VIII / (iii)

Götzendienst und Gottesdienst

Der Mensch ist aus Körper und Seele zusammengesetzt. Sein materieller Körper wird von den Gesetzen der Materie (Schwerkraft, Zusammenhalt, Undurchdringlichkeit, Leistungsvermögen usw.) beherrscht und – soweit er animalischer Natur ist – von den organischen Gesetzen (Ernährung, Wachstum, Entwicklung und Fortpflanzung usw.) regiert. Er ist eine bewusste Wesenheit oder ein empfindendes Wesen, und daher gelten für ihn auch die Gesetze des Bewusstseins (die ein Gefühl von Hunger, Durst, Unbequemlichkeit und Selbstentfaltung usw. hervorrufen). Er strebt nach einem glücklichen, sorgenfreien und bequemen Leben. Solange ein Mensch den materiellen Dingen und dem materiellen Komfort verhaftet ist, hat er Sorgen und Leiden zu ertragen; aber wenn er sich den fundamentalen Gesetzen der Seele unterordnet, wird er glücklich und froh.

Darum sagt Kabir Sahib:

Die verkörperte Seele ist niemals ruhig und glücklich. Denn wo immer der Mensch ist, erwartet ihn Unruhe und Trübsal.

Lord Buddha erklärte, dass das physische Leben voller Elend sei, und Guru Nanak sah die ganze Welt sich in unsichtbaren Flammen winden.

Götzendienst besteht darin, dass man alle Aufmerksamkeit der Nahrung und dem Schmücken des physischen Körpers schenkt; wohingegen das Verschönern der Seele, um sie mit Gott zu verbinden, wirkliche Gottesverehrung ist. Wehe uns, die wir so gar nichts über den lebendigen Geist, der den Körper bewohnt, wissen und auch nicht, wie er gekleidet, geschmückt und verziert werden kann. Der physische Körper ist wahrhaftig die Heimstätte, und der Geist ist der Bewohner darin. Folgerichtig muss man erst den Geist entdecken und reinigen, bevor man den Körper säubert. Was nützt es dem Menschen, wenn er das Haus auskehrt, es rein und sauber hält und mit allen möglichen Dingen verziert, nur um den Bewohner darin, oder die Seele, im Zustand der Hungersnot zu halten?

Wir haben unsere angeborene Göttliche Natur vergessen und uns selbst vollkommen mit dem Körper identifiziert, so denken, sprechen und handeln wir nur in Begriffen des Körpers, der körperlichen Belange und des, was sich auf den Körper bezieht. Da die bloße Existenz des Körpers vom Geist (oder dem Lebensfunken) in ihm abhängig ist, müssen wir uns mehr um den letzteren kümmern, an ihn denken, ihm die angemessene Nahrung geben, um ihn gesund und stark zu halten; denn von seiner Gesundheit und Kraft hängt die Pracht und Würde des Körpers ab. Der sich immer verändernde Körper, der Verfall und Tod unterworfen ist, soll versorgt werden, um ihn gesund und in Gang zu halten, wie jedes andere Mittel des Selbstausdrucks. Er sollte aber nicht verwöhnt werden, und man sollte keinen Kult mit ihm treiben, damit nicht alle Gedanken der sich selbst erhaltenden Lebensflamme, der motorischen Kraft im Körper, die der trägen Materie Leben gibt, verloren gehen. Ohne diese Kraft ist er völlig wertlos, gerade gut genug, um den Flammen und der Erde übergeben zu werden.

Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in Wirklichkeit ein Funke der Gottheit sind, ganz verschieden von dem materiellen Haus, in dem wir gegenwärtig verweilen. Aus diesem Grunde müssen wir alles über diesen Lebensimpuls erfahren, der innerhalb und außerhalb der ganzen Schöpfung wogt, die Quelle oder den Ursprung des Lebensstromes, und wie wir sie erreichen können, um Ewigen Frieden und Glückseligkeit zu erlangen, was unser Erbe und unser Geburtsrecht ist. Die große Lektion des Lebens kann man nur von einer Meister-Seele lernen. Ihr Alphabet beginnt mit dem freiwilligen Zurückziehen des Sinnesstroms im Körper, bis durch Konzentration am Sitz der Seele hinter den beiden Augenbrauen, genannt der Augenbrennpunkt oder Til, die Loslösung erreicht ist. Dies alles kann nur durch die Gnade eines Vollendeten Lebenden Meisters erlangt werden – durch einen Adepten nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis der Wissenschaft der Seele –, Der die Seele über das Körperbewusstsein bringen kann und anderen Seine eigenen Erfahrungen zuteil werden lässt.

Eine Gottesfürchtige Person mag uns mit Gott verbinden.

Guru Arjan, Jaitsari M5

Wenn der Geist einmal mit der Gottheit verbunden und in Gott eingepflanzt ist, wird er nach und nach in seinem Heimatland Wurzeln schlagen, und erwirbt und entfaltet die seiner Natur gemäßen Eigenschaften aus dem Göttlichen Grund, auf dem er von Tag zu Tag wächst und gedeiht. Dies wird von allen Weisen des Ostens und des Westens die zweite Geburt genannt oder von neuem geboren sein, wie Christus es ausdrückt. Die unvergängliche Saat dieser spirituellen Geburt wird von einem Gottmenschen gesät, wenn wir Ihm gemäß leben und gewissenhaft Seine Weisungen befolgen, die man mit dem Fachausdruck Satsang oder Gemeinschaft mit Sat bezeichnet, die große unwandelbare Beständigkeit im immer wechselnden Panorama des Lebens und des sich stets verändernden Universums, in dem wir leben.

Der Körper ist schön, in dem die Seele auf Gott abgestimmt ist. Alle Schönheit, einschließlich der körperlichen, hängt von der Schönheit des Geistes ab, die ihrerseits auf der Vereinigung mit der Göttlichen Schönheit beruht.

Gesegnet ist der Körper, in dem der Geist mit dem Göttlichen Strom vereint lebt; der Wahre Geliebte gewährt ihr Ewiges Leben, und man ist immer in Verbindung mit des Meisters Wort.

Guru Amar Das, Suhi M3

Wieder:

Ein Verehrer des Meisters forscht tief im Körper und betrachtet alles andere als bloßes Blendwerk. Nur der findet das Kronjuwel, dem es so bestimmt war, denn Klugheit ist von keinem Nutzen. Gesegnet ist der Körper, der im Dienst des Meisters steht, denn der Wahre Eine hat ihn geschaffen. Ohne die Verbindung mit dem Wort gibt es kein Freisein von den Tücken Kals. O Nanak! Der verherrlicht das Wort, den Gott mit Seiner Gnade und Barmherzigkeit überschüttet.

Guru Arjan, Suhi M5

Wenn sich der Geist einmal seiner angeborenen Gottheit bewusst wird und in der Göttlichen Farbe gefärbt ist, wird er frei von der Bindung an die Welt und entgeht für immer dem Zyklus der Geburten und Tode. Aber all das erlangt man nicht durch Gelehrsamkeit, Wissen oder schlaue Einfälle, sondern allein durch die Gnade einer Meister-Seele oder eines Gottmenschen, Der fähig ist, durch praktische Selbstanalyse Zutritt ins Jenseits zu gewähren.