Der natürlichste Weg

VII

Können wir mit dieser Wirklichkeit überhaupt in Verbindung kommen? Alle Meister sagten entschieden und einstimmig: Ja!

Guru Nanak bestätigt:

Der Herrgott Nanaks ist überall sichtbar.

Swami Vivekananda, der vor Jahren nach Amerika kam, begann sein Leben als Atheist. Er forderte die Leute auf, ihm Gott zu zeigen. Dann fragte er:

Gibt es jemanden, der Gott gesehen hat?

Ihm wurde geraten, nach Dakshineswar, in Bengalen, zu gehen und Paramhansa Ramakrishna aufzusuchen.

Voller Stolz auf seine intellektuellen Fähigkeiten ging er dorthin. Ramakrishna erschien ihm wie ein gewöhnlicher Mensch. Ihr seht, die Meister suchen nicht zu glänzen; Sie sind nicht auf äußeren Schein bedacht. Vielmehr geben Sie sich als Mensch, wie wir es sind. Er fand den Weisen zuerst auf der Wiese, die an Seine Hütte grenzte, und stellte Ihm seine oft wiederholte Frage:

Meister, habt Ihr Gott gesehen?

Und wie lautete die Antwort?

Ja, mein Kind, ich sehe Ihn genauso, wie ich dich sehe, nur lebendiger.

Bei diesen Worten, die aus dem Herzen eines verwirklichten Menschen kamen, verneigte sich Vivekananda. Und in seinem ganzen weiteren Leben erklärte er immer wieder:

Nur durch diesen Gottmenschen wurde ich gerettet.

Wie ist also die Erlösung möglich? Alle Meister sagen:

Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib Licht sein.

Um Erlösung zu erlangen, müssen wir also unser Einfältiges Auge entwickeln. Aber wie ist es zu finden und zu entwickeln?

Guru Nanak sagt uns, dass das Einzelauge, von dem die Rede ist, nicht aus Fleisch und Blut besteht wie unsere äußeren Augen. Es ist das Innere Auge, das Auge in euch, und dieses muss geöffnet werden. Aber wie? Jemand, Dessen Inneres Auge offen ist und Der das Licht Gottes gesehen hat, kann auch euch eine Innere Ersthand-Erfahrung davon geben. Sehen heißt glauben, und wenn ihr selbst seht, werdet ihr nach keinem weiteren Beweis verlangen. Andererseits kann ein Blinder nicht den Blinden führen. Nur eine erwachte Seele kann Seelen erwecken, die auf der Sinnesebene schlafen. Wie Licht von Licht kommt, so kommt Leben von Leben. Ein verwirklichter Mensch kann anderen eine Erfahrung von der Wirklichkeit zuteil werden lassen. Wer sich ins kosmische Bewusstsein erhoben hat, kann anderen dazu verhelfen, sich in dieses Bewusstsein zu erheben. Es ist also nicht unmöglich. Alle Meister haben dies bestätigt.

Shamas-i-Tabrez sagt:

Wir sollten Gott mit unseren eigenen Augen sehen und die Stimme Gottes mit unseren eigenen Ohren hören.

Dies ist nichts Neues. Es ist die allerälteste Wissenschaft und auch die exakteste.

Ein anderer Moslem-Heiliger, Moin-ud-din Chishti, sagt uns:

Ihr müsst das Innere Auge öffnen, um die Herrlichkeit Gottes im Innern zu sehen. Sie ist bereits dort.

Ein Wahrer Christ muss wissen, wie man sich über das Körperbewusstsein erhebt, um das Licht Gottes zu erblicken. Ein Wahrer Moslem muss die Glorie Gottes von der Spitze des Berges Toor bezeugen, der unser Körper ist. Der Prophet Moses ging auf den Berg Sinai, um die zehn Gebote inmitten von Blitz und Donner zu vernehmen. Desgleichen ist ein Wahrer Sikh – Khalsa –, wer das Licht Gottes in sich selbst sieht. Die Schriften sagen uns, dass der Guru, Meister, Einer ist, Der die Dunkelheit im Menschen vertreiben kann, indem Er das Licht des Himmels enthüllt. Die Christen nennen diese Stelle – an der das Licht gesehen wird – im übertragenen Sinn den Berg der Verklärung.

Das ist unser Ziel. Es ist möglich und für jeden erreichbar. Wann? Wenn man in Verbindung mit einem praktisch erfahrenen Adepten kommt. Er wird ein Mensch wie jeder andere von euch sein, aber Er hat eine Innere Erfahrung von der Wahrheit und ist kompetent, euch diese ebenfalls zu geben. Wenn Er sie euch zu aller Anfang gibt, könnt ihr mehr von Ihm erwarten.

Welche Art Yoga lehren die Meister? Ich habe gerade bestimmte Yoga-Arten erwähnt. Es gibt noch andere Richtungen, die es ermöglichen, uns auf die niederen Ganglien im Körper zu konzentrieren und dort zu verweilen. Sie zielen darauf ab, verschiedene übernatürliche Kräfte zu erwecken. Das Wahre Lebensziel aber besteht darin, sich selbst und Gott zu erkennen, nicht im Besitz übernatürlicher Kräfte. Einem, der die Höchste Art von Yoga praktiziert, indem er dem Weg der Meister folgt, fallen alle solche Kräfte von selbst zu: er hat nicht für sie zu arbeiten. Aber ein Wahrer Gottsucher meidet derartige Versuchungen.

Welches ist sodann der natürlichste Yoga? Was lehren die Meister? Der Pfad der Meister ist als Sehaj Yoga – der natürliche Yoga – oder Surat Shabd Yoga – der Yoga des Tonstroms – bekannt. Was ist Surat? Es ist die Seele in jedem von uns, deren äußerer Ausdruck die Aufmerksamkeit ist oder was man als Bewusstheit, Gewahrsein oder Wachsamkeit kennt. Wenn ihr eure Augen eine Zeit lang hintereinander öffnet und schließt, werdet ihr eine Art von Wachheit und Bewusstheit hinter den Augen empfinden. Diese Wachheit oder Bewusstheit ist das Selbst in euch, das ihr seid. Im Wachzustand ist es im Körper zerstreut und durch die Tätigkeit der Sinne in äußere Beschäftigungen der Welt vertieft. Es kann jedoch zurückgezogen und im Innern konzentriert werden. Der Meister hilft, die Sinnesströme zurückzuziehen, sie an einem Zentrum zu sammeln, und gibt eine Innere Verbindung mit der Kraft des Wortes, dem Göttlichen Bindeglied in jedem von uns. Diese Gotteskraft ist unter verschiedenen Namen bekannt. Johannes spricht von Ihr als dem Wort. Sie ist der Heilige Geist Christi. Die Moslems nennen Sie Kalma oder Ism-i-Azam, während die Hindu-Rishis Sie mit Sruti oder Udgit bezeichnen. Zoroaster gab Ihr den Namen Sraosha oder das schöpferische Wort. Guru Nanak spricht davon als Naam. Sie ist die große Schöpferkraft Gottes, die das Universum überwacht. Dieses Tonprinzip oder diese Göttliche Harmonie ist der Kern alles Seienden.

Und was ist Gott? Ihr findet dasselbe in der Bibel erwähnt. Johannes beginnt Sein Evangelium mit den denkwürdigen Worten:

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.

Dryden, ein großer englischer Dichter, nennt es in seiner dichterischen Vorstellung die Harmonie und schreibt die ganze Schöpfung der großen Kraft der Musik zu.

Dieses Wort existierte schon, ehe die Schöpfung entstand.

Gott, das Absolute, ist ohne Worte und ohne Namen. Als sich dieses Absolute offenbarte, wurden Ihm, wie bereits gesagt, verschiedene Namen gegeben: Wort, Kalma, Naam, Sruti, Udgit usw. Diese erste und ursprüngliche Offenbarung des Absoluten – in Form des Tonprinzips – ist das Göttliche Bindeglied in jedem von uns, und diese Kraft ist alles durchdringend und ewig.

Auf ewig, o Herr, hat dein Wort im Himmel Wohnung genommen.

Die Bibel berichtet uns weiter:

Der Himmel ist durch das Wort des Herrn gemacht.

Das ist die schöpferische Kraft:

Er trägt alle Dinge mit Seinem kräftigen Wort.

Die Bibel nennt dieses schöpferische Prinzip das Wort. Wie ich gestern sagte, könnt ihr nicht die Wahre Bedeutung der Schriften verstehen, wenn ihr nicht die spezielle Ausdrucksweise der Meister kennt. Das Wort, wie es in der ganzen Bibel und besonders von Johannes gebraucht wird, ist ein Beispiel solcher Bezeichnungen; und so gibt es viele andere in den verschiedenen Schriften. Dieses Wort ist dauerhaft, Es währt immer und ewig:

Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.

Das Wort Gottes bedeutet nicht die Worte, die von den Meistern gesprochen werden. Ihre Worte der Weisheit bringen nur das Wort Gottes zum Ausdruck und dessen schöpferische, lenkende und erhaltende Kraft über allem, was sichtbar und unsichtbar ist. Diese Kraft existierte von Anbeginn.

Das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.

Dieses Göttliche Bindeglied ist in jedem Menschen. Der Hebräerbrief des Neuen Testaments sagt darüber:

Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer denn ein zweischneidig Schwert, und dringt durch, bis dass Es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.

Diese Kraft wird als Wort bezeichnet.