Des Meisters Geburtstag 1973

Karen Proctor teilt mit uns ihre lebendige Beschreibung der Feierlichkeiten, die vor Kurzem stattgefunden haben.

Veränderungen gingen vor sich im Sawan Ashram, als die Tage der Feierlichkeiten näher kamen. Fünfzig bis sechzig Frauen saßen da und säuberten Weizen – die Grundlage für die Tausenden von Chapatis, die in den nächsten Tagen gebraucht würden. Schreiner waren dabei, neue Bettgestelle zu zimmern; andere trugen große Mengen von Ziegelsteinen auf dem Kopf, um Mauern um die vielen Waschgelegenheiten zu errichten, die eben installiert worden waren. Überall wurde gearbeitet, um für die Unterkunft und Verpflegung für so viele Tausende ergebene Seelen zu sorgen. Das erhabene Ereignis des 80. Geburtstages1 unseres Meisters und der 25. Jahrestag Seiner Mission hier auf Erden als Sant Satguru oder der Wahre Meister kam rasch näher.

Ab dem 3. Februar setzte der Zustrom der Menschen ein. Sie kamen aus ganz Indien, Europa und den Staaten. Viele Ergebene aus dem Westen waren bereits im Ashram; sie waren früher gekommen, um den wunderbaren Darshan des Meisters länger zu haben.

Den ganzen folgenden Tag und die ganze Nacht strömten die Menschen herbei. Im Hofraum waren große Zelte aufgestellt worden, und die noch nicht fertige Satsang-Halle, die eines Tages bis zu 3000 Menschen aufnehmen wird, war mit farbigen Vorhängen umhängt und auf der ganzen Bodenfläche war Stroh ausgebreitet worden. Dieses Gebäude ist bereits überdacht dank der Gnade des Meisters und der selbstlosen Bemühung der ortsansässigen Satsangis, die Tag und Nacht gearbeitet hatten, damit die Lieben während ihres kurzen Aufenthaltes beim Meister einen geschützten Platz zum Schlafen haben würden. Wie sich dann herausstellte, war das Wetter sehr schön; die Tage licht und warm und die Nächte milder als gewöhnlich. Aber der Meister lässt es bei Seinen Lieben nicht darauf ankommen. Er sorgt so gut für uns alle.

Am Ende des 5. Februar waren nahezu 50 000 Menschen eingetroffen. Es war einfach unglaublich! Eine riesige Kantine war außerhalb des Ashramgeländes aufgestellt worden; es gab auch eine freie Apotheke und Verkaufsstände mit Bildern des Meisters und Baba Sawan Singhs. Die Mahlzeiten wurden im Ashram selbst ausgeteilt, wirklich ein sehenswerter Anblick. Man stelle sich den Platzwechsel von 10 000 Menschen vor, die in Reihen auf langen, auf dem Boden ausgebreiteten Matten sitzen und köstliche Speisen aus Gemüse, Linsen und Chapatis bekommen, auf aus Blättern gefertigten Tellern serviert. Es wurde die ganze Zeit über ausgeteilt. Keiner ging hungrig weg und jeder bekam ein zweites Mal oder öfter, wenn er es wollte. Ich half mit, diesen wunderbaren Menschen Chapatis zu reichen und erfreute mich wirklich dieses kleinen persönlichen Kontaktes. Natürlich konnten wir nicht miteinander sprechen, außer was die Anzahl der Chapatis betrag, die sie wollten – ek oder do (eins oder zwei) –, weil dies mein ganzer Sprachschatz in Hindi ist. Aber die Liebe war überall und leuchtete auf den Gesichtern eines jeden. Gelegentlich kam jemand zu mir, der etwas Englisch sprach und sagte:

Hallo Schwester, wir freuen uns, dich hier zu sehen!

Und die volle Bedeutung der Worte des Meisters ‚Wir sind alle Brüder und Schwestern in Gott,‘ wurde mir klar.

Der erste große Satsang begann um etwa 9 Uhr. Ein alter Freund des Meisters, Pandit Parmanand, der jetzt für das Erziehungswesen im Manav Kendra verantwortlich ist, sprach lange über die Notwendigkeit von Missionaren, um die Welt vor der Selbstzerstörung zu bewahren. Er sagte, es reiche nicht aus, dies nur halb durchzuführen. Es heißt, dass er wegen seines Befreiungskampfes 32 Jahre im Gefängnis war, ehe Indien seine Unabhängigkeit erlangte. Er sagte, dass die Notwendigkeit jetzt sogar noch größer sei, da wir eine Spirituelle Revolution in Gang bringen müssten. Am Ende seiner Rede fragte der Meister, wie viele von uns bereit wären, Missionare zu werden. Die meisten Zuhörer hoben ihre Hände in stiller Zustimmung der ernsten Aufgabe, die vor uns liegt.

Am Abend wurde ein weiterer Satsang abgehalten, diesmal in einem Park, den man in einigen Minuten vom Ashram aus zu Fuß erreichte. Dort sprachen Dutzende von Rednern; alle waren glühende Verehrer des Meisters. Unglücklicherweise waren wir, die nur Englisch sprachen, nicht fähig, sie zu verstehen; aber wir waren dennoch beeindruckt von ihrer Haltung und der Leichtigkeit, mit der sie durch des Meisters Gnade sprachen. Einige sangen schöne Hymnen aus den Sikh- und Hinduschriften. Die Liebe und Hingabe, die jeder für seinen Meister empfand, konnte trotz der Sprachschranke übermittelt werden.

Die Begebenheit, die mich am meisten berührte, ereignete sich am Tag des Geburtstages unseres Geliebten, frühmorgens um 4 Uhr. Die Lieben versammelten sich im Hofraum vor des Meisters Haus, um liebevolle Hymnen der Verehrung zu singen. Alles war geschmückt mit langen Girlanden aus wunderschön gesteckten Blumen. Das Singen dauerte etwa eine Stunde. Es war so bezaubernd, dass ich es nie vergessen werde. Als Antwort auf unsere große Bitte kam schließlich der Meister heraus. Er war von Seinem Sohn Darshan Singh begleitet, der einige Worte sagte. Dann beehrte uns der Meister mit Seinen Worten. Es war ein Hauch von Ernst bei Ihm wahrzunehmen und in Seiner Botschaft war etwas Drängendes. Er sagte, dass unser Wahrer Geburtstag dann ist, wenn wir das Körperbewusstsein übersteigen, und dann wird Er wahrlich feiern.

Indem Er Christus zitierte, sagte Er:

Dieweil ich bin in der Welt, bin ich das Licht der Welt,

und betonte nachdrücklich, dass wir arbeiten müssen, solange noch Tag ist, und dass niemand arbeiten kann, wenn die Nacht hereinbricht.

Weinend kehrten wir in unseren Raum zurück, um über die Botschaft des Meisters nachzudenken und um noch etwas zu ruhen, ehe sich die Betriebsamkeit des Tages fortsetzte.

Wieder wurde der Satsang im Park abgehalten, da es für den Ashram zu viele Menschen waren. Zeltüberdachungen waren aufgestellt worden und ein großes Podium, um dort all die bedeutenden Redner unterzubringen. Spirituelle Führer aus ganz Indien, die verschiedene Religionen und Gemeinschaften repräsentierten, waren gekommen, um dem Einen Anerkennung zu zollen, Der so viel getan hat, um die Menschheit zu vereinigen, und Der so vielen die Wahre Spiritualität brachte.

Ein Redner nach dem anderen sprach ins Mikrofon und jeder rühmte den Meister. Beim Abend-Satsang nahmen wieder Oberhäupter der verschiedenen Religionen teil. Die Größe des Meisters ist allbekannt und das Wissen darum weit verbreitet; und alle hatten den Wunsch, Ihn als das lebende Symbol des Lichts und der Liebe anzuerkennen.

So eindrucksvoll die Reden auch waren, muss ich sagen, dass für mich der erfreulichste und nützlichste Teil der war, den Darshan des Meisters so lange zu haben. Wir westlichen Schüler hatten das Vorrecht, ganz nahe am Podium zu sitzen. Welch ein Segen, Seine gnadenvollen Blicke so lange zu empfangen!

Am nächsten Tag, dem 7. Februar, war der Jahrestag der Gründung des Manav Kendra, und eine andere große Zusammenkunft wurde zu Ehren des Meisters abgehalten; diesmal in einer großen Halle, im Vigyan Bhavan oder ‚einem Ort für Ansprachen‘. Dort wurde dem Meister von Raja Mahendra Pratap Ji die Abhinandan Patra überreicht, eine Botschaft der Anerkennung, Ergebenheit und Ehrerbietung im Namen der Oberhäupter der verschiedenen Glaubensrichtungen, der Regierung und sozialer Organisationen sowie von Tausenden ergebener Anhänger. Es waren etwa zwanzig Redner, die den Meister ehrten, dass Er solche wunderbaren Institutionen geschaffen hat, wie den Ruhani Satsang und den Manav Kendra, zum Nutzen und Dienst an der Menschheit – für die Heranbildung zum Menschen, wie es der Meister nennt. Verschiedene Gruppen und auch einzelne sangen mit schönen, ätherischen Stimmen, einschließlich Tai Ji (Bibi Hardevi), deren liebliche und hingebungsvolle Lieder außergewöhnlich schön sind. Jeder, der auf dem Podium war, beschenkte Ihn mit einer Blumengirlande und versuchte, sie um Seinen geliebten Hals zu legen, aber jedes Mal verhinderte es der Meister in Seiner gewohnten demütigen Art und legte sie um den Hals dessen, der sie überreichte. Diese Versammlung dauerte sehr lange – etwa vier Stunden. Wir aus dem Westen fühlten uns bevorzugt, zu solch einem bedeutenden und bewegenden Ereignis eingeladen worden zu sein.

Am nächsten Tag wurde eine Initiation abgehalten, bei der 1000 Personen initiiert wurden! Fast jeder sah Licht, und den wenigen, die keine Erfahrung hatten, wurde vom Meister noch eine besondere Meditationssitzung gewährt. Es war erstaunlich, wie Er bei so vielen Menschen jedem Beachtung schenken konnte.

Unser geliebter Meister war diesmal recht abgespannt. Der Tagesablauf war hektisch und Er war gesundheitlich nicht auf der Höhe, aber die Lieben verlangten nach dem Darshan, und persönliche Gespräche wurden niemals abgesagt, mochte es Tag oder Nacht sein. Man erlebte, wie der Meister Seinen liebevollen Rat und Seine Segnungen noch nach Mitternacht gab. Seine gänzliche Selbstlosigkeit wurde nun mehr denn je vielen offenbar, sodass man die Bedeutung des Wortes ‚Heiliger‘ voll verstehen konnte.

Mit jeder Seele, die Er initiiert, nimmt der Meister mehr Karma auf Sich und leidet mehr und mehr für uns. Und dennoch sagt Er niemals nein, sondern ermutigt selbst die Sündhaftesten von uns, den Pfad zu gehen. Wenn wir unseren Meister lieben, dann müssen wir um Seinetwillen versuchen, uns zu läutern, um Seine Leiden zu verringern, wie auch für unsere Erlösung. In fast allen Seinen Ansprachen, die Er während der Feierlichkeiten hielt, war der Hauptpunkt Seiner Botschaft:

Ihr müsst euch über das Körperbewusstsein erheben – eure Tage sind gezählt.

Aller Dienst, den ihr dem Anschein nach anderen tut, ist für euch selbst. Mit dieser Einstellung werdet ihr einen Zustand der Selbstlosigkeit entwickeln.

Kirpal Singh

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Fußnote: 1) Der Leser wird bemerken, dass des Meisters kürzlicher Geburtstag als Sein ‚Achtzigster‘ gefeiert wurde; dies ist durch die orientalische Rechnungsart bedingt, bei der der tatsächliche Tag der Geburt als erster Geburtstag gezählt wird. Der Meister wurde 1894 geboren, folglich war Er am 6. Februar 1973 neunundsiebzig Jahre alt.