Die moderne Erziehung in der Praxis

von Kent Bicknell

Des Meisters Ansprache bei der feierlichen Eröffnung des Erziehungsprojektes des Manav Kendra lässt keinen Zweifel daran, dass Spiritualität eine Notwendigkeit bei der Erziehung ist. Auf das Christentum Bezug nehmend sagte der Meister, dass eine Schule ohne Spirituelle Grundlage sinnlos ist. Das Manav Kendra-System bringt eine völlig neue Auffassung von ganzheitlicher Erziehung und sittlicher Lebensweise. Es stimmt überein mit der Ethik der Spiritualität, die der tatsächlichen Verwirklichung menschlicher Einheit gewidmet ist. Das moderne Erziehungssystem von heute ist unzureichend, da es den Menschen in hohem Maße ichbezogen und spirituell wie sozial unfähig macht.

In einer unlängst gehaltenen Rede forderte der Meister zu einer Spirituellen Revolution auf, damit wirklicher Friede in die Welt komme. Solch eine Revolution kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Völker allgemein das rechte Verständnis aufbringen. Dieses führt dann zu rechtem Denken, rechtem Reden und rechtem Handeln. Der erste Schritt des rechten Verstehens ist die Anerkennung eines Weltenschöpfers, einer alles überwachenden Kraft, welche die ganze Schöpfung durchdringt. Die Erkenntnis, dass das gesamte Universum eine Einheit ist und alle Menschen eine Gemeinschaft bilden, gilt als Wahres Wissen im Manav Kendra-Erziehungssystem. Selbstloses Dienen wird als edelstes Ergebnis solchen Wissens hervorgehoben.

Die jungen Leute sollten […] das schöpferische Ideal bejahen, das die gesamte Menschheit als Einheit ansieht und Dienen als Ergebnis aller Erkenntnis.

Der Meister als Verkörperung des schöpferischen Ideals enthüllt viel in Seinem Leben. Als Er auf Seiner zweiten Weltreise 1963 in Vancouver war, erfuhr Er, dass Anhänger einer bestimmten religiösen Gruppe, den Duchoborzen – seit Langem wegen ihrer religiösen Haltung aus Russland Emigrierte –, von der Regierung ins Gefängnis geworfen worden waren, weil sie sich weigerten, ihre Kinder in die öffentlichen Schulen zu schicken. Die Duchoborzen, eine Spirituelle Gruppe, vertraut mit der Existenz des Inneren Lichts, beharren unnachgiebig darauf, dass ihre Kinder eine spirituell orientierte Erziehung erhalten. Als der Meister von ihrer misslichen Lage erfuhr, machte Er Sich nicht nur zum Fürsprecher für sie bei der Regierung, sondern steuerte auch noch zweihundert Dollar aus eigener Tasche für ihre Sache bei. Später beschrieb Er dieses Vorkommnis einer kleinen Gruppe von Schülern in Washington D. C.:

In Kanada erlebte ich jetzt eine sehr unangenehme Sache. Da waren Leute […], die es nicht für gut halten, ihre Kinder in die herkömmlichen Schulen zu schicken. Sie sagen: ‚Wir wollen diese Erziehung nicht […] wir wollen unsere Kinder in Obhut behalten, ihnen unsere eigenen Lehren vermitteln: Ehelosigkeit, Keuschheit, ein gutes Leben.‘ Die Regierung war dagegen, man warf sie ins Gefängnis. Es gab einen Hungerstreik […] Wir legten Fürsprache ein […] Wir riefen den Premierminister an, er kam […] und wir schlichteten. ‚Lasst sie ihre eigenen Schulen haben, ihre eigenen Lehrer. Warum nötigt ihr sie zu einem Tun, das nicht moralisch ist?‘

Was sind denn die Schulen heutzutage? Ihre Lehrer sind nicht tugendhaft, das möchte ich Ihnen sagen. Einige Kinder sind zu Hause verdorben worden, die übrigen auf der Straße und weiter in den Schulen. Unser ganzes Erziehungssystem ist verkehrt, sage ich Ihnen.

Wie sollten die Schulen dann sein, wenn das ganze System falsch ist? Der Meister hebt die Wichtigkeit der richtigen Atmosphäre hervor:

Die Schule sollte ein Heim von Lehrern und Schülern sein, die in ihren Studien, auf den Spielplätzen und in ihrem täglichen Leben die Tugenden der Demut und Bescheidenheit pflegen.

Die Haltung sowohl der Lehrer als auch der Schüler ist ein wesentlicher Faktor, die rechte Atmosphäre aufrechtzuerhalten. Der Meister erinnert Sich an Seine eigene Haltung einem früheren Lehrer gegenüber und an das Verhalten des Lehrers gegenüber seinen Schülern:

Heutzutage werden die meisten Lehrer einfach bezahlt, aber als ich als Kind die Schule besuchte, waren das Menschen, die sich der menschlichen Natur in den Kindern widmeten. War ein Kind vielversprechend, dann war dem Lehrer die Vergütung gleichgültig, er ließ es in seine Wohnung zur weiteren Belehrung kommen. Wir gingen oft in unseres Lehrers Haus. Er hatte darin keine Wasserleitung und so holten wir ihm Wasser in Eimern. Auch andere Arbeiten verrichteten wir im Haus, rein aus Liebe zu ihm. Er liebte uns und lehrte uns mit Liebe.

Schüler sollten im Geiste der Liebe und Sympathie gelehrt werden, indem sich ‚Information und Inspiration und Wissen mit Liebe harmonisch vereinen.‘ Die Verantwortlichkeit des Lehrers wird vollständiger in einem kürzlich geschriebenen Brief an einen Initiierten in Amerika erklärt. Hier ein Auszug:

Es ist nützlich, dass du als Lehrer arbeitest. Lehren ist ein edler Beruf, besonders wenn du daran arbeitest, die Jungen zu Menschen heranzubilden und höhere Fähigkeiten freimachst, die verborgen in ihnen sind. Du kannst in ihnen Heilige Saaten für Spirituelles Streben auf deine geschätzte Weise säen, damit sie später um ein nutzbringendes Leben bemüht bleiben. Natürlich darfst du nur über die theoretische Seite mit ihnen sprechen, doch flöße ihnen den Glauben an die Lebendige Gegenwart Gottes und des Meisters ein. Eine solche Bemühung von dir in einer unpersönlichen Weise wird nicht nur dich mit Göttlicher Glückseligkeit segnen, sondern auch ihnen ein Anrecht geben auf den gnädigen Schutz der Meister-Kraft, Die oben wirkt.

Zusammen mit einer angemessenen Haltung sei auch die örtliche Lage besonders hervorgehoben als ein anderer, aber wesentlicher Faktor, um eine gute Atmosphäre aufrechtzuerhalten:

[…] die Lage der Schule spielt also auch mit eine Hauptrolle. Das deutsche Wort ‚Kindergarten‘ ist da vielsagend in diesem Zusammenhang. Es deutet an, dass sich jede Schule an einem schönen Platz in der Natur befinden sollte. Im alten Indien war jeder Ashram ein Naturgarten.

In Erwiderung auf die Bitte des Sant Bani-Ashram um Führung in dieser Hinsicht schrieb der Meister:

Not macht erfinderisch. Ich freue mich, dass ihr klar erkannt habt, wie wichtig es ist, eine Schule im Sant Bani-Ashram für die Erziehung der Satsangi-Kinder zu haben […] Eine Schule auf dem Ashramgelände wird ein seltener Segen für die heranwachsenden Kinder sein und vorteilhaft, da ihnen die grundlegenden Spirituellen Lehren schon in ihrem zarten Alter übermittelt werden. Ich bin also für eine dortige Schule.

Wie schon gesagt, sollte sich das Schulhaus innerhalb des Ashrams selbst befinden und je nach den Erfordernissen im Laufe der Zeit erbaut werden […] Man sollte Anstrengungen machen, Geldmittel aufzubringen, um die Anfangsausgaben zu decken. Euer örtlicher Satsang kann dann ein Defizit durch finanzielle Hilfe ausgleichen. Grundgebühren könnten auch von Kindern erhoben werden, die dazu in der Lage sind.

Die Dienste qualifizierter Lehrer, am besten natürlich Initiierte, wie von dir angedeutet, sollten nutzbar gemacht werden.

Der Meister sagt, dass die ständige Verbindung mit sanften Charakteren tugendhafte Menschen hervorbringt. Die wichtigste Aufgabe der Lehrer ist deshalb die gleiche wie die eines jeden Schülers: den Lehren des Meisters gemäß zu leben.