II

Wahre Religion ist Universale Liebe und
Gedenken an Gott

Was ist wahre Religion? Dies ist die natürlichste Frage des Menschen, und jeder Einzelne steht ihr früher oder später gegenüber. Wir haben Hunderte und Tausende von Schriften und Abhandlungen, die sich mit den wesentlichen Problemen des Lebens befassen, doch sie sind sich nicht einig in der Beantwortung dieser verwirrenden Frage. Wir müssen deshalb in unserer Nachforschung und Suche nach einer korrekten Lösung, die nur eine einzige sein kann, weitergehen. Aber bevor wir mit dieser Nachforschung beginnen, müssen wir den Zweck der Religion oder des Dharma kennenlernen.

Das Ziel, welches uns alle Religionen vor Augen halten, ist ein und dasselbe, nämlich Göttliche Glückseligkeit und die Beseligende Schau Gottes. So streben alle Religionen wie ebenso viele Bogenschützen das gleiche Ziel an. Wenn wir in unserem Bekenntnis, Gott zu lieben, wirklich aufrichtig sind, müssen wir auch Gottes Schöpfung lieben, da der Schöpfer und Seine Schöpfung identisch sind. Wir können nicht das eine lieben und das andere hassen. Alle Heiligen und Weisen arbeiten an diesem Grundsatz und lieben die Menschheit als solche, und dabei hat es nichts zu besagen, ob einer an Gott glaubt oder nicht, denn Sie machen keinen Unterschied zwischen dem Theisten und dem Atheisten oder dem Agnostiker. Sie glauben an die eine große Familie Gottes, und alle sind ihnen teuer, trotz scheinbarer Unterschiede in den unwesentlichen Dingen des Lebens.

Aber was sehen wir wirklich in der Welt? Wir haben die grundlegende Wahrheit der Liebe vergessen, die an der Wurzel aller Religionen wirkt; wir sind alle abgeschnitten vom Notanker und schwimmen steuerlos im Meer des Lebens. Jeder Einzelne von uns versucht, sich an einem Strohhalm festzuklammern, um sich zu retten. Und die natürliche Folge davon ist, dass wir nach kurzem Kampf gegen Wind und Wasser in die große Vergessenheit geraten, ohne das Rätsel des Lebens zu lösen – woher wir kommen, wohin wir gehen oder das Warum und Wofür des menschlichen Daseins.

Liebe ist sodann die einzig wahre Religion.

Paulus wandte sich an die Galater und sagte:

Durch die Liebe diene einer dem anderen.

Galater 5:13

Leigh Hunt erklärte:

Einer, der seinen Mitmenschen dient, liebt Gott und ist der wahre Geliebte Gottes.

Und ähnlich sagt Samuel Taylor Coleridge in seinem bekannten Gedicht vom alten Seemann:

Am besten betet, wer am besten liebt, was groß ist und gering, denn der Liebe Gott, der uns liebt, schuf und liebt alle Ding.

Johannes schreibt in seiner Epistel (1. Johannes 4:8):

Wer nicht liebhat, der kennet Gott nicht; denn Gott ist Liebe.

Christus, der große Apostel des Friedens, legte in Seinen denkwürdigen Worten das Hauptprinzip des Lebens mit Nachdruck nieder:

Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.

Und nochmals verkündete Er nachdrücklich:

Liebe, und alle Dinge werden dir zufallen.

Sheikh Saadi, ein Moslem-Heiliger, lehrte dasselbe:

So wie die Glieder eines Körpers sind die Kinder Gottes miteinander verbunden. Sie sind aus Demselben Geist geboren. Wenn eines von ihnen unter Fieber leidet, werden auch die anderen unruhig.

Sheikh Farid und andere Heilige wiederholen dieselbe Wahrheit:

Wenn du deinen Geliebten (Gott) finden willst, so verletze nicht die Gefühle eines anderen.

Shalok Farid

Guru Gobind Singh, der zehnte Guru der Sikhs, sagte:

Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, dass Sich Gott einem, der liebt, Selbst offenbart.

Gott ist Liebe, und unsere Seele ist von der selben Essenz wie die von Gott, also ist Sie Liebe; und der Weg zurück zu Gott geht ebenfalls über die Liebe.

Und wieder ist gesagt:

Der Schöpfer und Seine Schöpfung sind eines. Schade Seiner Schöpfung nicht, o Nand Lal, und ziehe dir nicht den Zorn Gottes zu.

Bhai Nand Lal

Alle Heiligen und frommen Ergebenen haben nur eine Religion; die Religion der Hingabe an Gott und der Liebe zu Seiner Schöpfung. Der Mensch ist nicht besser als ein Schaf oder eine Ziege, die ein blindes Leben führen, wenn er nicht von Gefühlen der Liebe und Zuneigung für seine Mitmenschen beseelt ist, ihre Freuden und Leiden teilt und ihnen in ihren Mühen und Sorgen beisteht. Wenn wir statt mit menschlicher Sympathie von Hass, Eifersucht, Übelwollen, Neid und Feindseligkeit erfüllt und voller Groll, Habsucht und Eigenliebe sind, und wenn wir von Stolz und Vorurteilen regiert werden, haben wir kein reines Herz, welches das Licht Gottes in uns widerstrahlen kann, und können so nicht wahres Glück und wahre Wonne empfinden.

Mit Gottes Geist ausgestattet, ist der Mensch das Höchste und die Krone der Schöpfung. Je mehr man seine Mitmenschen liebt, desto näher kommt man dem Schöpfer. Die ganze Schöpfung ist Seine Offenbarung, und Sein Geist wohnt allen Formen inne. Alle Farben haben ihre Tönung von Ihm. Sein Geist, Der alles durchdringt, wirkt allerorts, und es gibt keinen Ort ohne Ihn.

Alle strahlen das aus sich selbst kommende Licht wider, o, keiner ist gut oder schlecht.

Parbhati Kabir

Der Teil ist im Ganzen und das Ganze im Teil, worin liegt dann der Unterschied, wenn beide das Eine widerspiegeln?

Parbhati Kabir

Die Unterschiede in den Formen, der Lebensweise, der Kleidung und in den äußeren Gebräuchen entstehen alle durch die physiologischen Bedingungen und können das innere Wirken der Seele nicht beeinträchtigen. Sie verblassen allmählich in ein nebelhaftes Nichts, wenn man sich über das Körperbewusstsein erhebt und zum Göttlichen Grund am Sitz der Seele gelangt.

Christus lehrte immer:

Liebe Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt.

Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. […] Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen, auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist.

Matthäus 5:44 - 48

Dies ist tatsächlich die Wahre Religion, Wahre Hingabe und Wahre Meditation.

Das menschliche Herz ist der Sitz Gottes. Es wurde dem Menschen zu treuen Händen gegeben. Deshalb muss es sauber und rein gehalten werden, denn nur dann kann es Sein Licht widerstrahlen und das Leben wahrhaft gesegnet machen. Der Körper ist der Tempel Gottes. Die von Menschen gebauten Tempel halten wir peinlich sauber und rein, aber dem heiligen Tempel Gottes, Der wir in der Tat sind, zollen wir sehr wenig Beachtung.

Es gibt nur ein schöpferisches Prinzip für die ganze Schöpfung. Alle sind aus dem Licht Gottes geboren, und dasselbe Licht leuchtet in allen; so kann keines Seiner Geschöpfe böse genannt werden.

Thomas a Kempis schreibt in seiner 'Nachfolge Christi':

Von dem Einen Wort gehen alle Dinge aus, und alle Dinge berichten von Ihm.

Die Hindus nennen dieses Schöpferische Prinzip Nad, die Moslems Kalma und die Sikhs Naam.

Die Wahrheit ist eine und nur eine, obwohl Sie die Weisen verschiedenartig beschreiben,

heißt es in dem denkwürdigen Upanishaden-Text.

Sheikh Saadi sagte:

Keine Religion ist höher als der Dienst am Menschen. Der Rosenkranz, der Altar und die Kleidung bringen kein Verdienst. Mein Geliebter ist in allen Herzen und kein Herz ist ohne Ihn. Seid des gewiss, dass Gott in allen Herzen wohnt und daher jedes Herz geachtet werden muss.

Nicht mehr als Bruchstein ist die Kaaba von Khalil, doch die Kaaba des menschlichen Herzens stellt Gott einen Sitz bereit. Von allen Pilgerfahrten ist die zum menschlichen Herzen die wahre; sie bringt mehr Verdienste ein als zahllose Reisen nach Mekka.

Und Maulana Rumi, der große Heilige, sagt darum:

O Mensch, umwandle die geheime Kaaba des Herzens, die anders ist als die Kaaba von Khalil – denn Gott schuf die Kaaba des menschlichen Herzens.

Maghribi Sahib gab bekannt:

Das Verrichten zahlloser Härten und Bußen, von denen jede durch Werke der Nächstenliebe abgelöst wird; das Einhalten unzähliger Fasttage, die tausende Gebete und Myriaden Nachtwachen begleiten, sind ohne Nutzen, wenn du die Gefühle eines einzigen Menschen verletzt.

Und wiederum sagt Hafiz:

Trinke Wein nach Herzenslust, verbrenne den heiligen Koran und übergib, wenn du willst, selbst die heilige Kaaba den Flammen – aber verletze nicht die Gefühle irgendeines Menschen.

Alles dies zu tun, wird als Sünde angesehen; doch Hafiz sagt, es sei viel besser, sie zu begehen, als die Gefühle und Empfindungen eines Menschen zu verletzen, was das größte und abscheulichste Vergehen von allen ist.

Sheikh Saadi, ein Moslem-Heiliger, sagt:

Die Gnade Gottes kommt niemals herab, solange wir nicht Seine Schöpfung lieben; Gott verzeiht nur jenen, die zum Wohle Seiner Schöpfung wirken.