Liebt Gott, Er wohnt in jedem Herzen

II

Wir müssen also den Körper verlassen; doch was tun wir? Wie du säst, so wirst du ernten. – Wir hängen uns an die äußeren Dinge und häufen sie an, als ob wir – entschuldigt den Ausdruck – verrückt wären. Es ist wirklich traurig.

Es gibt ein Gleichnis von tiefer Bedeutung, das die Meister manchmal erzählen: Bei der Verteilung der irdischen Lebensjahre an die verschiedenen Schöpfungsformen waren Gott noch vier Arten übrig geblieben. Eine davon war der Mensch, eine der Esel, die dritte der Hund und die vierte die Eule.

Gott rief den Menschen und sprach: Siehe, ich sende dich in die Welt.

Was wird meine Bestimmung sein?

Du wirst die Krone der ganzen Schöpfung sein und mir am nächsten stehen.

Für wie lange, Herr?

Zwanzig bis dreißig Jahre.

Das ist nicht genug; könnt Ihr mir kein längeres Leben geben?

Gut, warte, lass uns sehen; wenn bei den anderen noch einige Lebensjahre übrig bleiben, wirst du sie dazu erhalten.

Dann kam der Esel an die Reihe. Gott sagte: Ich sende dich in die Welt.

Was wird mein Schicksal sein?

Nun, du wirst ständig Lasten hin und her tragen, das ist alles.

Wie lange?

Fünfundzwanzig bis dreißig Jahre.

Das wird mich umbringen – Herr, in eurer Güte, gebt mir weniger!

So gab Er ihm zehn bis zwölf Jahre, und die restlichen Jahre übertrug Er auf den Menschen und sagte: Sieh, du erhältst etwas dazu.

Dann kam als dritter der Hund an die Reihe. Gott sagte zu ihm: Nun, ich sende dich in die Welt.

Herr, welche Aufgabe habe ich dort?

Du wirst das Haus deines Besitzers bewachen, immer halb schlafend, halb wachend. Du wirst niemanden ins Haus lassen und jeden anbellen.

Wie lange wird das sein, Herr?

Zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre.

O Herr, um Gottes Willen, gebt mir weniger!

So erhielt er etwa zehn Jahre, und der Rest wurde dem Menschen zugesprochen, der so glücklich war, mehr zu erhalten.

Dann ging es um das Schicksal der Eule. Du wirst in die Welt gesandt.

Was wird mein Schicksal sein?

Du wirst bei Tag nicht sehen können, nur bei Nacht; tagsüber wirst du von anderen abhängig sein.

Für wie lange?

Nun, zehn bis zwölf Jahre.

Bei Tag werde ich nichts sehen können? Gebt mir bitte weniger!

Gut – und den Rest gab Er dem Menschen dazu.

Nun seht, wie wir uns verhalten. Überlegt einmal in aller Ruhe:

Mit etwa zwanzig Jahren sind wir erwachsen, stehen auf eigenen Füßen und gründen eine Familie; wenn dieser Abschnitt vorüber ist, bekommen wir die Krankheit, Dinge anzuhäufen und unser Zuhause zu einem Lagerhaus zu machen, indem wir ständig etwas im Laden kaufen und (von einer Ecke in die andere) schleppen. Dutzende unnötiger Dinge schaffen wir uns an. Seht, das ist dann die Zeit des Esels, die der Mensch genießt. Dann wird er älter, hat Kinder, die ihm nicht gehorchen, und so gibt er ihnen Schimpfnamen und murrt und knurrt und bewacht das, was er alles angehäuft hat. Das ist die Zeitspanne des Hundes, nicht wahr? Und wenn er schließlich ganz alt geworden ist, kann er nicht mehr richtig sehen und ist von anderen abhängig. Niemand kümmert sich um ihn, er ist den anderen ausgeliefert, und ob sie ihm etwas geben oder nicht, er sagt: In Ordnung, denn er ist abhängig. Das ist die Zeit der Eule. So sieht unser Schicksal aus.

Der Mensch ist das Höchste in der ganzen Schöpfung. Wir sollten mehr Liebe entwickeln. Liebt Gott, und alles wird euch dazu gegeben. Wir lieben die Welt. Dort können wir nicht alles erhalten, und von den Dingen, die wir (von ihr) bekommen, können wir kein einziges mitnehmen. Selbst der Körper, den ihr als euren ersten Begleiter mitbringt, kann schließlich nicht mit zurück – wie dann erst die anderen Dinge, die ihr bekommen habt! So sagen die Meister: Nun Brüder, was sollt ihr tun? Verdient euer Geld ehrlich, im Schweiße eures Angesichts, steht auf eigenen Beinen und helft anderen dabei, auf eigenen Beinen zu stehen – auch jenen, die mit euch verbunden sind. Wenn es euch möglich ist, dann teilt mit anderen. Ein Mensch ist, wer mit andern teilt, wer andern hilft. Tiere sorgen nur für sich und ihre Familie. Wenn wir uns auch so verhalten, sind wir nicht besser als sie.

Ein Heiliger sagt:

Seht das Gesicht der Tiere – Gott schuf es so, dass es nach unten, zur Erde, zeigt. Wenn sie also an die Erde verhaftet sind, ist das in Ordnung. Doch dein Gesicht, o Mensch, ist nach oben gerichtet – sieh nach oben, zu Gott!

Wenn ihr Liebe zu Gott habt, würdet ihr dann nicht alles für andere geben? Wir beschränken alles starr auf uns selbst, und das führt zu Selbstsucht, Tyrannei und dazu, dass anderen das Blut ausgesaugt wird. Ist es nicht so? Wenn man dann geht, ist man allein. Doch die Eindrücke der Welt begleiten euch, und je nachdem, woran ihr euch gebunden habt, kommt ihr an einen entsprechenden Ort. Seid ihr an die Welt verhaftet, werdet ihr wieder in die Welt kommen müssen. Habt ihr jemandem das Blut ausgesaugt, nun, dann wird er euch im nächsten Leben das Blut aussaugen. Oberflächlich mag es dann so aussehen: Der tut mir Unrecht, der ist ein Tyrann, der ist grausam – doch wer weiß, was davon Rückwirkungen aus der Vergangenheit sind? Versteht ihr? Solche Dinge wirken sich aus; doch auch Gottes Gnade kommt herab, denn der menschliche Körper ist die goldene Gelegenheit, Gott zu erkennen. Und derjenige, dem Gottes Gnade und Barmherzigkeit zukommt, wird mit Demjenigen in Verbindung gebracht, Der sein Inneres Auge öffnen kann, damit er Gott im Innern sehen kann – das Licht, das ihm schon eingeboren ist. Er schüttelt dann alle Umhüllungen ab. Wer das bereits tun konnte, ist glücklich zu nennen. Gebt, gebt und gebt, solange ihr lebt! Ihr werdet nichts dabei verlieren, bedenkt das. Je mehr ihr gebt, desto mehr werdet ihr haben. Je mehr wir alles auf uns selbst beschränken, desto schlechter geht es uns.

Die Verbindungen untereinander bestehen nur für einen gewissen Zeitraum, um das Geben und Nehmen abzuwickeln – wie wenn ihr im Zug fahrt. Wenn eure Bahnstation kommt, springt ihr hinaus. Andere mögen euch mitziehen wollen, aber ihr bleibt nicht im Zug sitzen, oder? Genauso ist es, wenn Geben und Nehmen beendet sind; dann muss der Mensch gehen, auch wenn alle anderen möchten, dass ihr bleiben könntet, ob sie weinen oder auch nicht – ihr könnt nicht länger bleiben. Doch der Blickwinkel ändert sich, wenn ihr das Göttliche Licht in euch seht. Ihr seht, was kommen muss, weil eure Innere Schau klar ist. Jetzt, in unserem gegenwärtigen Zustand, ist der Blickwinkel nicht klar. Wir sagen, dieses Unrecht ist mir zugefügt worden; dieser hier ist mein Freund; dieses und jenes. Doch was sagte Christus? Diejenigen sind meine (wahren) Verwandten, sind mir Mutter und Bruder, die den Willen meines Vaters erfüllen. Alle anderen, ob Brüder oder Schwestern, sind nur mit uns verbunden, um das Geben und Nehmen auszugleichen.

Der Körper ist schön, von dem Gott ausstrahlt. Ihr wisst, wenn bei den Christen ein Mensch stirbt, richtet man sorgfältig Gesicht und Körper her. Doch das ist nur für ein, zwei Tage! Es ist ein Leichnam – es ist kein Leben mehr in ihm. Wenn das Licht im Innern nicht entzündet ist, ist dort nichts als Dunkelheit, versteht ihr? Was tut ihr alles, um euren Körper zu erhalten und zu verschönern! Für seine Schönheit gibt der Mensch Hunderte und Tausende Dollars aus – das ist genauso, als ob man eine Leiche schmücken würde. Das ist der Blickwinkel, von dem aus die Meister es betrachten. Sie lieben euch alle, Sie möchten, dass wir Gott lieben. Liebt Gott, und alles andere wird euch dazu gegeben, das findet ihr in allen Schriften. Welch tiefe Bedeutung sie haben! Liebt Gott – Gott wohnt in jedem Herzen. Liebe kennt Geben, und wenn ihr gebt, gebt und nochmals gebt, habt ihr keine Feinde – nichts dergleichen.

Liebe kennt Dienen, und wenn es notwendig ist, auch Opfern. Möchtet ihr nicht, dass das Haus der anderen schön ist? Wenn jeder will, dass das Haus der anderen schön sein soll, wird dann nicht euer Zuhause auch schön sein? Das ist ganz einfach. Liebt andere.

Daher sage ich:

Liebt euren Nächsten wie euch selbst, und Liebe bedeutet Geben, Dienen, Opfern.

Ihr werdet dorthin gehen, wo ihr euch gebunden habt. Wenn ihr Gott liebt und die ganze Menschheit um Gottes Willen liebt, der in allen ist, und all euren Brüdern und Schwestern um Seinetwillen wünscht, dass sie vorankommen, dann seid ihr nicht die Handelnden. Ihr werdet zu Gott zurückgehen, denn ihr habt das alles um Seinetwillen getan.

In der Welt ist nur der ein Mensch, der anderen eine Hilfe ist. Ein Tier sorgt nur für sich und seine Jungen; es kämpft gegen andere. Wenn wir dasselbe tun, sind wir dann nicht schlimmer als Tiere? Gott erwartet mehr von euch, Er hat euer Gesicht nach oben gerichtet. Das ist also das eine: Wenn ihr Gott liebt, wird euch alles hinzu gegeben. Gott wohnt in jedem Herzen. Ihr werdet alle lieben – auch Tiere.

Zu Buddhas Zeit gab es einen Jäger, der einen Pfeil abschoss und die Schwinge eines Vogels traf, der dann flügellahm war. Der Vogel lief zu Buddha – denn der Mensch strahlt das aus, was in ihm ist. In Ihm war Liebe, und so kam der Vogel zu Ihm.

Buddha hob ihn auf, nahm ihn in Seinen Arm und sagte: Dieser Vogel ist mein.

– Nein, erwiderte der Jäger, er gehört mir.

Buddha aber entgegnete: Hätte er dir gehört, wäre er zu dir gekommen.

Versteht ihr? Wenn ihr Liebe ausstrahlt – wird jeder zu euch gehören. Doch unsere Liebe darf nicht unecht sein; unsere Gedanken sind sehr mächtig, sie strahlen aus. Die anderen wissen im Grunde ihres Herzens über euch Bescheid. Wer also Liebe in sich hat, empfindet Liebe für alle. Solche Menschen haben gute Wünsche für alle.

Guru Nanak sagte:

Friede sei auf der ganzen Welt nach Deinem Willen, o Herr!

Wir wollen Frieden? Diese Frage wurde mir letzthin in einer Fernsehsendung gestellt. Wie können wir Frieden erlangen? Solange wir nur bei uns selbst stehenbleiben, bei unseren Familien, unseren Ismen, solange wir uns nicht darüber erheben, wie kann es da Frieden geben? Wenn ihr Gott liebt und euch über die Etiketten erhebt, die ihr tragt, ganz gleich, welche das sind – wenn ihr euch darüber erhebt und Menschen werdet, die das Licht Gottes in sich tragen, werdet ihr jeden lieben, oder? Dann wird Friede sein. Wir haben keinen Frieden, weil wir zum einen auf unseren physischen Körper fixiert sind, dann weiter auf unsere Familie, unsere Gesellschaft, unser Land. Wenn sich die Menschen aber nicht über diese Ismen und über ihre Nationalität erheben, kann kein Friede sein, würde ich sagen.

Liebt, und alles wird euch dazu gegeben – zu Hause, in der Gesellschaft – überall wird das Glück Einzug halten. Wir sind Menschen und müssen uns zu (wirklichen) Menschen entwickeln. All die Ismen, denen der Mensch sich angeschlossen hat, sind Geistesschulen, die zum Ziel haben, vollkommene Menschen aus uns zu machen. Von seinem eigentlichen Wesen her ist der Mensch vollkommen, aber er muss es erst verwirklichen. Das ist die Arbeit der Meister. Es ist ein großer Dienst, den die Erwachten leisten. Und sie verlangen von niemandem, die Kennzeichen (seiner Gemeinschaft) abzulegen. Sie sagen: Bleibt dort, wo ihr seid, das ist in Ordnung; es sind die ersten Schritte, die man tun muss. Wir sind soziale Wesen und brauchen soziale Gemeinschaften, in denen wir leben können. Aber welche ist die bessere Schule? Eine Schule mag riesige Gebäude, ausgezeichnete Sportplätze und gut gekleidete Schüler haben – doch wenn kein Schüler einen erfolgreichen Abschluss schafft? All die Religionsgemeinschaften waren dazu gedacht, vollkommene Menschen zu entwickeln.

Die Vorbereitung darauf ist die Liebe zu Gott. Gott wohnt in jedem Herzen, so werdet ihr natürlich alle lieben. Strahlt ihr Liebe aus, werden euch selbst die Vögel lieben, selbst die Schlangen werden nicht mehr feindselig sein. Handelt danach und ihr werdet sehen. Gedanken sind sehr mächtig, vergesst das nicht.

Einstmals erklärte Birbal, ein Minister von Akbar dem Großen, der damals über Indien herrschte, dass das, was man über andere denkt, bei ihnen dieselbe Reaktion auslöst.

Akbar fragte: Wie kann man das beweisen?

Lasst uns hinausgehen, sagte Birbal, und sie gingen hinaus.

Akbar war barhäuptig. Von weitem kam ihnen ein Mann entgegen, und Birbal sagte: Denkt etwas über ihn.

So dachte Akbar: Ich muss ihn erschießen!

Als der Mann näher kam, sagte der König zu ihm: Dir wird alles vergeben, sage nur die Wahrheit – was fiel dir ein, als du mein Gesicht sahst?

Herr, vergebt mir, doch als ich euer unbedecktes Haupt sah, wollte ich mit Fäusten darauf einschlagen.

So entstehen also Reaktionen: Wir mögen sie verbergen, wir mögen sie leugnen, doch jede Handlung hat eine Auswirkung. Denkt in Liebe an andere, dann strahlt ganz natürlich Liebe von euch aus. Aus Liebe entsteht Liebe, und aus Hass entsteht Hass – so höflich man auch sein mag. Es ist eine Lebensweise. Das lehren die Meister – das Leben in der Welt wird schön und alle Dinge werden euch hinzu gegeben, wenn ihr einfach Gott liebt. Deshalb sage ich euch: Liebt alle – diese Lebensweise sollten wir annehmen. Ihr werdet im weltlichen Leben erfolgreich sein und ihr werdet spirituell vorankommen, beide Aufgaben werdet ihr erfüllen – jetzt und danach, und ihr werdet die Ehre haben, am Hofe Gottes empfangen zu werden.

Warum erinnern wir uns an Nanak, Mohammed, Christus und andere? Sie strahlten Liebe aus. Bei vielen Meistern kennen wir nicht einmal Ihren Vater, entschuldigt; doch die Orte, die Sie besuchten, wurden zu Pilgerorten. Warum? Die von der Welt geliebt werden möchten, hier und danach, sollten Gott lieben. Das ist also mit Liebe gemeint. Wir wissen so viel, wenn wir aber nicht danach leben, wird nichts Wesentliches dabei herauskommen. Spricht das, was ich gesagt habe, euch nicht an? Es ist gesunder Menschenverstand – es geht einfach um Liebe – nicht um Philosophie.

In Lahore kam es einmal vor, dass die Straßenreinigung einen Streik machte. Niemand ging zu irgendeinem Haus, um dort den Unrat zu beseitigen. Innerhalb von drei Tagen gab es keinen sauberen Platz mehr, die öffentlichen Gebäude waren (im Schmutz) eingebettet, man konnte nicht mehr atmen.

Was taten die Leute? Es gab einen Ausweg: Sie hätten zusammen den ganzen Müll einsammeln und zu einem Platz außerhalb der Stadt bringen können.

Doch stattdessen warfen sie sich den Abfall gegenseitig vor die Häuser, jeder tat das gleiche. Jeder wollte, dass der Schmutz (nicht vor seinem, sondern) vor dem Haus des Nachbarn lag, und so wurden alle Häuser schmutzig.

So verhaltet ihr euch, und das ist der Blickwinkel, von dem aus die Meister die Dinge sehen. Und alle, die nach dem leben, was die Meister sagen, werden glücklich.