würden, Er initiierte) ungefähr dreihundert Menschen. Von ihnen kamen ein bisschen weniger als die Hälfte Innen mit der Strahlenden Form des Meisters in Berührung, und ungefähr die Hälfte der anderen sah Innen starkes Sonennlicht. Einige von diesen lieben, lieben Menschen, unseren Brüdern und Schwestern, gingen einem sehr zu Herzen. Eine Frau saß da in aller Demut, die weder Augen noch Augenhöhlen hatte. Wie wir hörten, hatte sie sich bei einem Feuer entsetzlich verbrannt. Sie sah die Form des Gurus in sich. Ein junger Sikh, der so breit lachte, dass es aussah, als würde sein Gesicht auseinander fallen, sprudelte derart über von ursprünglicher Freude, dass er sich kaum beherrschen konnte; er nickte in ekstatischer Bejahung bei jedem Wort des Meisters. Einem jungen, demütigem Moslem-Aspiranten wurde das Sufi-Mantra gegeben, das heißt, die fünf Namen, die der Meister ihm gab, waren auf Persisch statt in Sanskrit. Sie stammen von den großen Sufi-Meistern (sie haben natürlich die gleiche Bedeutung). Der Meister ist die Verkörperung und lebendige Erfüllung der beiden großen esoterischen Linien und kann auf beide Arten initiieren.

Nach ein paar Tagen war die Menge wieder gegangen, und das Manav Kendra wurde so, wie ich es kenne, eine Stätte ruhiger, angestrengter Arbeit und sanfter Lieblichkeit. Man gewinnt viele Eindrücke, wenn man zur Abenddämmerung immer wieder um den See geht. Man bleibt stehen und wird gefangen gehalten durch die erlesene Schönheit und den Frieden. Man unternimmt einen Spaziergang um das Zentrum und begegnet unvermutet dem Meister (das ist nicht möglich in Delhi oder an den meisten anderen Stätten, wo immer so viele Menschen auf Ihn warten). Man sitzt in dem großen Raum der Bücherei, wo der Meister lange Darshans gibt, sitzt eine Stunde oder mehr zu Füßen unseres Vaters und spricht mit Ihm über die Dinge in der liebevollsten und der vorstellbar direktesten Art. O Meister! Eines Abends dankte Er jemandem für etwas, und Er sagte: Vielen Dank! Was kann ich mehr sagen? Auf Englisch sagt man ‚Thank you‘, wenn einem jemand eine Million Dollar oder einen Nagel vom Fußboden gibt. Was können wir sonst sagen? Dank Euch, weil Ihr uns das Leben gegeben habt. Dank Euch, weil Ihr es uns gegeben habt, o Meister! Wo sind die Worte?