Die Sehnsucht nach dem Yogi1

Jogiaji nis din joun bat

Geliebter Yogi, Tag und Nacht, erwarte ich Dich sehnsüchtig. Der Pfad zu Dir ist beschwerlich, schmal und hart; meine Füße finden keinen Halt.

Als Du in meine Stadt kamst, fandest Du mich, als es mir an Liebe mangelte. In meiner Ignoranz machte ich einen Fehler und überredete Dich nicht zu bleiben.

Tagelang habe ich gewartet, aber, o Yogi, Du bist nicht gekommen. Bitte, gib Deinen Darshan2 jetzt, und lösche das wütende Feuer der Trennung, welches mein ganzes Dasein versengt.

Entweder mein geliebter Yogi ist in dieser Welt nicht mehr am Leben, anderenfalls hat Er mich vergessen. Was soll ich tun, o Freund? Wohin kann ich für Trost gehen? Tränen in Sehnsucht vergießend haben meine Augen ihre Sehkraft verloren.

O Yogi, ich bin in Innerer Pein. Erinnere Dich, dass ich Dein Eigen bin und komm, beende mein Leiden. Mira welkt in Qualen dahin, ohne Dich krümmt sie sich wie ein Fisch ohne Wasser.

Mira Bai

Jogia se preet kiyan dukh hoi

Liebe für den Yogi führt zu Kummer. Da ist kein Genuss in Seiner Liebe, denn der Yogi ist niemandes Freund.

Ohne Dich, o Yogi, bin ich rastlos; Tag und Nacht sehne ich mich nach Dir. In dieser ganzen Welt habe ich nirgends ein Gesicht so strahlend und wunderschön wie Deines gesehen. Du bist Miras geliebter Herr. Ich flehe, wann wirst Du sie treffen? Nur wenn sie Dich trifft, wird Mira glücklich sein.

Mira Bai

Jogi mhane daras diya

O Yogi! Nur Dein Darshan wird mein Leid und Seelenpein beenden, ansonsten ist das Leben in dieser Welt für mich eines von unendlichem Elend. Tag und Nacht, jeden Moment sehne ich mich und sieche, ohne Dich. Wahnsinnig in meinem Verlangen nach einem Anblick Deines Gesichts, streifte ich suchend nach Dir in alle Himmelsrichtungen; ohne Nutzen. Mira, Dein Sklave, ist kraftlos geworden, und ihre einst dunklen Locken sind mit dem Alter grau geworden.

Mira Bai

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Fußnoten: 1) Mira schrieb einige Lieder, welche an den Yogi – ihren Meister Ravi Das – adressiert waren. Voll von Liebe schreibt sie über ihre Suche und Sehnsucht nach Ihm. Aus historischen Überlieferungen können wir erkennen, dass ihr Kontakt zu ihrem Meister, Ravi Das, nicht andauernd war und sie ihren Aufenthaltsort oft wechselte.

In Rajasthan wurde die Bezeichnung ‚Yogi‘ gewöhnlich verwendet, um heilige Personen zu benennen. Ein Heiliger im Sinne des Pfades des Sant Mat ist nicht mit den Schülern oder Lehrern der gewöhnlichen Yoga-Pfade, wie beispielsweise Raja- oder Karma-Yoga, zu verwechseln. (Für genauere Informationen über die gewöhnlichen Yoga-Pfade und den enormen Unterschied zum Pfad der Heiligen, dem Pfad von Licht und Ton, wird auf das Buch ‚Die Krone des Lebens‘, von Kirpal Singh, 1894–1974, hingewiesen.)

Durch einen Wahren Heiligen gewährt der Allmächtige dem aufrichtigen Sucher eine Verbindung mit der Göttlichen Musik und dem Inneren Licht. Denn wie es auch im Guru Granth Sahib geschrieben steht, ist die Erlösung und das Entkommen aus dem Kreislauf von Geburt und Tod nur durch die Verbindung mit Shabd möglich.

2) Einen Heiligen anschauen oder einen Blick von Ihm erhaschen. Die Wurzel stammt aus dem Sanskritwort ‚drish‘ – sehen.