Kirpal Singh

Eine Erklärung der Spirituellen Revolution

Diese außergewöhnliche Ansprache des Meisters beendete den Abendsatsang im Vigyan Bhavan am 7. Februar 1973 und fasste das Wesentliche noch einmal zusammen.

Ich werde eure Zeit jetzt nicht lange in Anspruch nehmen. Es findet heutzutage eine Umwälzung, eine Revolution, in der Welt und in jedem einzelnen Land statt. Sie hat jedoch noch nicht ihr Ziel erreicht – dass der Mensch ein Wahrer Mensch werden sollte. Wenn ein Mensch ein Mensch in der wahren Bedeutung des Wortes wird, kann er ganz alleine die Welt erschüttern. Archimedes, der das Gesetz der Schwerkraft entdeckte, hätte gerne das Zentrum der Schwerkraft des Universums erreicht, um die Welt aus den Angeln zu heben, aber er konnte es nicht finden.

Chaitanya Mahaprabhu kam nach Bengalen. Sein Gesang lautete 'Hari Bole', das heißt 'Sprich Hari (Gott)'. Er hatte Hari oder Gott im Innern erkannt; aus Seinem ganzen Körper kam die Ausstrahlung von Hari, und auf Seinen Lippen war der Gesang 'Hari bole'. Er kam aus der Überfülle Seines Herzens, das von Liebe zu Hari überströmte. Er ging zu einem Waschplatz und sagte zu einem der dortigen Wäscher: Hari bole. Der Wäscher blieb still. Wieder sagte Er: Hari bole. Der Wäscher dachte, es sei ein Bettler, der um Almosen bat, und blieb ruhig. Chaitanya wiederholte Seinen Gesang: Hari bole. Der Wäscher sagte: Ich werde es nicht sagen. Chaitanya erwiderte: Du musst es sagen. Der Wäscher dachte: Dieser Mann wird mich nicht in Ruhe lassen und sagte daher: Hari bole. Als Chaitanya die Worte Hari bole äußerte, waren sie mit der Kraft der Inneren Verwirklichung geladen; daher ließ der Wäscher seine Arbeit ruhen und nahm den nicht endenden Gesang auf: Hari bole, Hari bole, Hari bole. Seine Kameraden fragten ihn: Was ist mit dir, Bruder? - Hari bole, Hari bole, so ging der unaufhörliche Gesang weiter, und als dies die anderen Wäscher hörten, begannen auch sie zu singen: Hari bole, Hari bole.

Wisst ihr, was der Hintergrund von all dem ist? Seid ein Beispiel dessen, was ihr verkündet. Euer Leben sollte Strahlen idealen Menschseins aussenden. Die Menschen, die mit euch in Berührung kommen, sollten die Ausstrahlung spüren. Aber zunächst müsst ihr Wahre Menschen im eigentlichen Sinne des Wortes werden. Wenn ihr erst einmal einige Schritte in diese Richtung hin unternehmt, werdet ihr entdecken, dass ihr unbegrenzte Möglichkeiten, euch zum Menschen heranzubilden, habt. Die heutige Revolution ist eine der Welt, nicht eine des Menschen. Wenn ihr Wahre Liebe in eurem Herzen habt und wenn euer Ziel wahrhaftig ist, werdet ihr eben diese Ausstrahlung haben. Ihr könnt dann vor einer Versammlung von Tausenden Zuhörern eine Rede halten, sie werden alle mit euch übereinstimmen.

Die Menschen sind heute an den Religionen interessiert; jeder hält sich an seine eigene religiöse Gemeinschaft. Alle Religionen beinhalten die gleichen Lehren. Aber wir leben nicht gemäß diesen Lehren und daher haben sie wenig Einfluss auf uns. Wenn wir aus ehrlichem Herzen sprechen, ist eine Ausstrahlung vorhanden und sie wird auf andere wirken. Es ist eine Frage der Aufladung. Die Worte mögen die gleichen sein, wie sie von anderen benutzt werden, aber sie sind aufgeladen und tragen eine Kraft in sich. Bevor wir nicht nach dem leben, was wir verkünden, werden unsere Worte keine Wirkung auf andere haben. Wo stehen wir wirklich trotz all der Vorträge, Schriftlesungen, Versammlungen und sozialen Einrichtungen und der Ermahnungen von Gelehrten, dass der Mensch ein Wahrer Mensch werden sollte? Wie viele ideale Menschen haben wir bisher hervorgebracht? Während meiner Reise in die westliche Welt hielt ich eine Ansprache, in der ich sagte, es müsse eine Revolution gegen unsere fehlerhaften Gedanken und Taten stattfinden – eine Spirituelle Revolution.

Liebe Brüder, alles, was ihr heute gehört habt, ist euch so schön dargelegt worden. Fühlen wir auch die innere Notwendigkeit dafür? Wenn ja, so sollten wir in diesem Augenblick mit der Verwirklichung beginnen. Wenn wir es tun würden, würden wir sicherlich ein Mensch, ein Wahrer Mensch, werden, und all jene, die mit uns in Berührung kommen, würden durch uns beeinflusst werden. Ein paar Worte von solch einem Menschen haben eine größere Wirkung als langatmige Vorträge. Gandhi Ji und andere wie er, die nach ihrem Ideal lebten, übten mit ihren normalen Worten großen Einfluss auf ihre Zuhörer aus. Heutzutage haben unsere Worte keine Wirkung. Wir halten Lesungen aus den Schriften und sprechen sehr gelehrt, aber ohne Wirkung. Was steckte denn in den Worten 'Hari bole'? Sie enthielten eine Ausstrahlung, eine geladene Kraft der Verwirklichung. Alle, die hier versammelt sind, können Botschafter der Wahrheit werden; es ist nicht so schwierig, das zu werden. Das Zentrum der Schwerkraft liegt in euch, ihr müsst es nur erwecken. Und das wird geschehen, wenn zwischen unseren Gedanken, Worten und Taten kein Gegensatz besteht: Wenn wir nicht das eine verkünden und das andere tun. Wir verkünden erhabene Ideale von Kanzeln und Podien, aber handeln persönlich ganz anders, wir geben denselben Fehlern nach, die wir öffentlich so beredt verurteilen, wie Verleumdung, Feindschaft, Hass und Engherzigkeit. Das Herz spricht zum Herzen; Worte, die aus der Tiefe des Herzens gesprochen werden, bewegen das Herz des Zuhörers.

Um alles noch einmal kurz zusammenzufassen: Wenn wir wollen, dass alle Menschen zu Menschen im wahren Sinne des Wortes werden, sollten wir bei uns selbst beginnen. Wir sollten erst Menschen werden. Was ist ein idealer Mensch? Er ist eine Verkörperung der Liebe; er hat sich selbst und Gott verwirklicht; er sieht das Licht Gottes jeder Gestalt innewohnen. Wer jenes Licht in allen offenbart sieht, hat natürlich Liebe und Achtung für einen jeden; er möchte allen dienen; er wird niemanden betrügen oder ausbeuten.

Ich erwähnte gerade die Notwendigkeit einer Spirituellen Revolution, um diese Änderung zu bewirken; und diese Revolution kann nur durch einen Menschen der Verwirklichung zustande kommen. Lebt das Leben. Es gibt genug Nahrung zum Nachdenken; wir lesen so viele Bücher, hören so viele Vorträge, aber wie viele Wahre Menschen gibt es? Je mehr solch reine Menschen, Wahre Menschen, wir haben, umso größer wird unsere Wirkung auf die Leute sein.

Das wenige, das ich gelernt habe, indem ich zu Füßen meines Meisters Hazur Baba Sawan Singh Ji Maharaj saß, möchte ich euch weitergeben. Er liebte alle, auch Atheisten. Als Er einst ein Amt in den Murree-Bergen inne hatte, kam ein Atheist dorthin, der an Tuberkulose litt und dem die Ärzte einen Aufenthalt in den Bergen angeraten hatten. Er klopfte an jede Tür mit der Bitte um eine Unterkunft, aber alle blieben geschlossen. Keiner wollte ihn aufnehmen, zunächst einmal wegen der sehr ansteckenden Krankheit, an der er litt, und außerdem, weil er nicht an Gott glaubte. Er kam auch zum Haus von Hazur Maharaj Ji, Der gerade im Dienst war. Er bat den Haushälter um Unterkunft, wurde aber abgewiesen. Es ergab sich, dass Hazur Maharaj Ji eben in diesem Augenblick nach Hause kam und sah, dass der Mann abgewiesen wurde. Er erkundigte sich bei dem Haushälter nach den Umständen und erfuhr, dass es ein Tuberkulosekranker sei, der um Unterkunft bitten würde, den niemand aufnehmen wollte. Und was hast du gesagt?, erkundigte sich Hazur. Ich habe ihn auch fortgewiesen, denn er ist ein Atheist, antwortete der Haushälter. Hazur Maharaj sagte zu ihm: Dieser Mann mag nicht wissen, dass Gott in ihm wohnt, aber wir wissen es, ist es nicht so? Bitte gib ihm Unterkunft.

Die Worte eines Menschen der Verwirklichung üben auf andere einen Eindruck aus, das kommt durch die Ausstrahlung. Es ist nicht nötig zu sprechen, alles geschieht durch Ausstrahlung. Ihr habt so viel über mich gesagt; aber ich muss erst noch ein Vollkommener Mensch werden. Ich habe erst ein paar Schritte in diese Richtung unternommen; und die ganze Ehre für das wenige Verständnis, das ich durch die Gnade Gottes und durch die Gnade von Hazur Maharaj Ji erlangt habe, und für die Möglichkeit, jenen Idealen nachzuleben, gebührt meinem Meister. Wenn ihr irgendetwas Gutes in mir findet, dann ist auch das Seiner Gnade zuzuschreiben.

Es ist nichts Neues, was ich euch sage. Erforderlich ist das Leben, das hinter solchen Worten steckte wie bei 'Hari bole' von Chaitanya. Guru Nanak pflegte in Samadhi zu gehen, indem Er die Worte 'Sat Kartar' wiederholte. Es liegt an der Einheit von Denken und Tun. Es sollte kein Widerspruch zwischen Rede und Tat, zwischen dem alltäglichen Tun und den öffentlichen Erklärungen geben. Wenn ihr also wirklich leben wollt, solltet ihr zunächst Wahre Menschen werden und euer eigenes Haus in Ordnung bringen, bevor ihr darangeht, andere zu ändern. Wenn ihr einen Schritt vorwärts macht und eure Absicht dabei aufrichtig ist, wird Gott euch tausend Hände reichen, um euch auf eurem Weg zu helfen. Ich danke euch allen, dass ihr mir so viel von eurer Zeit gegeben habt und dass ihr mir die Gelegenheit gabt, wieder zu euch zu sprechen.

Dies ist der Weg, um euer Ziel, ein wirklicher Mensch zu werden, erfolgreich zu verwirklichen. Im Westen war es genau das, was die Menschen anzog: Ausstrahlung durch die Handlung – das heißt ein Leben gemäß den Vorschriften. Es sind die gleichen uralten Lehren. Es ist nichts Neues in dem, was euch gesagt wird. Verdaut es. Nahrung, die gut verdaut ist, verleiht einem Kraft; unverdaute Nahrung wird erbrochen oder sie fault und verursacht Krankheiten. All diese Frömmelei und Engherzigkeit, diese Selbstsucht und gegenseitige Ausbeuterei kommt daher, dass wir nicht tun, was wir sagen und verkünden. Wir sagen etwas und tun es doch nicht.

Mit diesen Worten danke ich euch noch einmal. Diese großen Männer hier, die heute Abend zu euch sprachen, haben euch diese Dinge so schön dargelegt. Sie möchten gern, dass ihr danach lebt. Jeder Mensch sollte für sich selbst ein Zentrum werden. Er sollte sich physisch, intellektuell und spirituell entwickeln und das letzte Ziel erreichen: in das Absolute eintauchen, von wo er kam. Ich wünsche, dass alle, die hier versammelt sind, Botschafter der Wahrheit werden – erkennt zuerst euch selbst und dann erkennt Gott und ändert andere durch eure Ausstrahlung. Ich danke euch.