Das Wahre und das Falsche

von Parrott

Als ich kürzlich mit meinem Freund plauderte, geschah es, dass ich den Lebenden Vollendeten Meister erwähnte, was sofort die Gegenfrage hervorrief:

Woher willst du wissen, dass es ein Vollendeter Meister ist?

Worauf ich erwiderte:

Woher willst du wissen, dass die Sonne scheint?

Und fuhr dann, ins einzelne gehend, auf diese Weise fort.

Das ist keine Ansichtssache. Meinungsverschiedenheiten sind zulässig, sie sind in der Tat das natürliche Ergebnis menschlichen Denkens über fast jeden Gegenstand unter der Sonne, ausgenommen einem: die Wahrheit. Die Wahrheit ist absolut, ohne Einschränkung:

Sie kann nicht verändert werden, sie ist gleichbedeutend mit Gott. Der Vollendete Meister ist die Verkörperung der Wahrheit, nicht weil ich oder irgendjemand sonst das glaubt, sondern weil Er dafür den klaren und fehlerlosen Beweis durch Seine Person, Sein Leben und durch Seine Ermahnungen, schriftlich und mündlich, erbringt.

Wenn an einem Meister in einer der folgenden, wesentlichen Eigenschaften kein Fehl gefunden werden kann, und wenn Er dazu den Weg zurück zu Gott durch das Wort oder den hörbaren Lebensstrom lehrt und aufzeigt, offenbart Er sich als Wahrheit, als Vollendeter Meister – und das ganze Sein eines Menschen antwortet darauf in freudvollem Erkennen.

  1. Demut: Er strahlt eine natürliche, angeborene Demut aus, die nicht erworben und ganz offenkundig ist, obgleich sie niemals bewusst geübt wird. Wie der Rose ihr Duft und die Farbe ihrer Blätter angeboren und nicht angenommen sind.

  1. Liebe: Er ist die Verkörperung der Liebe für alle lebenden Geschöpfe und die gesamte Menschheit, jenseits aller Unterschiede von Rasse, Farbe oder Glaubensbekenntnis.

  2. Reinheit: Göttlichkeit und Spiritualität fließen von Ihm aus und zeigen sich in jedem Seiner Gedanken, jedem Wort und jeder Tat. Seine Reinheit ist nicht das Ergebnis frommer Worte und religiöser Betätigung, sondern wiederum so natürlich wie das Spiegelbild auf der Oberfläche eines ruhigen Sees.

  3. Er ist der Gebende: Er ist immer der Gebende, niemals der Empfangende, und Er lebt von Seinen eigenen Mitteln und nicht von der Mildtätigkeit anderer. Die Spiritualität gibt Er frei; sie strömt von Ihm so natürlich aus, wie ein Fluss von seiner Quelle in den Bergen in die unten liegenden Täler hinabfließt.

  4. Die äußere Erscheinung: Er hat keine Besonderheiten in Seiner Kleidung, kein äußeres Kennzeichen, das zu besonderem Respekt verpflichtet. Er braucht es nicht, denn Seine bloße Gegenwart ruft im Betrachter instinktives Erkennen Seines Spirituellen Wesens hervor.

  5. Macht: Er vollbringt keine Wunder um Anhänger anzuziehen, obgleich alle Macht Sein ist; aber Er gebraucht Seine Macht immer im Einklang mit dem Göttlichen Willen, wie die Notwendigkeit sich ergeben mag, wobei Er jede Art von Öffentlichkeit oder Sensation vermeidet.

  6. Die Lehren: Seine Lehren sind in strenger Übereinstimmung mit jenen aller Großen Meister der Vergangenheit.

Unser Meister Sant Kirpal Singh ist der Inbegriff all der sieben Kriterien für einen Vollendeten Meister, aber es kann Ihm noch eine weitere, eine achte, bescheinigt werden.

Dieser letzte Beweis Seiner Spirituellen Erscheinung und Größe ist Seine krönende Zierde und die klare Augenscheinlichkeit Seines Status als Göttlicher Botschafter mit einem besonderen Auftrag von Gott, um die verkörperten Seelen aus ihren materiellen Gefängnissen zu befreien und sie zu Ihm zurückzuführen. Dies ist die Macht, die Augen und Ohren jener zu öffnen, die zu Ihm gehen, so dass sie das Licht Gottes sehen und die Stimme Gottes hören können, indem Er sie mit dem Shabd oder Wort oder der Himmlischen Musik verbindet – mit dem, was wir in christlichen Ländern den Heiligen Geist nennen – und den Geist wieder ins Haus des Vaters führt.

Diese Manifestation des Wortes ist es, die den Vollendeten Meister von Meistern jeder anderen Art unterscheidet. Keiner außer einem Vollendeten Meister hat die Autorität und Macht, diese wunderbare Arbeit durchzuführen.

Es gibt Meister jeder Art und jeden Grades in der Welt, Wahre und falsche, und einige mögen in der Lage sein, den Seelen bis zu einem bestimmten Grad zu helfen, entsprechend der Stufe, die sie selbst erreicht haben; aber sie können weder die Seelen von dem Rad befreien – dem endlosen Zyklus des Kommens und Gehens in diesen materiellen Ebenen – noch sie zum Höchsten führen, denn sie sind selbst nicht frei. Solche Meister und auch ihre Anhänger müssen im Kreislauf der Wiedergeburten bleiben, bis sie von einem Vollendeten Meister befreit werden.

All dies ist natürlich den Satsangis, die die Lehren unseres Meisters und Seiner Vorgänger studiert haben, wohl bekannt und der Leser mag mit Recht fragen, warum dieser Artikel geschrieben wurde.

Meine Absicht ist es, wobei ich später noch ein oder zwei Probleme behandeln möchte, Gefährten auf dem Weg anzuspornen und zu ermutigen, die nicht den Vorzug hatten, dem Meister zu begegnen, und die durch Umstände, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen, niemals diese Möglichkeit in dieser Welt haben mögen.

Die freudige Tatsache und der einmalige Umstand auf diesem Pfad ist der, dass, wenn es auch ein ungeheurer Segen ist, dem inkarnierten Meister zu begegnen, es den Spirituellen Fortschritt in keiner Weise ver- oder behindert, wenn man die Gelegenheit, Ihm zu begegnen, nicht hat, nachdem man initiiert worden ist. Es besteht sogar die Gefahr, dass das Zusammentreffen mit dem Meister zu einer Bequemlichkeit und Tendenz des Denkens führt, dass man zu weiterer Bemühung wenig angehalten sei.

Das außerordentlich ermutigende Versprechen in diesen Lehren besteht darin, dass sofern der Aspirant sein äußeres Leben ordnet und die Inneren Übungen, wie vorgeschrieben, genau ausführt, die Empfänglichkeit für die Ausstrahlung des Meisters mehr und mehr vollkommen wird, bis der Aspirant den Punkt erreicht, an dem er den Meister in Seiner Strahlenden Form auf den Inneren Ebenen trifft. Dies ist der Punkt, von dem erwartet wird, dass wir ihn alle mit der Gnade des Meisters erreichen. Verglichen mit diesem wunderbaren Ziel ist es von untergeordneter Bedeutung, ob wir dem Meister in Seiner physischen Form begegnet sind oder nicht.

Mitsatsangis werden sicher auch die merkwürdige Erfahrung gemacht haben, dass auch dann kein sofortiger Drang in einem Menschen ist, Schüler zu werden, wenn er auch solche Erklärungen wie diese anhört und dies mit einem sorgfältigen Studium der wunderbaren, vom Meister und Seinen Vorgängern geschriebenen Erläuterungen verbunden ist – selbst dann nicht, wenn viele Satsangis ihre eigenen Zeugenberichte hinzufügen und ihre Erfahrungen mit dem Meister beschreiben.

Die reine Lehre allein ist so vollkommen und beantwortet jedes intellektuelle Problem, dass man erwarten würde, dass sich jeder aufrichtig Suchende darauf stürzt. Die formalen Religionen und die Schar der schmarotzenden oder zersplitternden Gruppen wissen nichts von den Inneren Erfahrungen der Seele oder dem großen System der feineren, subtileren Welten, die von diesen aus nach oben führen – von der gröbsten materiellen Manifestation bis hin zu der Höchsten Region reinen Bewusstseins und dem Höchsten Herrn. Sie geben nur eine vage Hoffnung auf einen zukünftigen ‚Himmel‘, wie ihn die Bücher schildern. Keiner ihrer Lehrer hat irgendeine persönliche Erfahrung vom Jenseits.

Der Pfad der Meister – die große Hauptstraße zur Spiritualität – auf der zu führen der Lebende Meister bereit und willens ist, bietet etwas so unglaublich Wunderbares an, dass man natürlicherweise denken sollte, die ganze Welt würde diese Gelegenheit ergreifen. Warum tut sie es nicht? Hunderttausende haben es getan, aber bezogen auf die Weltbevölkerung ist das Echo gering. Viele sind berufen, doch auserwählt wohl wenige.

Die Antwort ist dreifach:

a) Der Meister hat wiederholt festgestellt, dass es jenen, die in diesem Leben zu Ihm kommen, vorherbestimmt ist,

b) dass es unser karmisches Schicksal oder unsere Bestimmung ist und

c) dass der Meister allein der ‚Ausführende‘ ist und jene zu Sich zieht, die Ihn suchen. So sind wir nicht die Ausführenden, denn es ist alles Sein Werk, und wenn Er uns als Mittler benutzt, um irgendeine Seele zu Ihm zu führen, so ist das ein Vorrecht, das uns für unseren Fortschritt gewährt wird, und nicht, weil Er uns braucht.

Somit sollten wir uns nicht entmutigt fühlen, wenn wir auf Widerstand oder Gleichgültigkeit stoßen, denn wenn die Zeit für solche Seelen noch nicht gekommen ist, dem Meister zu begegnen, gibt es nichts, was dies bewerkstelligen kann.

Am Anfang, gleich nach meiner Initiation im Jahre 1963, war ich sehr enttäuscht und betrübt, wenn mir von denen, die ich ansprach, nichts entgegenkam oder höchstens ein kleines Aufflackern von Interesse, das schnell erlosch. Der Meister berichtigte mich, und jetzt verstehe ich genug, so dass ich daneben stehe und nicht das Gefühl einer persönlichen Verantwortlichkeit oder eines ‚Bekehrungseifers‘ habe.

Ich nehme an, dass alle Satsangis diesem Problem schon begegnet sind. Es gibt noch andere, aber dies mag es wert sein, dass man darüber diskutiert, in der Hoffnung, dass uns der Austausch von Erfahrungen hilft.

In dem Merkblatt für die Initiation in den Sant Mat wird man aufgefordert,

zur Kenntnis zu nehmen, dass Praktiken, die meditative Atemübungen und Geistheilen (augenblickliches oder auf eine andere Art ausgeführtes) einschließen, vom Meister verboten sind, und dass alle anderen Formen der Meditation, die man vorher ausgeübt hat, nicht mehr fortgesetzt werden sollten.

Es ist erstaunlich festzustellen, dass einige Satsangis sich noch immer nach den früheren Praktiken sehnen, besonders nach spiritualistischen, mediumistischen und okkulten. Einige lesen noch Bücher, die von verschiedenen Vereinigungen oder Personen veröffentlicht werden, und fahren sogar fort, der einen oder anderen Richtung – manchmal selbst mehreren – die Treue zu bekunden, genauso wie dem Meister. Aber

Kein Knecht kann zwei Herren dienen. Wer nicht für mich ist, der ist wider mich,

sagte Jesus, Der offensichtlich unter Seinen Anhängern dieselbe Erscheinung antraf. Es wird vielleicht hilfreich sein, diese Frage etwas zusammengefasst zu analysieren:

  1. Was ist Sant Mat oder Pfad der Meister? Es ist ein königlicher Weg zurück zu Gott, unserem Vater. Er ist der Wahre Höhenweg der Spiritualität und reicht zurück zum Anbeginn der Menschheit. Er wurde vom Schöpfer Selbst entworfen.

  2. Entlang dieser großen Straße gibt es Seitenwege, Sackgassen, Nebenstraßen, Landstraßen von unermesslicher Länge, die sich in einem weiten Dschungel verlieren; zweitrangige Straßen, die zu Schauplätzen großer Schönheit leiten, bedeutende Straßen, die zu wunderbaren Bereichen führen. Ohne den Vollendeten Meister sind die Pilgerseelen auf diesen verlockenden Irrwegen verloren.

  3. Der positive Pol der Schöpfung liegt in den Bereichen von Sach Khand (der fünften Inneren Ebene) aufwärts, und es geschieht von hier aus, dass der Vollendete Meister herabsteigt und in den Regionen der negativen Verkörperung (den kausalen, astralen und physischen) wirkt.

  4. Die Aufgabe des Meisters oder Seiner Mission ist es, die Seelen zur Höchsten Region zu bringen, und die ganze Wissenschaft der Meister ist daraufhin angelegt.

  5. Daraus folgt, dass wir uns dieser Sache ganz hingeben müssen, wenn wir Erfolg haben wollen. Wie können wir annehmen, dass dieses wunderbare Ziel so leicht zu erreichen ist, dass wir es uns leisten können, Zeit und Energie für irgendeine andere Richtung zu verschwenden?

  6. Die oben erwähnten Irrwege mögen eine Menge Gutes in sich haben und führen in seltenen Fällen die Seelen zu recht entwickelten Zuständen, wo sie sich einbilden, dass sie das Ziel erreicht haben. Aber die Meister, die es wissen, da Sie höher gegangen sind, stellen kategorisch fest, dass sie sich nur innerhalb der Sphäre der negativen Kraft befinden. Der einzige Weg zum Höchsten ist der des Tonstromes oder von Shabd. Wenn wir Wasser brauchen, nehmen wir dann ein Sieb zur Quelle mit?

  7. Es ist wahr, dass der Meister sagt, man solle bei dem Glauben bleiben, dem man angehöre und es keine Notwendigkeit gäbe, die Religion zu wechseln. Das bedeutet jedoch, wenn man eine Religion ernsthaft ausübt, man automatisch den Punkt des Inneren Aufstieges erreicht, wo einen der Meister ohne jeden Konflikt übernimmt.

Der Meister könnte Millionen von nominellen Anhängern haben, wie das viele Religionen für sich in Anspruch nehmen, aber Er würde lieber fünfhundert (oder fünf) wirklich ernsthafte und echte Schüler haben. Ist dies nicht der Kummer mit unserer Welt heutzutage – der Graben zwischen Bekenntnis und Ausführung – zwischen Worten und Taten? So ist die Folgerung aus dieser Angelegenheit: Wenn wir ernsthaft und treu der Wahrheit ergeben sind und nach Erfolg auf diesem königlichen Weg verlangen, müssen wir uns dieser Suche völlig hingeben. Bekanntschaft mit verschiedenen Spirituellen Kulten in der Welt und eine Grundkenntnis der zahllosen vorhandenen Bücher mag nützlich im Umgang mit den Leuten sein; aber davon angezogen zu werden oder in ihnen aufzugehen heißt, die Kräfte der Seele zu zerstreuen, die auf das Wahre Ziel konzentriert werden sollten.

Der Meister gibt uns einen Maßstab, mit dem wir diese faszinierenden, intellektuellen Seitenwege beurteilen können. Sie sind so klug konstruiert, dass sie dem Hauptweg sehr ähnlich sehen oder Abkürzungen versprechen. Doch lassen wir uns nicht täuschen und riskieren wir nicht, dass wir unseren Weg in den Wäldern des Zweifels und den Dschungeln der intellektuellen Verlockung verlieren, in die sie uns führen.

Wir sollten dem Studium der Bücher und Lehren des Meisters höchsten Vorrang geben und uns nicht zu Betätigungen verführen und verlocken lassen, die unseren Fortschritt behindern. Falschgeld ist sehr schwer zu unterscheiden, aber

an den Früchten sollt ihr sie erkennen.

Und die einfache Probe besteht darin, innezuhalten, wenn wir in solche Dinge verwickelt sind und zu fragen: ‚Wohin führen sie?‘ Wenn wir nach vielen Jahren oder gar einem langen Leben des Studiums einiger religiöser Kulte herausfinden, dass ihre Priesterschaft nur Buchwissen und theoretische Bekanntschaft mit orientalischen Lehren besitzt, dann wäre es töricht, weiter wertvolle Zeit und Anstrengung zu verschwenden, indem wir uns mit intellektuellen Spekulationen befassen, die uns nirgendwohin führen.