Die höheren Werte des Lebens

VII

In Indien starb eines Tages ein gewisser junger Mann, dessen Leib zur Verbrennungsstätte gebracht wurde. Es waren etwa 300 oder 400 Menschen anwesend, und ich war einer von ihnen. Sie wollten, dass ich eine Rede hielte, die für den Augenblick am geeignetsten war.

Ich sagte ihnen:

Nun, der Gegenstand der Rede liegt vor euch. Etwas hat diesen Körper verlassen, in euch aber ist dieses Etwas noch. Seid ihr jedoch für diese Veränderung vorbereitet? Wenn nicht, bereitet euch vor. Löst einfach das Mysterium des Lebens, wie man den Körper verlässt, wie man sich über das Körperbewusstsein erhebt.

Wenn der Tod euch ereilt, werdet ihr vorbereitet sein. Ihr werdet keinen stechenden Schmerz haben. So könnt ihr den Tod besiegen. Ihr müsst alle eure Körper verlassen.

Der fünfte Guru der Sikhs sagte:

Ihr seht selbst, dass diese physischen Körper, wie die unseren, die andere trugen, zurückgelassen werden mussten. Wo sind eure Vorfahren? Wo sind all die Meister, Die in der Vergangenheit kamen? Sie alle hatten Körper und verließen sie. Es kann in eurem Fall keine Ausnahme geben.

Wenn die Regierung einen Räumungsbefehl erlässt, wird dieser Befehl ausgeführt, ob es euch gefällt oder nicht. Es kann vielleicht einen Aufschub in der Durchführung der Befehle geben. Ihr mögt euch an jemanden wenden und irgendein Zugeständnis erwirken. Aber wenn der Befehl von Gott ausgegangen ist, gibt es kein Zugeständnis. Ihr müsst den Körper verlassen und gehen.

Es ist weise zu lernen, wie man den Körper verlässt. Was ist es, das den Körper verlässt? Wenn ihr dieses Problem gelöst habt, habt ihr die Furcht vor dem Tod bezwungen.

Im Mahabharata, dem großen indischen Epos, haben wir die Episode von Yaksha und dem Prinzen Yudishtra. Als der Letztere zu einer Quelle ging, um seinen Durst zu stillen, forderte ihn Yaksha auf, unter Lebensgefahr davon abzulassen, und erst seine Frage zu beantworten. Was ist das Seltsamste, das auf der Welt geschieht? Yudishtra antwortete: Wir sehen täglich, dass Menschen ihre Körper verlassen, die dann verbrannt oder begraben werden. Wir haben solchen Bestattungszeremonien beigewohnt. Aber wir glauben nicht im Geringsten, noch ziehen wir jemals in Betracht, dass wir ebenfalls den Körper verlassen müssen. Die Menschen sterben, aber wir denken nie daran, dass auch wir sterben werden. Wir tragen diese toten Körper auf unseren Schultern, wir begraben sie mit eigenen Händen. Und trotz alledem haben wir nicht den geringsten Gedanken in uns, dass wir genauso den Körper verlassen müssen. Das ist das merkwürdigste aller Dinge.

Wo sind eure Brüder, eure Ahnen und andere? Sie alle lebten wie ihr und schieden dahin; auch ihr müsst eines Tages gehen. Der weise Mensch ist jener, wer sich vorbereitet, den Körper zu verlassen.

Das wird das Thema meiner nächsten Ansprache sein. In dieser Ansprache haben wir uns mit den höheren Werten des Lebens befasst. Der physische Körper hat seinen eigenen Wert. Dieser Körper ist ein Tempel Gottes; erhaltet ihn. Gott wohnt in jedermanns Herz; das Sichtbare wie auch das Unsichtbare begegnen sich im Menschen. Ihr habt eure Familien als Rückwirkung aus der Vergangenheit; sorgt für sie. Liebt die ganze Menschheit; das ist das zweite der höchsten Gebote, die euch vorliegen. Ihr habt den Intellekt; entwickelt ihn auf alle Fälle. Aber auch er muss mit dem Körper vergehen. Das Leben ist mehr denn die Speise und der Leib mehr denn die Kleidung und aller Besitz. Aber ihr handelt völlig entgegengesetzt. Ihr glaubt, dass der Körper und die äußere Umwelt das A und O des Lebens sind.

Manche Leute kommen zu mir und sagen: ‚Wir erkennen an, was Ihr sagt. Wir möchten etwas über das Mysterium des Lebens erfahren. Wir haben danach gesucht.‘ Aber wenn man sie einlädt, zum Vortrag zu kommen, sagen sie: ‚Ich muss meiner Arbeit nachgehen. Ich kann nicht kommen.‘

Damit will ich sagen, dass ihr eure Verpflichtungen zugunsten eurer vordringlichen Angelegenheiten neu ordnen müsst. Wenn zu Hause jemand krank wird, nehmt ihr einige Zeit frei von eurer Arbeit. Aber die Höchste Wahrheit hat von euren Herzen nicht Besitz ergriffen. Dies ist das Wichtigste im Leben ist und ihr habt keine Zeit dafür.

Wenn ihr den Körper verlasst, wer wird euch helfen? Einzig, wenn ihr euer Selbst erkannt habt, wenn ihr wisst, wie man den Körper verlässt, werdet ihr in der Lage sein, den Körper zu der Zeit ohne Schmerz zu verlassen. Jemand, Der dieses Mysterium kennt und kompetent ist, wäre in der Lage, euch zu helfen; aber niemand sonst, nicht einmal eure nächsten Freunde und Verwandten, auch nicht der größte Arzt kann von irgendwelcher Hilfe sein.

Das ist die wichtigste Aufgabe unseres Lebens. Wir aber schieben sie bis zum Letzten auf. Die Taube kann zwar die Augen vor der herannahenden Katze verschließen, aber das rettet sie nicht. Auch wir können das Problem des Todes nicht dadurch lösen, dass wir uns von ihm abwenden. Wir müssen uns damit auseinandersetzen und den Tod besiegen, sonst wird der Tod uns besiegen.

Das Ende des Lebens muss kommen. Das sagen uns die Schriften und das ist es, was alle Meister uns sagen. Aber wir kümmern uns dennoch nicht darum.

Guru Nanak sagt:

Du bist entweder ein Kind mit noch unentwickeltem Verstand, oder du bist stockblind.

Nun kommt die Frage auf: Wer ist es, Der euch auf dem Weg helfen kann? Nun, Derjenige, Der dieses Mysterium für Sich Selbst gelöst hat und kompetent ist, euch eine Erfahrung davon zu geben, wie man sich über das Körperbewusstsein erhebt – das Innere Auge öffnet und das Licht Gottes sieht – nennt Ihn, wie immer ihr wollt.

Wenn ihr Ihm einfach zu Füßen sitzt, mit empfänglichem Gemüt und einem liebevollen Herzen, wird es euch gelingen, dieses Mysterium des Lebens zu lösen. Die Höchste Mission im Leben eines Menschen ist, sich selbst zu erkennen und Gott zu erkennen. Aber er beschäftigt sich mit frivolen Bestrebungen. So wird es von jenen gesehen, die erwacht und erleuchtet sind.