Der natürlichste Weg

V

Was sagte Jesus?

Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Ich will dich nicht verlassen noch versäumen.

Das ist es, was alle Meister kundtun. Ich habe nicht die Absicht, euch Hinweise aus einer Vielzahl von Schriften zu zitieren, sondern führe nur Stellen aus der Bibel an, da ihr mit ihr wohlvertraut seid.

Die Meister-Kraft verlässt euch niemals. Es ist nicht der menschliche Körper, sondern die Kraft, die durch ihn wirkt und ewig währt. Die Christus-Kraft war zu allen Zeiten am Werk und wird es weiterhin sein; aber durch verschiedene Göttliche Werkzeuge und nach den Erfordernissen der Zeit. Allein der Körper vergeht, doch diese Kraft bleibt. Jene, Die wirklich die Wahrheit im Innern gesehen haben, können euer Inneres Auge öffnen und euch sehend machen. Wenn Sie euch innerlich eine Erfahrung geben, wie gering sie auch sein mag, könnt ihr sie entwickeln.

Eines von Christi Gleichnissen veranschaulicht dies sehr schön:

Ein reicher Mann, der über Land zog, verteilte unter seinen Dienern einige Talente – zwanzig an den einen, zehn an den anderen und fünf an den dritten. Als er zurückkehrte, hatte der Mann, dem zwanzig Talente gegeben wurden, dreißig daraus gemacht; aus den zehn des anderen waren fünfzehn geworden, und der letzte, der nur fünf bekam, hatte sie überhaupt nicht angerührt, sondern sicher in der Erde vergraben. Da aus ihnen kein Nutzen gezogen wurde, hielt der Herr es für klug, sie wieder an sich zu nehmen.

Was ich sagen möchte ist, dass wenn ihr auf den Weg gestellt seid und eine Erfahrung bekommen habt, ihr diese entwickeln müsst, so wie man in der Schule seine Lektionen lernt. Initiation bedeutet nicht das Beachten irgendwelcher Zeremonien, Rituale oder dergleichen mehr. Sie ist eine praktische Erfahrung der Spirituellen Wissenschaft. Zuerst wird die Theorie erklärt; dann wird die Erfahrung gegeben, und diese muss von Tag zu Tag entwickelt werden. Die Meister-Kraft oben, Die sie gibt, gewährt Inneren wie äußeren Schutz und wacht beständig über den Schüler.

Ihr werdet finden, dass Leute zu den Meistern kamen wie Philippus zu Jesus und Sie fragten:

Herr, zeige uns den Vater, so genüget uns.

Und was antwortete Er? Er wurde ungehalten und sagte:

So lange bin ich bei euch, und du kennst mich nicht, Philippus? Wer mich sieht, der sieht den Vater; wie sprichst du denn: Zeige uns den Vater? Glaubst du nicht, dass ich im Vater und der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch rede, die rede ich nicht von mir selbst. Der Vater aber, Der in mir wohnt, Der tut die Werke.

Christus war ein Bewusster Mitarbeiter des Vaters oder der Göttlichen Kraft in Ihm. Nur Wer Sich der Kraft, die durch Ihn wirkt, bewusst ist kann euch mit Ihr innerlich in Verbindung bringen. Diese Verbindung ist nur möglich, wenn ihr euch über das Körperbewusstsein erhebt, sonst nicht.

Es ist etwas, das von der Tätigkeit des Verstandes gänzlich verschieden ist. Intellektuelle Kenntnisse mögen einem Menschen der Praxis als zusätzliche Hilfe dienen, weil er einem dann dieselbe Sache auf verschiedene Weise sehr anschaulich erklären kann. Aber der nur intellektuelle Mensch – ohne praktische Innere Erfahrung – ist, wie Sheikh Saadi, ein Moslem-Heiliger, sehr nachdrücklich sagt,

ein Esel, der eine schwere Fuhre Bücher trägt und sich ihres Wertes völlig unbewusst ist.

Ein Sikh-Meister hat dasselbe in milderer Form ausgedrückt:

Der Löffel geht im Pudding hin und her, kostet aber niemals seine Süße; genauso brüstet du dich mit intellektueller Kenntnis der Schriften, hast jedoch nie erfahren, was sie beschreiben.

Damit ist nicht gemeint, dass ihr die Schriften nicht lesen sollt. Lesen ist eine Hilfe. Jene, die in den Bereich des Verstandes eingedrungen und entschlossen sind, das Warum und Wofür der Dinge zu ergründen, finden letztlich den Weg. Aber der Weg, den sie zu verfolgen haben, ist der gleiche, den die Ungebildeten gehen. Der Pfad ist für die ganze Menschheit derselbe; er beginnt, wenn ihr euch über die physische Ebene erhebt; und das ist, wie schon so oft gesagt, eine Sache der Praxis.

Intellektuelle Fähigkeiten zu besitzen ist auch ein Segen.

Einmal begab es sich, dass Keshab Chandra Sen, das gelehrte Oberhaupt des Brahmo Samaj in Indien, zu Ramakrishna, einem Menschen der Verwirklichung, ging. Er kam zu ihm, nur um die Dinge zu verstehen, und Ramakrishna sagte ihm:

Wenn Sie bereit sind, aus wenigen Worten zu lernen, dann kommen Sie zu mir; wenn aus vielen, gehen Sie zu meinem Schüler Vivekananda.

Verstandeswissen ist an und für sich eine gute Sache. Es ist die Feder am Hut eines praktisch Erfahrenen, aber bei manchen Leuten wird es zur Besessenheit, und sie täuschen sich nicht nur selbst, sondern auch andere, denn sie haben keinen Inneren Zugang.

Wenn die Meister kommen, berichten Sie uns von Gott und dem Gottesweg. Sie erinnern uns an die Innere Wirklichkeit. Der Mensch ist der Lehrer des Menschen. Können uns Frühere Meister helfen? Ja, wir brauchen Sie. Sie sind auf Ihre eigene Weise hilfreich. Wir achten Sie, da Sie die Wahrheit und Ihre Erfahrungen von der Wahrheit verkündeten. Jene, die in Verbindung mit Ihnen kamen, wurden auf den Weg gestellt, und auch sie erkannten dieselbe Wahrheit. Die Schriften stellen den Schatz der Erfahrungen dar, die Sie mit Sich Selbst und mit Gott gemacht haben, und wir sind begünstigt, dass uns diese heute zugänglich sind.

Wenn wir zweitausend Jahre früher gekommen wären, würden wir nicht das Neue Testament besitzen, und ich hätte euch nicht die schönen Zitate daraus wiedergeben können. Alle Schriften befassen sich mit derselben Wahrheit. Aber uns ist nur die eine oder andere Schrift geläufig. Wenn ich euch die Bibel anführe, habt ihr keine Schwierigkeiten. Genauso ist es mit den Menschen anderer Glaubensrichtungen. Sie folgen mühelos dem, was gesagt wird, wenn ich sie auf Stellen in ihren jeweiligen Schriften hinweise. All diese Schriften erleichtern meine Aufgabe wie auch die der Zuhörer. Die Heiligen Bücher sind lediglich geeignete Hilfen in den Händen eines Menschen der Verwirklichung, denn sie handeln vom selben Thema, nämlich der Gottverwirklichung.

Was wir brauchen, ist Jemand, Der in Sich Selbst die Erfahrung dessen hat, was die Schriften lehren, und Der kompetent ist, uns eine Kostprobe dieser Erfahrung hier und jetzt zu geben. Nennt ihn, wie ihr wollt – Pir, Murshid, Heiliger oder Meister –, das ist unwesentlich.

Wir achten alle diese Persönlichkeiten, Die in der Vergangenheit wirkten oder in der jetzigen Zeit hier sind. Jene, Die die Wirklichkeit gesehen haben, können uns auf den Weg stellen und uns eine Ersthand-Erfahrung davon geben. Die Notwendigkeit eines solchen Gottmenschen ist seit Anbeginn der Welt empfunden worden.