Gemüt: Wie man es beherrscht

I

Ethisches Leben ist ein Sprungbrett zur Spiritualität. Ohne ein festes Fundament kann kein Gebäude errichtet werden. Deshalb ist das Beachten der Enthaltsamkeit die erste Voraussetzung, um auf dem spirituellen Pfad Erfolg zu haben.

Christus sagte:

Selig sind, die reines Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.

Man kann Gott nicht erkennen, solange das Herz unrein ist. Gott weilt nicht nur in den Bergen, Wäldern oder Himmeln. Er ist die uns überwachende Kraft. Er ist in uns allen. Die Großen Seelen und Heiligen haben immer erklärt, dass der Herr in jedem menschlichen Herzen wohnt. Warum können wir Ihn dann nicht sehen? Der Grund dafür ist, dass unsere Herzen befleckt sind. Ohne Reinheit des Herzens, um die wir uns bemühen müssen, können wir unser Ziel nicht erreichen. Habt ihr je daran gedacht, euer Herz, in dem der Herr wohnt, zu reinigen? Solange das Gemüt nicht beruhigt ist, können wir Ihn nicht erkennen.

Jene mit lauterem Herzen sagen:

Öffne dein Inneres Auge, und habe einen Schimmer von Ihm.

Unser heutiges Thema ist, wie man das Gemüt reinigen und unter Kontrolle bringen kann. Große Seelen, Die auf dem spirituellen Pfad vorangekommen sind, haben von Ihren Erfahrungen hinsichtlich der Reinigung Ihres Herzens und der Kontrolle Ihres Gemüts berichtet. Wir wollen nun sehen, wie es Guru Amar Das hielt. Es ist eine geschichtliche Tatsache, dass Er Gott suchte, bis Er etwa siebzig Jahre alt war. Jedes Jahr begab er sich barfuß auf eine Pilgerreise nach Hardwar. Welch große Ergebenheit! Wofür machte Er Sich diese Mühe? Es war ja keine Vergnügungsreise dorthin. Er war auf der Suche nach etwas, durch das man, wenn man es erlangt, alles andere erreicht. Zuletzt kam Er zu den Füßen Guru Angads. Als Er die Wirklichkeit erfahren hatte, befasste Er sich eingehend mit der Sache, um den weltlichen Menschen Führung geben zu können.

Jeder von uns leidet an dem Übel des Gemüts. In den Upanishaden steht:

Der menschliche Körper gleicht einem Wagen, in dem die Seele fährt, das Gemüt der Kutscher ist, der Verstand die Zügel bildet und die Sinne die mächtigen Rosse darstellen, die im Morast der Sinnesbefriedigung Amok laufen.

Unter dem Einfluss des Gemüts ist unsere Seele den äußeren Dingen auf der Sinnesebene verhaftet. So wird das Gemüt durch die Sinne gefangen gehalten. Seele und Gemüt sind gegenwärtig eng miteinander verbunden. Solange man sich nach außen zerstreut, kann man die innere Wirklichkeit nicht erkennen.

Darum sagt Guru Amar Das:

Wie kann einer, dessen Gemüt ständig durch die zehn Kanäle nach außen fließt, den Herrn lobpreisen? Erst wenn das Gemüt beruhigt ist, wird eine Verehrung (des Herrn) möglich.

Guru Nanak sagt ebenfalls:

Wie kann einer, dessen Herz nicht ganz ist, Gott erkennen?

Nehmt ein weltliches Beispiel. Wenn ein Mensch völlig verwirrt ist, sagt er, sein Gemüt sei nicht im Gleichgewicht, oder irgendetwas sei grundlegend verkehrt bei ihm.

Es heißt:

Wenn du fest entschlossen bist, zum geliebten Herrn zu gelangen, dann setze einen Fuß auf das Gemüt, und mit dem anderen wirst du fähig, den Pfad, der zu Ihm führt, zu finden.

Seid Herr eures Gemüts, und der nächste Schritt bringt euch in die Wohnstatt des Geliebten.

Auch Guru Nanak sagt:

Durch den Sieg über das Gemüt kann man die ganze Welt gewinnen.

So ist das Gemüt zu bezwingen nicht nur der erste Schritt auf dem Pfad der Spiritualität, sondern auch eine Voraussetzung, um in jedem Lebensbereich Erfolg zu haben. Nun stellt sich die Frage, worunter das Gemüt leidet. Guru Amar Das sagt, dass es durch die zehn Öffnungen des Körpers hinausfließt. Die Aufmerksamkeit steht unter der Herrschaft des Gemüts; wie kann einer da den Herrn verehren? Ihr mögt etwas lesen, doch das Gemüt ist mit anderen Dingen beschäftigt. Äußerlich verneigen wir uns, beten und huldigen dem Herrn, während das Gemüt irgendwo außen umherläuft. Man kann sehen, wie solche Menschen, deren Gemüt in weltliche Dinge wie Frau und Kinder, Freunde, Geld, Besitz und so weiter vertieft ist, Gebete darbringen oder den Herrn verehren. Dem Anschein nach denken sie an Gott. Doch was für einen Wert hat eine derartige Meditation? – Ein ausgeglichenes Gemüt zu haben, es richtig zu konzentrieren, indem man es von außen zurückzieht, und in den Gegenstand, den man vor sich hat, versunken zu sein, ist die erste Vorbedingung.

Kabir sagte das Gleiche:

Das Gemüt ist ein unbezähmbares Meer, in dem endlos Gezeiten aufkommen.

Dieses Gemüt ist wie ein Ozean, von dem beständig Wellen tierischer Leidenschaften, wie Ärger, Habgier, Verhaftetsein und Egoismus, ausgehen. Wenn es nicht beruhigt wird, kann das Ziel nicht erreicht werden:

Wer vermag uns ohne einen Kompetenten Meister über das gewaltige Meer des Gemüts hinauszubringen?

Nur die Verbindung mit einem Adepten, Der das Gemüt beherrscht und seine Begrenzung überschritten hat, kann einem Sucher helfen, es ebenfalls zu tun; einen anderen Ausweg gibt es nicht. Die Geschichte unseres Altertums zeigt, dass selbst große Weise und Seher durch das Gemüt übel getäuscht wurden. Die Wellen, welche es hervorbringt, kommen von der Sinnesebene, die überwunden werden sollte.

Die Upanishaden erklären, dass Selbsterkenntnis nur aufdämmert, wenn die Sinne reglos sind, das Gemüt ruhig und auch der Verstand ausgeglichen ist. So ist Gemütsruhe von größter Bedeutung.

Das Gemüt ist eins, wo immer es beschäftigt wird – in der Meditation oder in der Befriedigung tierischer Leidenschaften.

Es ist ein Bindeglied zwischen Körper und Seele, zum einen so subtil, dass es sich mit der Seele identifiziert, zum anderen so physisch, dass es leicht dem Körper verhaftet ist. Ist das Gemüt auf der Sinnesebene tätig, fließt es nach außen. Die Wirklichkeit im Innern bleibt somit verborgen.

Die Seele, die sich in den neun Toren des Körpers verliert, kann niemals die ewige Wonne erkennen.

Kabir

Die Seele, welche durch die neun Kanäle des Körpers nach außen fließt, wird demzufolge der unvergleichlichen inneren Glückseligkeit beraubt. Jeder ist ein Opfer dieses Übels. Die einzige Möglichkeit besteht darin, zu lernen, eine Arbeit zu einer Zeit zu tun. Meditiert zur Zeit der Meditation. Denkt an Gott, wenn ihr euch zu diesem Zweck hinsetzt. Was immer ihr tut, widmet euch dem voll und ganz. Nur wenn ihr in der Weise arbeitet, könnt ihr auf jedem Gebiet des Lebens erfolgreich sein. Große Seelen raten euch nie, Herd und Heim zu entsagen und in die Wälder zu gehen. Sie fordern nur dazu auf, das Gemüt in Zucht zu nehmen, wo immer wir sind. Ist das getan, können wir unser Ziel erreichen.