Kapitel V

Kabir über Simran

Ich gab eine Übersicht über das gesamte Thema, das im Zusammenhang mit Simran steht.

Es wird nicht unangebracht sein, euch nun mit den Aussprüchen der verschiedenen Heiligen zu diesem Thema bekannt zu machen. Zunächst die Erklärung von Sant Kabir. 

Er sagt:

Der Name Gottes ist erquickend. Er heilt alles Übel. Sich der Namen Gottes zu erinnern, führt überdies zu Ihm.

Weiter sagt Kabir:

Bei der Hohen Liebe ist derjenige Groß – ob reich oder arm – der betet, und noch größer der, der es ohne einen besonderen Grund tut.

Geld und Macht machen noch keinen Menschen aus. Armut und Reichtum sind beide vergänglich. Ein Mensch, der Simran übt, steht weit über der ganzen Menschheit. Er ist weit mehr gesegnet als die Übrigen. Die meisten Menschen sehnen sich nach weltlichen Dingen. Die einen möchten gerne Kinder haben, andere verlangen nach Reichtum, wieder andere nach Ehre und Ruhm. Der gütige Vater gewährt natürlich die Bitten aller. Ein Mensch des Simran jedoch, bittet um nichts. Er sucht Gott um Seiner Selbst willen, und daher ist dies der Höchste Ruhm für ihn.

Akbar, der große Mogul-Kaiser, verirrte sich einst während eines Rittes und wurde durstig. 

Er bat einen Bauern, der bei einem Brunnen stand, um Wasser. Der Bauer band das Pferd des Kaisers an einen in der Nähe stehenden Baum, gab ihm, von dem er nicht wusste, wer er war, Wasser und Nahrung, und der Kaiser, dem diese Gastfreundschaft gefiel, erzählte ihm, wer er war, und hieß den Bauern zu ihm kommen, wann immer er etwas nötig habe. Nach einiger Zeit hatte der Bauer eine Gelegenheit, die Hauptstadt zu besuchen. Er ging zum Kaiser, wie ihm zu tun geheißen wurde. Als er zu des Kaisers Palast kam, fand er den Kaiser im Gebet und hörte, dass dieser am Ende Gott um Frieden und Wohlstand seines Reiches bat. Als er dies hörte, fühlte sich der Bauer erniedrigt, dass er gekommen war, um von einem Bettler etwas zu erbitten; denn er konnte sich ja auch selbst direkt an den Großen Gott wenden, Der die Gebete der Reichen und Armen gleicherweise erhört.

Guru Nanak sagt:

Warum sollten wir von Gott weltliche Dinge erbitten?

All jene, die den Körper und die körperlichen Beziehungen lieben, gehen den Weg zur Hölle; aber jemand, der ohne besonderen Anlass Simran übt, ist wahrhaftig groß. Gewöhnlich bitten wir um die Erfüllung unserer Wünsche und Sehnsüchte. Solange ein Mann oder eine Frau davon erfüllt ist, bleibt der menschliche Körper weit davon entfernt, ein Tempel Gottes zu sein, er ist eine Wohnstätte des Satans.

Deshalb sagt Kabir:

Dass Gott diejenigen liebt, die Ihn allein lieben, zu keinem anderen Zweck als nur der Liebe Gottes wegen. 

Dasselbe ist auch in den Sikh- Schriften gesagt: 

Worum sollte ich bitten? Es gibt nichts Dauerhaftes auf der ganzen Welt. Ich sehe, wie die ganze Welt vergeht.

Kabir sagt:

Im Leid beten wir zu Gott, in der Freude vergessen wir Ihn. Könnten wir in der Freude beten, dann würde das Leid nicht kommen.

Wir denken an Gott nur, wenn wir von allen Seiten sehr bedrängt werden. Es ist das Leiden und nicht der Überfluss, das uns Gottwärts wendet. Wenn jemand Gott im Glück nicht vergessen würde, so würde ihm das Unglück nie nahe kommen.

Schwere Zeiten kommen nur als Resultat der Sünden, die wir begingen, als wir Gott vergessen hatten. Simran, oder dauerndes Denken an Gott ist ein Heilmittel für die Seele. Es macht den Willen von Tag zu Tag stärker. Sorgen und Prüfungen, wie schwer sie auch immer sein mögen, können den Menschen nicht niederdrücken. Mit lachendem Gesicht kommt er unversehrt durch die Schicksalsstürme hindurch.

Simran ist ein Heilmittel für alle Leiden der Welt. Er ist eine mächtige Hilfe und wirkt Wunder, indem er Leiden beseitigt, wo alle menschlichen Bemühungen fehlschlagen. Ein Mensch, der Simran übt, hat nie Furcht oder Sorgen. Wenn Simran sehr wirksam sein soll, muss er dauernd und unaufhörlich geübt werden.

Moses, der Prophet der Hebräer, glaubte einst, dass er der Ergebenste in der ganzen Schöpfung sei. 

In einer egoistischen Gemütsaufwallung fragte er Gott, ob es in der Welt einen größeren Ergebenen gäbe als ihn. Und der Große Gott sagte zu Moses, dass unter Seinen Ergebenen außer den menschlichen Wesen auch viele Vögel und Tiere seien. Auf einen einsamen Vogel im Dschungel hinweisend, führte Gott Moses zu diesem, damit er die ganze Tiefe der Ergebenheit dieses Vogels kennenlernen konnte. Da Moses die Sprache der Vögel nicht verstand, stattete ihn Gott mit einem Verstand aus, der ihm ein Gespräch mit dem Vogel ermöglichte. Moses näherte sich dem Vogel und erkundigte sich, wie es ihm erginge. Der Vogel erwiderte, dass er damit beschäftigt sei, ständig an Gott zu denken und es sich darum schlecht leisten könne, Zeit für eine unnütze Unterhaltung zu verschwenden, wenn es nicht um des Geliebten willen wäre, der Moses zu ihm geschickt habe. Daraufhin fragte der Prophet den Vogel, ob er irgendeine Not leide, bei der er von Hilfe für ihn sein könnte. Der Vogel erwiderte, dass er keinerlei Not litte, doch falls der Prophet ihm einen Gefallen tun wolle, bat er ihn, die Wasserquelle, die in einiger Entfernung lag, näher zu ihm zu bringen, da ein Flug dorthin, um seinen Durst zu löschen, störend auf seinen Simran einwirken würde. Dieser Vorfall demütigte den Stolz von Moses.

Guru Nanak sagte ebenso:

Wenn ich Dich, o Gott, auch nur für den Bruchteil einer Minute vergesse, zählt dies für mich mehr als fünfzig Jahre.

Und wieder sagt Er:

Nur der lebt wirklich, der dauernd an Gott denkt, o Nanak, alle anderen sind gleichsam tot.

Simran muss um jeden Preis geübt werden. Sich dauernd an Gott zu erinnern, wirkt lebenspendend für den Ergebenen.

Guru Nanak sagt:

Wenn ich an Dich denke, lebe ich; wenn ich Dich vergesse, bedeutet dies den Tod für mich.

Man hat vieles erdacht, um die Konzentration zu entwickeln. Einige stehen Stunden um Stunden, andere halten die Arme hoch, wieder andere machen Atem-Übungen wie Pranayama, und einige schlafen auf Nägeln oder sitzen in der glühenden Sonne mit vier Feuern um sich herum – d. h. Panch Agni Tap oder die Härte der fünf Feuer. Aber all dies sind künstliche Methoden.

Simran oder das Denken an Gott ist die einzige natürliche Methode und am leichtesten zu befolgen und zu entwickeln. Sie kann mit derselben Leichtigkeit von Jungen und Alten, im eigenen Heim und inmitten von Freunden und Verwandten wie auch während der Arbeit geübt werden.

Kabir sagt ferner:

Wir vergessen das Gebet in der Freude und beten nur im Leid; darum, sagt Kabir, sind solche Gebete vergebens.

Da wir nur an den Herrn denken, wenn wir in Sorgen sind, und uns nie um Ihn kümmern, wenn wir in guten Verhältnissen leben, darum – sagt Kabir – hört Gott auch nicht auf solche selbstsüchtigen Gebete, die wir vergebens in Not und Bedrängnis murmeln, oder wenn wir in einen Prozess usw. verwickelt sind.

Das Gebet sollte unaufhörlich sein und überfließend wie die Leidenschaft eines Liebenden, der seine Liebe auch nicht für einen Augenblick vergisst. Wenn sich ein Mann in eine Frau verliebt, trägt er ihr Bild immer in seinem Herzen, ob er wacht oder schläft, sitzt oder steht. Wenn man die Liebe zu Gott so in sich tragen könnte, wäre dies wahrlich wunderbar.

Kabir erklärt weiter, wie dieses liebevolle Denken an Gott gehandhabt werden soll, und gibt ein anderes, gleichartiges Beispiel.

Er sagt:

Verrichte das Gebet wie die Dorfmädchen es machen, die sich erzählend bewegen und doch die Aufmerksamkeit immer auf die Krüge, die sie auf ihren Köpfen tragen, gerichtet halten.

Der tägliche Lebensablauf beeinträchtigt den Simran nicht, sagt Kabir.

Wenn die Dorfmädchen Wasser holen gehen, tragen sie Krüge voller Wasser, einen auf dem anderen, auf ihren Köpfen, und obgleich sie nicht auf den Weg achten können, scherzen und erzählen sie unter sich, während die Krüge auf ihren Köpfen ruhig stehen bleiben, da ihre Aufmerksamkeit immer auf sie gerichtet ist.

Auf dieselbe Weise braucht man auch Simran inmitten des Gedränges und Gehetzes des Lebens und der weltlichen Verpflichtungen nicht zu vergessen.

Nochmals sagt Kabir:

Achte auf das Gebet wie die Kühe auf ihre Kälber, die nie die Jungen vergessen, obwohl sie auf der Wiese weiden.

Wenn ein Viehzüchter die Kühe zum Weiden führt, vergessen sie nicht die Jungen, die sie im Stall zurücklassen. Während sie emsig auf der Wiese grasen, bleibt ihre Aufmerksamkeit bei den Kälbern. Auf diese Weise sollten wir bei der weltlichen Beschäftigung nicht den Zweck und das Ziel unseres Lebens vergessen, nämlich die Gottverwirklichung.

Kabir gibt noch ein anderes Beispiel, um zu erklären und deutlich zu machen, dass wir an Gott denken sollten.

Achte auf deine Gebete wie die Geizhälse auf ihren Reichtum, deren Sinn dauernd auf das angehäufte Geld gerichtet ist.

Ein Armer sammelt sein Geld, indem er Pfennige erbettelt, und zählt es Tag und Nacht. Ob schlafend oder wachend, träumt er die ganze Zeit von seinem kleinen Schatz. Genau wie ein Armer sollten wir immer über Simran, den wir üben, Rechnung führen und versuchen, den Reichtum von Naam anzuhäufen, und ihn nicht für einen Augenblick vergessen.

Kabir hat so viele Beispiele gegeben, damit wir den Wahren Wert des echten Simran, der immer Frucht trägt, verstehen können.

Liebe das Gebet wie das Wild den Trompetenschall liebt, das um dieses geliebten Tones willen Leben und Freiheit riskiert.

Das schnellfüßige Wild, das nicht auf andere Weise gefangen werden kann, wird von den Jägern durch die Trommel eingefangen. Es liebt diesen Ton so sehr, dass es unwiderstehlich von Ihm angezogen wird, und sein Kopf hilflos auf dieses Instrument legt. Auf genau dieselbe Weise wird das immer ruhelose Gemüt bezaubert, ruhig und bewegungslos, wenn es einmal den Inneren Tonstrom hört. Wenn die Seele von den Fangarmen oder Klauen des Gemüts befreit ist, wird sie sich leicht zu den Höheren Regionen aufschwingen.

Er gibt ein anderes Beispiel:

Liebe das Gebet so, wie die Motte das Licht liebt, in dessen Flamme sie verbrennt, sich aber niemals abwendet.

Licht ist Leben für die Motte. Sie liebt es so leidenschaftlich, dass sie nicht zögert, sich lieber tödlich zu versengen, als es zu meiden. Deshalb sagt Kabir, dass wir den Simran wie den Atem unseres Lebens lieben müssen, ganz gleich, ob wir reich oder arm, gesund oder krank, wachend oder schlafend sind, und dass wir wie die Motte immer bereit sein sollten, uns selbst zu opfern in der Hingabe an unser Ideal.

Wieder sagt Er:

Verliere dich selbst im liebenden Gedenken wie das Insekt Bhirangi, das fürwahr sich selbst verliert, um sich bhirangi gleich wieder zu erheben.

*Bhirangi, ein Insekt, nachdem es beinahe ein Keet, ein anderes Insekt, getötet hat, belebt das Letztere wieder, indem es ihm seine kraftvolle Aufmerksamkeit schenkt. Das Keet, wenn es wieder ins Leben zurückgeholt wird, ist nicht länger ein Keet, sondern wird ein Bhirangi-Wesen, durchdrungen vom Lebensimpuls des Letzteren.

Auf dieselbe Weise sagt Kabir, dass jemand, der Simran übt und fest darin verwurzelt wird, eine neue Geburt und ein neues Leben haben wird, gänzlich verschieden von dem alten sinnlichen Leben, das er bislang gelebt hatte.

* (Die Übersetzung dieses Abschnitts ist an die
englischsprachige Zweite Edition von 1967 angeglichen;
Anm. d. Redaktion 2011.)

Dieses ist die zweite Geburt, von der alle Heiligen sprechen.

Christus hat gesagt:

Es sei denn, dass ihr von neuem geboren werdet, so könnt ihr das Ewige Leben nicht haben.

Es sei denn, dass jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.

Zuerst wurdet ihr aus Wasser geboren, und nun sollt ihr aus dem Geist geboren werden – die erste Geburt war verweslicher Natur, aber die zweite wird unverweslicher Natur sein.

Dies kann die Geburt in Christo genannt werden, und wenn sie tatsächlich stattfindet, kann man wie Paulus sagen:

Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir.

Das Gesetz des eingepflanzten Lebens wirkt in Pflanzen genauso wie in Menschen und steht im Einklang mit den Gesetzen der Natur.

Hazrat Baziad Bustanvi, ein Mann von äußerster Frömmigkeit und Hingabe, schaute einmal in Sich hinein und konnte außer Gott nichts finden. In einem Zustand Göttlicher Trunkenheit rief Er aus:

Ich bin Gott.

Seine Schüler, die offenbar nicht gewohnt waren, solch frevelhafte Worte zu hören, überlegten, was mit dem Pir, Meister geschehen sein könnte. Nach einiger Zeit, als dieser aus dem unbewussten Zustand zurückkam, fragten sie Ihn, wieso Er ausgerufen habe, dass Er Gott sei, was doch ganz im Widerspruch zu Seinen sonstigen Erklärungen stand, dass Gott nicht in einen menschlichen Körper kommen könne. Der Meister sagte ihnen, dass dieses Ich bin Gott, nicht von Ihm sei, sondern von einem anderen ausgerufen worden war. Er konnte gemäß dem Gesetz des Korans wegen Ketzerei verurteilt werden, wenn Er solch gotteslästerliche Worte geäußert hätte. Nach einiger Zeit wurde Hazrat wieder einmal von Göttlicher Trunkenheit ergriffen und rief wieder aus:

Ich bin Gott.

Diesmal fielen einige Seiner Schüler über ihren Meister mit Stöcken, Speeren und Schwertern her.

In der Maulana Masnavi, der poetischen Originalerzählung darüber, die von Maulana Rumi geschrieben wurde, ist geschildert:

Dass jeder, der einen Schlag auf des Meisters Kopf, Hände oder Beine abzielte, seine eigenen Glieder abgeschlagen bekam, während der Meister Selbst weiterhin Ich bin Gott ausrief. Die Schüler waren höchst verblüfft und erkundigten sich beim Pir nach der Bedeutung dieses Vorfalls. Mit lächelndem Gesicht belehrte sie der Meister, dass Jemand, Der Seine kleine Wesenheit – die Seele – mit der Größeren Wesenheit – der Überseele – verschmilzt, mit Gott Eins wird, und Ihn dann niemand schlagen oder verletzen könne.

So ist auch im Ghat Ramayam, Heiliges Buch der Hindus erwähnt, dass Tulsi Sahib von Hathras, ein Mann von großer Frömmigkeit, sagte, als Er einst bei Baji Rao Hulkar, einem Maharatta-Führer aus Stara, einer früheren Provinz in Indien war:

Während die Menschen mein physisches Kleid sehen, nämlich den Körper, lebe ich in Wirklichkeit außerhalb von ihm.

Als unser eigener Meister Hazur Baba Sawan Singh Ji auf einer Reise einmal in Gujranwala, einer Stadt im Punjab war, kamen einige Gegner in der Absicht, Ihn zu bekämpfen. Der Meister war in Seinem Innern. Er erhob Sich in einem Zustand Göttlicher Trunkenheit und sagte:

Seht mich an, wer bin ich?

Da war alles still. 

Dies ist die allgemeine Erfahrung jener, die zuweilen Gottberauscht sind. Durch derartige Berichte wird die Wahre Bedeutung des Simran an den Tag gebracht. Sant Kabir gibt so viele Beispiele.

Er sagt:

Liebe das Gebet wie der Fisch das Wasser, der lieber stirbt, als sich von seinem Element zu trennen.

Wasser ist das Lebenselement des Fisches, ohne das er nicht existieren kann. Ein Fisch würde lieber sterben, als auch nur einen einzigen Augenblick ohne Wasser zu leben. Auf ähnliche Weise ist Simran das Lebenselement, in welchem wir leben, uns bewegen und unser Sein haben. Wenn wir diese fundamentale Wahrheit nicht tatsächlich durch die Praxis verwirklichen, können wir keinen Frieden haben.

Nun erklärt Er weiter:

Lasst uns beten mit unserem ganzen Herzen in der Stille der Seele, abgeschlossen von der äußeren Welt, damit die Wahrheit im Innern offenbar werden kann.

Simran muss mit der Zunge des Gedankens geübt werden und nicht mündlich. Es ist ein völlig innerer, geistiger Vorgang, der nur zu üben ist, wenn die Ausgänge für die nach außen strebenden Kräfte geschlossen sind. Die Schätze des Simran sind von den weltlichen Menschen zu verbergen. Es ist der kostbarste Reichtum, dessen Wert die weltlich gesinnten Menschen schwerlich erkennen können.

Die Wahrheit dämmert nur, wenn ihr sanft an den Schleier hinter den Augen klopft.

Auch Christus sagte in dieser Hinsicht:

Suchet, und ihr werdet finden – klopfet an, und es wird euch aufgetan.

In Bezug auf die äußere Methode, die gewöhnlich anstelle von Simran geübt wird, sagt Kabir:

Wenn wir die Perlen des Rosenkranzes abbeten, befriedigen wir uns selbst, haben jedoch nie einen Gewinn. Doch wenn wir eine Perle aus unserer Seele machten, würde ein Inneres Licht zu leuchten beginnen.

Das Abbeten der Rosenkranzperlen befriedigt nur das Gemüt, aber es führt zu nichts sonst. Doch wenn ihr Geistesperlen dreht, werdet ihr Gottes Licht im Innern sehen.

Kabir Sahib sagt:

Dass kaum eine Notwendigkeit für Rosenkränze besteht; denn während die Hände mit dem Abzählen der Perlen beschäftigt sind, ist der Geist äußerlich auf die Perlen gerichtet, und kann sich unmöglich Innerlich zurückziehen; aber ohne dies gibt es keinen Gewinn. Wenn hingegen der Geist einmal völlig in Simran, für geistige Konzentration vertieft ist, wird der eiserne Vorhang, durch die Zauberworte – Sesam, öffne dich - aufgerissen.

Er sagt:

Äonen sind vergangen beim Abbeten von Rosenkranzperlen, doch unser Geist hat sich nicht geändert. So werft die hölzernen Perlen weg und nehmt die geistigen Perlen.

Darum sagt Kabir:

Wir vergeuden unser ganzes Leben im Verrichten äußerer verdienstvoller Werke, doch die Seele findet keinen Einlass. Der Schleier Innen gibt den Weg nicht frei und so bleibt sie draußen. Wir sollten daher die geistigen Perlen drehen, was der Seele Zutritt zu den Inneren Spirituellen Bereichen verschafft. Es ist, als drückt man die Hälfte eines Druckknopfes in den dazu gehörigen Teil.

Kabir erklärt weiter:

Die erhabenen symphonischen Weisen Göttlicher Herkunft erklingen unaufhörlich und bezwingen das Gemüt.

Bei der Konzentration kommt nach und nach ein Gefühl der Erstarrung in Hände und Füße und dehnt sich auf den übrigen Körper aus, bis der Sinnesstrom im Brennpunkt, dem Zentrum der Seele hinter den beiden Augenbrauen – von hier geht der Sinnesstrom im Wachzustand aus – gesammelt ist. Die konzentrierte Energie fällt dann zurück auf den Schleier hinter den Augen, der dadurch auseinander gerissen wird und einen herrlichen Ausblick freigibt.

Abwechselnd erscheinen Sonne und Mond mit einem Melodischen Tonstrom, Der Sich aus dem Jenseits erhebt. Diese Ununterbrochenen Töne klingen von selbst weiter. Wenn diese Stufe erreicht ist, hat der Aspirant nichts weiter zu tun, als sich völlig in Sie zu vertiefen.

Kabir sagt ferner:

Der Wahre Rosenkranz liegt im Geist; alles andere ist nur leerer Schein und weltliches Zurschaustellen. Schaut hin, der Rosenkranz am persischen Rad zieht nur Wasser hoch.

Wenn Simran wirksam sein soll, sollte dies durch Liebe, Zuneigung und Hingabe gekennzeichnet sein. Wenn der Rosenkranz allein zu Gott führen würde, könnte dies der große Rosenkranz am persischen Rad ebenso gut. Doch unsere tägliche Erfahrung zeigt, dass sie verfehlen, etwas Ähnliches zustande zubringen. – Die Rosenkränze des persischen Rades sind die Seile, an denen die Wasserkrüge befestigt werden, und sie bringen nur Wasser zutage, sonst nichts.

Etwas Ähnliches haben die Chinesen erfunden: die Gebetsmühle. Wenn sie einmal in Bewegung gesetzt ist, macht sie ungefähr tausend Runden. Sie schreiben ein Mantram oder eine heilige Hymne auf ein Stück Papier, stecken es an das Rad, setzen es in Bewegung und sind befriedigt in der Vorstellung, die heiligen Namen tausendmal wiederholt zu haben; aber es ist nutzlos. 

Genauso mag man gleich einem Papagei tausende Male Mantrams wiederholen, aber es kann keine Frucht tragen.

Unter den orthodoxen Hindus gibt es einen Brauch, bei dem man Ram-Ram oder das Wort Gott täglich tausendfach auf Papier schreibt. Nach einiger Zeit schneiden sie jedes dieser Worte davon ab, legen es auf eine Mehlkugel und übergeben sie dem Wasser irgendeines Flusses in dem Glauben, dass sie dadurch ein religiöses Verdienst errungen haben. Es ist nur ein kurzes Denken an Ram. Wenn man ihnen sagen würde, dass Ram in Wirklichkeit in ihnen ist, würden sie es nicht glauben. So finden sie weder Ram, noch erlangen sie sonst irgendetwas Wesentliches.

Ähnliches machen die Purbias, eine orthodoxe Sekte, die den äußerlichen Riten große Bedeutung beimisst und versucht, sie mit religiöser Gläubigkeit auszuführen, die gewöhnlich früh am Morgen, eines religiösen Verdienstes wegen, im fließenden Wasser eines Flusses ein Bad nehmen. 

Einmal gingen ein paar Purbias nach Kabul in Afghanistan, ein hügeliges Land nordwestlich von Indien; wo im Allgemeinen sehr kalte Witterung herrscht. Einer von ihnen ging zum Kabulfluss, um ein Bad zu nehmen, aber da das Wasser eisig kalt war, zögerte er, hineinzugehen. Er überlegte, wie er dieser harten Übung entgehen und dennoch sein Gewissen beruhigen könne. So nahm er einen Kieselstein, warf ihn in den Fluss und sagte: O Kieselstein, dein Bad soll auch das meine sein. Nachdem er das getan hatte, ging er und traf auf dem Rückweg einen anderen Purbia, der für seine morgendlichen Waschungen zum Fluss ging. Er fragte ihn, ob er bei dem kalten rauen Wetter sein Bad genommen habe. Der andere erzählte ihm dann von dem stellvertretenden Kieselsteinbad, worauf ihn dieser umarmte und sagte: Dein Bad ist auch mein Bad.

So führt der Blinde den Blinden und beide fallen in den Graben, weil sie ihre Taten blindlings ausführen.

Kabir Sahib, Sich auf den Rosenkranz beziehend, sagte weiter:

Mit dem hölzernen Rosenkranz habt ihr viel Zeit vergeudet. Nehmt nun den geistigen Rosenkranz, der nicht durch Knoten unterbrochen wird.

O Kabir, das Abbeten der hölzernen Rosenkranzperlen ist eine mühselige Arbeit; aber der fortgesetzte geistige Rosenkranz, der aus Atemperlen besteht, die in einem natürlichen Vorgang ein- und ausgehen, läuft ohne eine Anstrengung endlos weiter.

Beim Rosenkranz gibt es einen Hauptknoten. Wenn eine Runde vollendet ist, muss er umgedreht werden, um die Wirkung nicht aufzuheben; denn die Perlen dürfen nur in einer Richtung abgebeten werden. Darum rät Kabir, den natürlichen Rosenkranz des Atems zu nehmen, der von endloser Dauer ist, keine Knoten hat und auch nicht umgedreht werden muss.

Weiter sagt Er:

Beim ununterbrochenen fruchtlosen Umdrehen rief der Rosenkranz zürnend aus: ,Warum drehst du mich immer rundherum?‘ Wenn du die Führung eines Meisters willst, so drehe den geistigen Rosenkranz. Mit umherschweifenden Gedanken die Perlen abzubeten und deren Umdrehungen durch die Finger zu zählen, sind hohle Verdienste. Wie kann Gott mit einem gleichgültigen Herzen gefunden werden?

Kabir sagt:

Wenn nach all den Waschungen und reinigenden Übungen, wie dem Abbeten der Perlen usw. euer Gemüt nicht ruhig ist, was ist dann das Gute bei der Sache? Während ihr die Perlen abbetet und die Anzahl der Umdrehungen des Rosenkranzes zählt, springt das Gemüt wie ein ungezäumtes Füllen umher. Deswegen ist all solches Tun nutzlos. Ihr könnt Gott nur durch einen Lebenden Meister finden: Wenn ihr euren Geist nach Seinen Weisungen zu zügeln und nach der anderen Richtung zu lenken lernt, das heißt nach Innen und aufwärts, anstatt der üblichen Art nach außen und abwärts.

Die Praxis der Konzentration und das scharfe Einstellen des Geistes kann nur durch den Simran, der durch eine Meister-Seele eingeschärft wird, durch nichts sonst erreicht werden.

Ferner betont Kabir nachdrücklich:

Der Rosenkranz ist vergebens, der nicht den Knoten im Geist löst. Ein Himmel liegt wahrlich allein in den Füßen des Meisters. Nichts Äußeres ist nötig, alles muss inwendig getan werden. Warum mit der äußeren Welt Zeit verlieren? Ich bin nun mit meinem Geist im Innern beschäftigt.

Wie oben gesagt, ist Simran ein völlig Geistiger oder Innerer Vorgang, und darum kann ein Rosenkranz oder irgendein anderes Hilfsmittel von keinem Nutzen sein. Durch Konzentration zu den Gesegneten Füßen des Meisters, durch unbedingten Glauben in Seine Weisungen, und indem man diese tatsächlich in die Praxis umsetzt, kann man einen Zustand Vollkommener Seligkeit erreichen. Es gibt keinen kürzeren Weg als den des Simran, wie er durch den Meister anempfohlen wurde.

Auch Christus sagte:

Seid Täter des Wortes und nicht Hörer allein,

dann werdet ihr in das Neue Jerusalem eintreten.