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Wie man Empfänglichkeit entwickelt – II

22. Januar 1968

Wenn ihr eine Ausbildung wollt, müsst ihr in jedem Fall auf eine Schule oder Universität gehen. Wenn ihr Medikamente braucht, geht ihr zum Arzt. Ähnlich geht ihr in ein Bekleidungsgeschäft, wenn ihr Kleidung wollt. Und wenn ihr Gott finden wollt, müsst ihr zu einem Wahren Heiligen oder Meister gehen. Was ist ein Meister? Er ist das Fleisch gewordene Wort, das unter uns wohnt. Gott ist überall, aber im Meister ist Er offenbart.

Die Gemeinschaft mit Sat wird Satsang genannt. Sat ist unwandelbare Dauer. Es ist ewig seiend. Wenn sich unsere Seele durch den Prozess der Selbstanalyse von Gemüt, Materie und den Sinnen befreit, erkennt sie die kontrollierende Kraft, die bereits in uns ist und uns im Körper überwacht. Diese Beherrschende Kraft oder Gott ist in jedem von uns. Aber unsere Seelen haben sich mit Gemüt und Sinnen so sehr identifiziert, dass wir uns selbst und die Überseele oder Gott vergessen haben. Doch eine Seele, die Sich durch Selbstanalyse und Erheben über das Körperbewusstsein Selbst erkannt hat, sieht Gott, so wie ich euch sehe und ihr mich. Solch ein Mensch wird Meister oder Heiliger genannt. Wo immer Er sitzt, da ist eine Ausstrahlung. Sie dringt aus jeder Pore Seines Körpers, aber offenbart sich besonders durch Seine Augen. Die Augen sind die Fenster der Seele. Seine Seele ist von der Liebe zu Gott berauscht und wenn ihr in Seine Augen schaut, nehmt ihr diese Ausstrahlung auf.

Wenn ihr die Gemeinschaft mit einem Heiligen wirklich nutzen wollt, müsst ihr rein sein. Wenn ihr zu einem Meister geht, solltet ihr alles vergessen. Vergesst, was um euch ist und wer neben euch sitzt. Richtet eure ganze Aufmerksamkeit auf die Augen des Meisters, in denen Seine Seele strahlt. Ihr müsst empfänglich werden, wenn ihr den vollen Nutzen aus der Gemeinschaft mit einem Heiligen ziehen wollt. Jene, die dem Meister nahe kommen und ihre Gedanken von einem zum anderen schweifen und fortwährend kleine Wellen auf dem See ihres Gemüts entstehen lassen, können keine Empfänglichkeit entwickeln. Sie können nicht den vollen Segen von der Ausstrahlung des Meisters haben, die von Seinem ganzen Körper und besonders von den Augen ausgeht. Selbst Tausende von Kilometern entfernt könnt ihr diesen Segen erhalten. Im Radio hört ihr über weite Entfernung, was jemand sagt. Durch das Fernsehen seht ihr auch, wer spricht. Das Wort ist überall. Wort oder Naam oder Shabd – das ist ein und dasselbe.

Die Schwingung eines Menschen, in Dem sich das Wort offenbart, breitet sich über die ganze Welt aus. Wer Gemüt und Intellekt zur Ruhe bringt, wird empfänglich und ist wirklich gesegnet.

Kabir sagt:

Wenn der Meister Tausende von Kilometern jenseits des Meeres lebt und der Schüler diesseits, so braucht er nur seine Aufmerksamkeit auf den Meister zu richten.

Das Wort ist überall, ihr braucht nur empfänglich zu werden. Wenn ihr empfänglich werdet, wird euch der volle Segen des Satsangs zuteil. Wenn ihr also Gott finden wollt, dann geht zu einem Meister. Lasst nichts zwischen euch und dem Meister stehen, nicht einmal Seinen Körper. Wenn ihr euch mit eurer ganzen Aufmerksamkeit in die Augen des Meisters vertieft, werdet ihr Seine ganze Ausstrahlung aufnehmen und beseligende Berauschung erfahren. Das ist der einfachste und schnellste Weg, den besten Nutzen aus der Gemeinschaft mit einem Heiligen zu ziehen. Wenn ihr empfänglich werdet, erhaltet ihr eine höhere Berauschung. Ihr werdet die Welt vergessen. Wenn ihr empfänglich werdet, gibt euch das Jenseits eine weitaus größere Freude und Seligkeit als die äußeren Dinge.

Wir sind bewusste Wesen und sollten für das Wort oder Naam, das sich als Licht und Ton offenbart, empfänglich werden oder uns damit verbinden. Je mehr ihr euch mit dem Wort oder Naam verbindet, desto mehr Seligkeit und Berauschung werdet ihr, verglichen mit irgend etwas Äußerem, erfahren. Das Gemüt wird ruhig.

Die Upanishaden sagen:

Was ist das, durch dessen Erhalt du nichts anderes mehr brauchst?

Es ist die Verbindung mit dem Licht und dem Tonstrom des Fleisch gewordenen Wortes. Die Gemeinschaft mit Einem, Der das Fleisch gewordenene Wort ist, wird also Satsang genannt. Dort könnt ihr die Ausstrahlung Gottes erfahren – selbst über Tausende von Kilometern hinweg, wenn ihr empfänglich werdet.

Deshalb sagt Maulana Rumi:

Auch wenn ihr nur zwanzig Minuten bei einem Heiligen sein könnt, so gibt euch diese kurze Zeit weitaus mehr als Jahrtausende ehrlicher Bußübungen.

Wenn das Feuer brennt, setzt euch dazu. Wenn das Feuer auflodert, wird alles verbrannt (das heißt, es ist weit wirksamer und einfacher, unsere Sünden durch die Gemeinschaft mit dem Meister wegbrennen zu lassen als durch Bußübungen). Wenn sich das Wort irgendwo offenbart und ihr dafür empfänglich werdet, kommt euer Gemüt zur Ruhe. Dann könnt ihr euch selbst und auch Gott in Ihm widerspiegeln. Das Einzige, was zwischen Gott und euch selbst ist, ist das Gemüt. Ihr braucht nichts äußeres in euch aufzunehmen. Er ist bereits in euch. Wenn die stürmischen Wogen des Gemüts geglättet sind, könnt ihr euer wahres Gesicht darin sehen. Versteht ihr nun, wie ihr den vollen Nutzen aus der Gemeinschaft mit dem Meister ziehen könnt?

Gott findet man weder in Büchern, da sie nur von Ihm berichten, noch in den steinernen Tempeln von Menschenhand. Dort versammeln wir uns nur, um zu Gott zu beten oder Ihm für alles zu danken, was Er uns gegeben hat. Er wohnt in euch. Der Körper ist der wahre Tempel Gottes. Wenn ihr das verstanden habt, wo sucht ihr Ihn dann wohl?

Zuerst in euch selbst. Zieht euch von außen zurück und erhebt euch zum Sitz der Seele hinter den Augen. Wenn ihr euch dort konzentriert, wird euer inneres Auge geöffnet und ihr seht Gott in euch. Aber ihr könnt Seine Ausstrahlung auch dort erhalten, wo Er bereits offenbart ist. Wenn ihr nur kurze Zeit bei einem menschlichen Körper seid, in Dem sich Gott offenbart, werdet ihr schneller fortschreiten. Deshalb wird in allen heiligen Schriften mit so großer Hochachtung vom Satsang oder der Gemeinschaft mit einem Heiligen gesprochen. Durch diese Ausstrahlung wird eure Entwicklung beschleunigt. Die gleiche Gotteskraft ist in euch, aber sie schläft noch. Sie wird bei der Initiation erweckt und erhält dann durch die Ausstrahlung des Meisters weiteren Auftrieb. Deshalb heißt es: Wenn ein gefühlvoller Blick eines Heiligen in eure Seele strahlt, erhebt Er euch zu eurem Selbst, und ihr seht das Licht Gottes in euch. Ein einziger gnadeverströmender Blick des Meisters genügt. Er gibt uns Auftrieb.

Das ist gemeint, wenn es heißt:

Je mehr ihr in der Gemeinschaft eines Heiligen seid, um so besser für euch.

Je empfänglicher ihr werdet, indem ihr Ihm nahe seid, um so gesegneter werdet ihr sein. Nur zu kommen und wieder zu gehen ist nicht genug. Erst die Empfänglichkeit gibt euch wesentlichen Gewinn. Je mehr Zeit in der Gemeinschaft eines Heiligen verbringt, desto besser ist es. Selbst wenn ihr nicht direkt bei Ihm seid, könnt ihr, wenn ihr Empfänglichkeit entwickelt, auch sehr weit weg in eurer Wohnung, durch Ihn gesegnet sein. Diese Empfänglichkeit entsteht nur, wenn sich nichts mehr zwischen euch und dem Meister befindet, auch wenn ihr Tausende von Kilometern entfernt seid. Nichts sollte zwischen euch und dem Meister stehen, weder weltliche Dinge noch euer Körper oder Gemüt. Setzt euch in liebevollem Gedenken nieder, und ihr werdet Empfänglichkeit entwickeln.

Natürlich darf man den Wert der direkten Gemeinschaft mit dem Meister nicht unterschätzen. Je empfänglicher ihr Ihm gegenüber werdet, desto mehr werdet ihr von Ihm haben; und diese Empfänglichkeit könnt ihr auch entwickeln, wenn ihr von Ihm weit entfernt seid. Nur wenn ihr sie entwickelt habt, könnt ihr auch aus der Ferne Nutzen ziehen. Wenn ihr Ihn von Angesicht zu Angesicht seht, nehmt ihr die Ausstrahlung direkt auf und das gibt euch natürlich Kraft. Wenn ihr Empfänglichkeit entwickelt, dann könnt ihr sie auch Tausende von Kilometern hinweg erhalten.

Wenn jemand um Initiation bittet, gebe ich einfach die Erlaubnis und weise den Repräsentanten an:

Gut, lass ihn meditieren.

Wem diese Meditation gewährt wird, der erhält die gleiche Erfahrung wie in direktem Kontakt. Das bewirkt Shabd oder das Wort, das überall ist. Ich denke nun, dass ihr euch darüber im Klaren seid, dass ihr größeren Nutzen haben könnt, wenn ihr empfänglich werdet. Je mehr Zeit ihr direkt mit ihm verbunden seid, desto besser. Wenn nicht – weil das nicht vierundzwanzig Stunden am Tag möglich ist – entwickelt Empfänglichkeit durch Meditation bei euch zu Hause. Wenn sie entwickelt ist, dann erfreut ihr euch an Ihm, wohin ihr auch geht.

Das Wort durchdringt alles. Es vibriert im ganzen Universum und ist besonders im Fleisch gewordenen Wort konzentriert. Eine Schwingung, die von Ihm ausgeht, setzt sich durch das ganze Universum fort. Ihr müsst nur dafür empfänglich werden – das ist alles. Dann spielt es auch keine Rolle, ob jemand hier sitzt oder weit entfernt ist. Es ist nur eine Sache der Aufmerksamkeit oder Empfänglichkeit für das Wort oder Shabd, das alles durchdringt. Wo es sich offenbart, von dort strahlt es aus, und diese Schwingung durchdringt die ganze Welt. Wisst ihr jetzt, was der Meister wirklich ist? Von solchen Meistern sprechen alle Schriften.