Nichts steht zwischen dem Schüler und dem Meister

Kirpal Singh: Wer eine Frage hat, ist willkommen, sie jetzt zu stellen. Jetzt ist für mich die günstige Gelegenheit, mit euch allen zusammen und für euch da zu sein.

Frage: Allein schon in Deiner Gegenwart zu sein, Meister, ist eine großartige Befriedigung und Unterstützung.

Kirpal Singh: Die Ausstrahlung hilft.

Frage: Wenn wir so weit von Dir entfernt sind, verlieren wir den Darshan und viel von der Verbindung zu Dir. In Deiner Anwesenheit zu sein, treibt uns an und gibt uns Mut weiterzumachen und ein wenig härter zu arbeiten.

Kirpal Singh: Aus dem Grund, weil ich annahm, es würde unserem Interesse dienen, habe ich ein Tagebuch zur Selbstprüfung vorgeschrieben. Wer es regelmäßig führt, hält die Verbindung aufrecht. Diese Hilfsmaßnahme ist das ganze Leben lang erforderlich, selbst wenn ihr mit dem Meister im Inneren zusammenkommen könnt. Sie ist immer eine Hilfe.

Die physische Nähe des Meisters darf man nicht unterschätzen, aber durch die Ausstrahlung erhalten wir dieselbe Hilfe und denselben Schutz selbst aus einer Entfernung von Tausenden von Kilometern. Wenn ihr mit Radiogeräten Töne aus großer Entfernung auffangen könnt und durch das Fernsehen sehen könnt, wer da spricht, warum sollte das nicht auch auf andere Art und Weise möglich sein? Wir brauchen einfach nur unsere Aufmerksamkeit auf Ihn zu richten. Außerdem ist der Meister, wie ich schon sagte, nicht der Körper.

Alle Meister, Die kamen, haben den Unterschied zwischen dem Menschensohn und dem in ihm wirkenden Gott hervorgehoben. Der Menschensohn kann nichts tun, aber Gott, Der Sich in ihm offenbart, ist überall. Er ist offenbar. Lasst nur den Hunger und Durst nach Ihm zu! Wir lieben den Meister – Gott in Ihm. Gott wiederum liebt Ihn. Wenn Gott Ihn liebt, dann tritt Er in diesem menschlichen Pol zutage, durch Den Er wirkt. Er ist also der Allgegenwärtige Gott im Menschen. Wir haben diese Tatsache einfach noch nicht begriffen, wenn wir glauben, weit von Ihm entfernt zu sein. Kommen wir in unmittelbaren Kontakt, dann ist die Ausstrahlung natürlich ohne Unterbrechung wirksam. Selbst ein Stein wird deshalb in der Nähe von Wasser kühl.

Er ist nicht weit entfernt von denen, die Ihm einfach ihr Gesicht zuwenden, möchte ich sagen. Nichts sollte zwischen Ihm und euch stehen, dann ist die Verbindung unmittelbar.

Kabir sagt: „Der Meister mag jenseits aller Meere leben und der Initiierte auf der anderen Seite, wichtig ist, dass er seine Aufmerksamkeit auf Ihn richtet.“ Dann erhält er alle Hilfe. Es gibt einige Initiierte, die das tun. Es ist eine Frage, wie weit man Empfänglichkeit entwickelt hat. Wie kann man empfänglich werden? Jesus Christus sagte: „Lasst meine Worte in euch sein.“ Ich denke, diesen Teil Seiner Worte kann jeder verstehen: Lebt nach Seinen Geboten! Der zweite Teil aber bedarf noch einer Klärung: „ … und ihr sollt in mir sein.“ Wie geht das? Wenn ihr aus tiefstem Herzen an jemanden denkt, dann erzeugt das eine Reaktion in demjenigen, an den ihr denkt. Je mehr ihr den Herrn liebt, desto mehr seid ihr in Ihm, denn Liebe bedeutet, beständig an den anderen zu denken. Auf diese Weise wird Empfänglichkeit geformt: Sie sind zwar zu zweit, aber dabei sind sie doch eins. Das muss durch beständige Hingabe entwickelt werden. Es ist ein sehr einfaches Verfahren und braucht keine Philosophie, um bewiesen zu werden; es ist eine Sache des gesunden Menschenverstandes. Die Mutter hat eine Verbindung zum Kind. Das Kind liegt in dem einen Zimmer, die Mutter befindet sich in irgendeinem anderen Raum. Das Baby schläft, aber wenn es unruhig wird, beginnt die Milch der Mutter zu fließen. So eng ist die Beziehung zwischen ihnen. Ähnlich ist unsere Verbindung zu Gott im Meister. Erforderlich ist, ein sogenannter „Gurumukh“ zu sein, ein Sprachrohr des Guru. Ein Gottmensch ist das Sprachrohr Gottes. Er ist Mensch in Gott und Gott im Menschen. Der wahre Ergebene ist ein Guru-Mensch, ein Meister-Mensch, ein Mensch in Ihm und der Meister im Menschen; denn Gott ist gegenwärtig.

Empfänglichkeit zu entwickeln ist das Wichtigste. Das ist nur möglich, indem wir unsere Aufmerksamkeit beständig auf Gott richten. Wir brauchen die Welt nicht zu verlassen. Wir sollen in der Welt leben. Aber solange wir in der Welt bleiben, sollte die Nadel unseres Kompasses immer nach „Norden“ zeigen. Das ist Gottes Gnade. Wir haben den menschlichen Körper, wir besitzen großartige Gebäude, in denen wir leben. Wir haben Gesundheit und Besitz: Alles ist Sein, alles gehört Ihm. Die Meister fordern uns nicht auf, die Welt zu verlassen und in Einsamkeit, an abgeschiedenen Orten zu leben. Sie sagen vielmehr: „Bleibt in der Welt, aber vergesst dabei Gott nicht – das ist alles. Seid dankbar für all die Gaben, die Er euch gibt.“

Frage: Wenn unser Gefäß der Liebe und Hingabe bisher noch von Dir getrennt ist, dann füllst du unsere Schale, sie fließt über, und dann erweckt sie mehr und mehr Liebe in uns, die wir mit jedermann teilen können.

Kirpal Singh: Ja, natürlich fließt sie über. Ich bin sehr glücklich, bei euch zu sein. Wir sind alle Brüder und Schwestern in Gott. Das ist das Wichtigste. Die Meister geben uns diese Verbindung, und sie kann nicht aufgelöst werden, nicht einmal nach dem Tod. Sie ist nicht wie die weltlichen Beziehungen, die durch den Tod oder einen anderen Umstand zerbrechen.

Frage: Du bringst uns große Freude, Meister, wenn Du kommst – große Freude!

Kirpal Singh: Vielleicht merkt ihr, dass ich mich noch viel mehr freue, euch alle zu sehen. Das ist nur natürlich: Wie fühlt man sich, wenn man sieht, dass die Kinder zu einem kommen?

Frage: Gut, wunderbar.

Kirpal Singh: Genauso, denke ich, fühlt Gott in uns – nicht der Mensch – hundert mal mehr Freude. Sie fließt über, wenn Er sieht, dass seine Kinder zu Ihm kommen.

Alle Meister – gleich zu welcher Zeit Sie kamen – verkündeten dieselbe Wahrheit. Das einzige, was uns zu tun bleibt, ist, die Verbindung mit dieser Wahrheit aufzunehmen. Sie existiert bereits in uns; wir brauchen sie nicht mehr hineinzutun. Unser Meister (Baba Sawan Singh) sagte immer: „Wir brauchen nichts von außen hineinzutun; es ist bereits vorhanden.“ Es kommt nur darauf an, sich von außen zurückzuziehen. Wenn wir das alleine können, ist es schön und gut. Wenn nicht, hilft Er uns durch einen kleinen Gedankenimpuls, uns zurückzuziehen. Er hat diese Kompetenz; Er hat die Kraft, das heißt, Gott in Ihm hat sie. Und ich sage euch, Er hat sie auch als Mensch.

Gott schuf die gesamte Welt mit einem Wort. Wie stark, wie groß ist diese Kraft! Unsere Seelen sind vom gleichen Wesen wie Gott. Wir haben sehr große Kraft. Aber bedauerlicherweise ist unsere Seele, deren äußeren Ausdruck man Aufmerksamkeit nennt, in der Welt zerstreut. Wir fühlen uns sehr schwach und gebrechlich. Wird diese zerstreute Aufmerksamkeit nach Innen konzentriert, entsteht eine große Kraft. Die Sonnenstrahlen verbrennen uns nicht, lässt man sie aber durch ein Brennglas hindurchfallen, wird alles, was darunter liegt, in Flammen aufgehen. Es ist also eine Sache der Aufmerksamkeit, von „Surat“. Dies ist der natürliche und der schnellste Weg, selbst Kinder können ihn gehen. Wir leben vor uns hin, ohne uns seiner bewusst zu sein; wir haben diese Möglichkeit vergessen. Wir brauchen sie aber einfach nur zu entwickeln. Es gibt so viele andere Wege, aber dort muss man eine Hypothese aufstellen. Auf diesem Pfad ist keine Hypothese notwendig. Wenn unsere Aufmerksamkeit von der Außenwelt zurückgezogen wird und sich in unserer Seele sammelt – wie wenn sich die Sonnenstrahlen in die Sonne zurückziehen würden –, werden wir feststellen, was die alles beherrschende Kraft ist. Dazu braucht man die Welt nicht zu verlassen und abgeschriebene Orte aufzusuchen. Wir müssen in der Welt bleiben, allerdings ohne an sie gebunden zu sein – immer in dem Bewusstsein, dass alles Ihm gehört. Er ist die Herrscherkraft, überall, auch dann noch, wenn wir den Körper verlassen haben.

Frage: Ist es möglich, dass ein Mensch mit Dir Verbindung hat, bevor er initiiert wird oder bevor er überhaupt etwas von Dir gehört hat? Ich wache viele Male auf, während mich ein Paar Augen ansieht. Ich habe so oft darum gebetet zu erfahren, wer das ist. Jetzt weiß ich, dass es Deine Augen sind. Das ist schon seit sieben Jahren so.

Kirpal Singh: Ja, Gott in dir führt dich. Das ist in Ordnung. Gott ist überall. Er trifft Vorkehrung für alle, die wirklich suchen. Ich kenne viele solche Fälle. Auch mit mir ging es so. Am Anfang betete ich immer zu Gott, weil ich voll Verlangen war Gott zu finden: „Bitte, führe mich dorthin, wo ich auf den Weg gestellt werden kann. Ich habe nur Angst, dass ich mich an jemanden wenden könnte, der Dich nicht erreicht hat. Mein ganzes Leben wäre verpfuscht.“ In dieser Art betete ich also. In der Tiefe meines Herzens war ich natürlich von Sehnsucht erfüllt. Ich hatte Angst, mich an irgend jemanden zu wenden. Der Grund dafür war allein, dass ich mich fragte, was wohl mein Schicksal sein würde, wenn ich zu jemandem käme, der Gott nicht erreicht hätte. Es gibt so viele Meister auf der Welt. Ich denke, es gibt mehr Meister, als man Initiierte findet. Viele Jahre bevor ich meinem Meister physisch begegnete, erschien Er mir im Inneren. Ich hielt Ihn für Guru Nanak. Als ich Ihn sieben Jahre später traf, sagte ich zu Ihm: „Du bist derselbe, Den ich gesehen habe.“ Gott weiß, wo Er Sich offenbart. Er offenbart Sich in einer menschlichen Gestalt, die Er als Pol benutzt, um durch sie zu wirken.

Ich habe viele solcher Beispiele erfahren. Als ich einmal nach Pakistan reiste und einige mohammedanische Sufis besuchte, sahen sie mich an und sagten: „Oh, vor drei Jahren sahen wir jemanden, der aussah wie Du, und wir wunderten uns, wer das wohl sein könnte.“ So etwas bewirkt Gott. Wie ich euch bereits sagte, trifft Er Vorkehrung, wenn Er ein Verlangen erkennt. Auch wenn ihr nichts darüber wisst, das macht nichts: Er weiß es. Deshalb heißt es: „Wenn der Schüler bereit ist, erscheint der Guru.“