VII

Gemüt: Wie man es beherrscht

Ethisches Leben ist ein Sprungbrett zur Spiritualität. Ohne ein festes Fundament kann kein Gebäude errichtet werden. Deshalb ist das Beachten der Enthaltsamkeit die erste Voraussetzung, um auf dem spirituellen Pfad Erfolg zu haben.

Christus sagte:

Selig sind, die reines Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.

Man kann Gott nicht erkennen, solange das Herz unrein ist. Gott weilt nicht nur in den Bergen, Wäldern oder Himmeln. Er ist die uns überwachende Kraft. Er ist in uns allen. Die Großen Seelen und Heiligen haben immer erklärt, dass der Herr in jedem menschlichen Herzen wohnt. Warum können wir Ihn dann nicht sehen? Der Grund dafür ist, dass unsere Herzen befleckt sind. Ohne Reinheit des Herzens, um die wir uns bemühen müssen, können wir unser Ziel nicht erreichen. Habt ihr je daran gedacht, euer Herz, in dem der Herr wohnt, zu reinigen? Solange das Gemüt nicht beruhigt ist, können wir Ihn nicht erkennen.

Jene mit lauterem Herzen sagen:

Öffne dein Inneres Auge, und habe einen Schimmer von Ihm.

Unser heutiges Thema ist, wie man das Gemüt reinigen und unter Kontrolle bringen kann. Große Seelen, Die auf dem spirituellen Pfad vorangekommen sind, haben von Ihren Erfahrungen hinsichtlich der Reinigung Ihres Herzens und der Kontrolle Ihres Gemüts berichtet. Wir wollen nun sehen, wie es Guru Amar Das hielt. Es ist eine geschichtliche Tatsache, dass Er Gott suchte, bis Er etwa siebzig Jahre alt war. Jedes Jahr begab er sich barfuß auf eine Pilgerreise nach Hardwar. Welch große Ergebenheit! Wofür machte Er Sich diese Mühe? Es war ja keine Vergnügungsreise dorthin. Er war auf der Suche nach etwas, durch das man, wenn man es erlangt, alles andere erreicht. Zuletzt kam Er zu den Füßen Guru Angads. Als Er die Wirklichkeit erfahren hatte, befasste Er sich eingehend mit der Sache, um den weltlichen Menschen Führung geben zu können.

Jeder von uns leidet an dem Übel des Gemüts. In den Upanishaden steht:

Der menschliche Körper gleicht einem Wagen, in dem die Seele fährt, das Gemüt der Kutscher ist, der Verstand die Zügel bildet und die Sinne die mächtigen Rosse darstellen, die im Morast der Sinnesbefriedigung Amok laufen.

Unter dem Einfluss des Gemüts ist unsere Seele den äußeren Dingen auf der Sinnesebene verhaftet. So wird das Gemüt durch die Sinne gefangen gehalten. Seele und Gemüt sind gegenwärtig eng miteinander verbunden. Solange man sich nach außen zerstreut, kann man die innere Wirklichkeit nicht erkennen.

Darum sagt Guru Amar Das:

Wie kann einer, dessen Gemüt ständig durch die zehn Kanäle nach außen fließt, den Herrn lobpreisen? Erst wenn das Gemüt beruhigt ist, wird eine Verehrung (des Herrn) möglich.

Guru Nanak sagt ebenfalls:

Wie kann einer, dessen Herz nicht ganz ist, Gott erkennen?

Nehmt ein weltliches Beispiel. Wenn ein Mensch völlig verwirrt ist, sagt er, sein Gemüt sei nicht im Gleichgewicht, oder irgendetwas sei grundlegend verkehrt bei ihm.

Es heißt:

Wenn du fest entschlossen bist, zum geliebten Herrn zu gelangen, dann setze einen Fuß auf das Gemüt, und mit dem anderen wirst du fähig, den Pfad, der zu Ihm führt, zu finden.

Seid Herr eures Gemüts, und der nächste Schritt bringt euch in die Wohnstatt des Geliebten.

Auch Guru Nanak sagt:

Durch den Sieg über das Gemüt kann man die ganze Welt gewinnen.

So ist das Gemüt zu bezwingen nicht nur der erste Schritt auf dem Pfad der Spiritualität, sondern auch eine Voraussetzung, um in jedem Lebensbereich Erfolg zu haben. Nun stellt sich die Frage, worunter das Gemüt leidet. Guru Amar Das sagt, dass es durch die zehn Öffnungen des Körpers hinausfließt. Die Aufmerksamkeit steht unter der Herrschaft des Gemüts; wie kann einer da den Herrn verehren? Ihr mögt etwas lesen, doch das Gemüt ist mit anderen Dingen beschäftigt. Äußerlich verneigen wir uns, beten und huldigen dem Herrn, während das Gemüt irgendwo außen umherläuft. Man kann sehen, wie solche Menschen, deren Gemüt in weltliche Dinge wie Frau und Kinder, Freunde, Geld, Besitz und so weiter vertieft ist, Gebete darbringen oder den Herrn verehren. Dem Anschein nach denken sie an Gott. Doch was für einen Wert hat eine derartige Meditation? – Ein ausgeglichenes Gemüt zu haben, es richtig zu konzentrieren, indem man es von außen zurückzieht, und in den Gegenstand, den man vor sich hat, versunken zu sein, ist die erste Vorbedingung.

Kabir sagte das Gleiche:

Das Gemüt ist ein unbezähmbares Meer, in dem endlos Gezeiten aufkommen.

Dieses Gemüt ist wie ein Ozean, von dem beständig Wellen tierischer Leidenschaften, wie Ärger, Habgier, Verhaftetsein und Egoismus, ausgehen. Wenn es nicht beruhigt wird, kann das Ziel nicht erreicht werden:

Wer vermag uns ohne einen Kompetenten Meister über das gewaltige Meer des Gemüts hinauszubringen?

Nur die Verbindung mit einem Adepten, Der das Gemüt beherrscht und seine Begrenzung überschritten hat, kann einem Sucher helfen, es ebenfalls zu tun; einen anderen Ausweg gibt es nicht. Die Geschichte unseres Altertums zeigt, dass selbst große Weise und Seher durch das Gemüt übel getäuscht wurden. Die Wellen, welche es hervorbringt, kommen von der Sinnesebene, die überwunden werden sollte.

Die Upanishaden erklären, dass Selbsterkenntnis nur aufdämmert, wenn die Sinne reglos sind, das Gemüt ruhig und auch der Verstand ausgeglichen ist. So ist Gemütsruhe von größter Bedeutung.

Das Gemüt ist eins, wo immer es beschäftigt wird – in der Meditation oder in der Befriedigung tierischer Leidenschaften.

Es ist ein Bindeglied zwischen Körper und Seele, zum einen so subtil, dass es sich mit der Seele identifiziert, zum anderen so physisch, dass es leicht dem Körper verhaftet ist. Ist das Gemüt auf der Sinnesebene tätig, fließt es nach außen. Die Wirklichkeit im Innern bleibt somit verborgen.

Die Seele, die sich in den neun Toren des Körpers verliert, kann niemals die ewige Wonne erkennen.

Kabir

Die Seele, welche durch die neun Kanäle des Körpers nach außen fließt, wird demzufolge der unvergleichlichen inneren Glückseligkeit beraubt. Jeder ist ein Opfer dieses Übels. Die einzige Möglichkeit besteht darin, zu lernen, eine Arbeit zu einer Zeit zu tun. Meditiert zur Zeit der Meditation. Denkt an Gott, wenn ihr euch zu diesem Zweck hinsetzt. Was immer ihr tut, widmet euch dem voll und ganz. Nur wenn ihr in der Weise arbeitet, könnt ihr auf jedem Gebiet des Lebens erfolgreich sein. Große Seelen raten euch nie, Herd und Heim zu entsagen und in die Wälder zu gehen. Sie fordern nur dazu auf, das Gemüt in Zucht zu nehmen, wo immer wir sind. Ist das getan, können wir unser Ziel erreichen.

Was geschieht, wenn man nicht in der Lage ist, Herr über das Gemüt zu werden? Es gibt Menschen, die lebhaft daran interessiert sind, zu erfahren, wie man das Gemüt überwinden kann. Gelehrsamkeit oder Wissen zu besitzen, gewandt zu sein, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen, andere durch gescheite Reden zu beeindrucken usw. – alle diese Dinge sind leicht. Was aber ist schwer?

Ins Kosmische Bewusstsein aufzusteigen oder das Gemüt zu schulen ist schwierig.

Es kontrollieren, die Seele zurückziehen und sich ins Kosmische Bewusstsein erheben ist eine Herkulesarbeit. Solange das Gemüt nicht bezwungen ist, kann die Seele nicht über das Körperbewusstsein hinausgelangen.

Was erleben wir, wenn wir zur Meditation sitzen? Nur das, was wir auf der Sinnesebene sehen oder woran wir uns dort erfreuen.

Die Krankheit, unter der das Gemüt leidet, beschreibt Guru Amar Das so:

Es (das Gemüt) ist durch die Sinne gefangen und immer von Lust und Ärger geplagt.

Fünf Werkzeuge des Handelns und fünf Kräfte der Wahrnehmung halten es unter ihrem Einfluss. Die Fähigkeiten der Wahrnehmung werden durch die Werkzeuge des Handelns wirksam. Das Gemüt wird von schönen Bildern oder melodischen Weisen gefesselt. Es findet Gefallen an delikaten Speisen und erfreut sich süßer Düfte. Manchmal wird es von Lust angezogen. Die Gyan Indriyas (Wahrnehmungskräfte) halten die Aufmerksamkeit durch die Karma Indriyas (Handlungsvermögen) auf die äußere Welt gerichtet. Zuzeiten wird das Gemüt durch Begierden erniedrigt; ein andermal bauscht es sich durch Ärger auf.

Keuschheit ist Leben und Sexualität der Tod. Die Geschichte ist voll von Begebenheiten, die diesen Punkt erläutern. Als Mohammed Gauri Indien zum ersten Mal angriff, wurde er von Prithvi Raj in zwei aufeinanderfolgenden Schlachten geschlagen. Aber die dritte Schlacht verlor dieser an Mohammed Gauri. Die Historiker schreiben, dass Prithvi Raj in der Nacht vor seiner Niederlage bei einem Dienstmädchen gefunden wurde. Desgleichen wird von Napoleon Bonaparte berichtet, dass er die Schlacht von Waterloo verlor, weil er in der Nacht zuvor der Sexualität nachgegeben hatte. Dies lehrt die Geschichte. Ihr könnt es aus eurer alltäglichen Erfahrung bestätigen.

Ein Hund und ein Unreiner sind immer ruhelos.

Wenn bei einem Hund ein Gefühl der Lust aufkommt, hält es dreißig Tage an. Und welches ist das Schicksal solcher Menschen, in denen ständig Gedanken tierischer Leidenschaft vorherrschen? Es geschieht durch die Augen, dass unsere hinausströmenden Kräfte von Lüsten bedrängt werden. Wenn ihr es vermeiden wollt, schaut nicht in die Augen des anderen Geschlechts. Ihr könnt dann in einem großen Ausmaß sicher sein. Mathematiker haben ausgerechnet, dass wir durch die Augen nicht weniger als 83 % unserer Eindrücke aufnehmen. Durch die Ohren sind es 14 %. So werden 97 % der äußeren Eindrücke durch diese beiden Quellen gesammelt und die verbleibenden 3 % durch andere Sinnesorgane.

Ein Moslem-Weiser hat gesagt:

Schließe deine Augen, Ohren und Mund. Wenn du dann nicht die Wirklichkeit erfährst, lache über mich.

Guru Nanak erklärte:

O törichtes Gemüt, lerne zu Hause zu bleiben!

Dieser Körper ist das Haus. Wenn das Gemüt am Hinausströmen gehindert und im Körper konzentriert wird, beginnt es die erhabene Wahrheit zu erfahren. Erst nachdem man die Grenzen der Sinne überschritten hat, erkennt man, dass einen Naam (das Wort) aufwärts bringt, die Begierde dagegen nach unten zieht. Wie kann sich ein Mensch, der immer tierischen Leidenschaften verfallen ist, mit dem Wort verbinden? Einige Aspiranten sagen, dass Naam keine Früchte trägt. O Brüder, macht euer Leben rein! Ein Tagebuch zur Selbstprüfung zu führen, wie ich es vorgeschrieben habe, hat seine Bedeutung. Es muss verstanden werden, dass man, je reiner das Leben wird, umso mehr Zugang zu den höheren spirituellen Ebenen erhält. So ist Reinheit des Lebens wesentlich.

Alle fünf Leidenschaften – Lust, Ärger, Habgier, Verhaftetsein und Ichsucht – sind die verkehrte Form ein und derselben Sache – des Wunsches. Nehmt an, ein Fluss mit starker Strömung fließt ruhig dahin. Legt einen großen Stein hinein; das Wasser wird dagegenschlagen und zwei Dinge verursachen – Schaum und Getöse. Ebenso wird, wenn wir bei der Erfüllung eines unserer Wünsche ein sichtbares oder unsichtbares Hindernis befürchten, dieser Wunsch sich in Ärger verwandeln. Erfahrt ihr direkt oder indirekt, dass jemand etwas gegen eure Wünsche sagte oder tat oder gewisse Erschwernisse in den Weg legte, mögt ihr ärgerlich werden. Im Allgemeinen nimmt der Ärger zwei Formen an: eine laute Stimme und Schaum. Ein ärgerlicher Mensch kann nicht langsam sprechen. Er beginnt zu schreien und vor Wut zu schäumen. Dann verfällt man in Gegenbeschuldigungen und Parteilichkeit und verleumdet andere. Dem folgen Wellen der Lust und des Zorns. Wisst ihr, was durch eine solche Behinderung geschieht? Aus Eitelkeit will jemand unbedingt etwas haben. Dies ist als Habgier bekannt. Hat man das Gewünschte, lebt man in der Furcht, es wieder zu verlieren. Dies nennt man Verhaftetsein. Dann schwelgt man in Besitzerfreude und brüstet sich, es erreicht zu haben. Dies gilt als Ego oder Ichsucht.

Der Wunsch ist die Ursache aller fünf Leidenschaften. Darum mahnte Buddha:

Seid wunschlos.

Das ist sehr bedeutungsvoll. Wir lesen es nur oberflächlich und denken nie ernsthaft darüber nach, was dem zugrunde liegt. Guru Amar Das erklärt, dass das Gemüt innerhalb der zehn Körperöffnungen umherwandert. Wie kann es da den Herrn verehren? Welches ist die Krankheit, unter der das Gemüt leidet? Es ist durch die Sinne gefangen, welche es in sinnlichen Bestrebungen verstrickt halten. Der einzige Weg, ihm dieses Verlangen abzugewöhnen, besteht darin, die Sinne zu bezwingen und das Gemüt in Zucht zu nehmen.

Nun kennen wir die Leiden, welche uns überwältigen – Lust und Ärger –, von denen die ganze Welt mitgerissen wird.

Der Gurbani geht so weit zu sagen:

Einer, der frei ist von Lust und Ärger, ist der Mensch gewordene Gott.

Von Wem keine Wellen tierischer Leidenschaften und Erregung ausgehen, ist eine Verkörperung des Herrn. Schon durch den flüchtigen Blick eines solchen Menschen, Der andere durch Seine Ausstrahlung beeinflusst, werden alle Leidenschaften ausgebrannt. Das ist ganz natürlich, weil Er Sein Gemüt unter Kontrolle hat.

Einer, bei Dessen Anblick das Gemüt zur Ruhe kommt, wird ein Satguru genannt. Das Gemüt kann nie bezwungen werden, es sei denn, mit der Gnade eines Meisters.

Dies ist die Aussage eines Moslem-Weisen. Wie kann also das Gemüt beruhigt werden? Es ist durch die Verbindung mit einem spirituellen Adepten möglich. Das ist der erste Schritt. Zunächst erklärt Er die Theorie; dann gibt Er einen praktischen Beweis der esoterischen Wissenschaft. Des Weiteren gewährt Er dem Neuling die nötige Führung.

Tulsi Sahib sagte dasselbe:

Die Aufmerksamkeit wird in der Gemeinschaft eines Sadh – einer disziplinierten Seele – beruhigt.

Die Verbindung mit einem Lebenden Meister ist als Satsang bekannt, der im Meer des Gemüts als Wellenbrecher dient. Im Meer ist ein langer Steindamm errichtet, an dem sich die Wellen brechen, wenn sie gegen ihn schlagen. Andererseits kann man leicht im Wasser baden und sein Spiegelbild darin sehen. Die Gemeinschaft mit einer Großen Seele erfüllt den gleichen Zweck. Für einen Augenblick wird der Gemütsstoff daran gehindert, nach außen zu fließen, wodurch Selbsterkenntnis aufdämmert.

Guru Amar Das erklärt nun, wie das Gemüt bezwungen werden kann:

Was für eine wunderbare Sache! Durch die Berührung mit der alles durchdringenden ewigen Wonne wird das Gemüt zahm.

Die Hilfe, sagt Er, liegt darin, eine Verbindung mit dem alles durchdringenden Geist oder dem Wort herzustellen, das in jedem menschlichen Herzen zu finden ist. Dann kommt das Gemüt leicht zur Ruhe, und alle Leidenschaften hören auf, Macht über es zu gewinnen.

Nach diesem Hinweis erläutert Er, was Naam ist:

Ram Naam (das alles durchdringende Wort) ist sehr, sehr schwer zu bekommen; durch die Weisungen des Meisters könnt ihr am Elixier des Lebens teilhaben.

Guru Amar Das sagt, dass die Kraft Gottes, Die alles durchdringt – Ram Naam – als das Wort bekannt ist. Es in dieser Welt zu finden ist überaus mühsam. Eine Verbindung mit ihm macht das Gemüt gefügig. Einzig durch die Gnade eines Meisters können wir den Nektar von Naam oder seine ewige Wonne kosten. Zuerst sollte man einem Meister-Adepten der spirituellen Wissenschaft begegnen, mit Ihm Verbindung halten und Seinen Anordnungen folgen. Dann mag Er uns den inneren Kontakt mit Naam gewähren, welches alles durchdringt. Es ist das Allheilmittel für alle Übel des Gemüts.

Die ätherische Musik ertönt in jedem Menschen, wie es in den Veden zum Ausdruck kommt. Die Upanishaden beziehen sich auf Udgit (die Musik des Jenseits). Im Rig Veda wird sie als Vak Sidhi bezeichnet. Unter den Moslems ist sie als Kalma bekannt. Die Hindus nennen sie Nad und schreiben ihr die Manifestation von vierzehn Bhavans (Regionen) zu. Sie alle sprechen von derselben Sache. Durch Naam wurde eine Vielzahl von Ebenen und Unterebenen gebildet. Himmel und Erde wurden durch Shabd geschaffen, das in jedem Herzen erklingt. Die Christen haben es das Wort genannt.

Bei Johannes lesen wir:

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.

Das Wort war, ehe es die Schöpfung gab. Alle Großen Seelen haben diesen Punkt hervorgehoben. In jedem von uns ist ein Göttliches Bindeglied, und durch die Gemeinschaft mit ihm wird das Gemüt beruhigt. Dazu gibt es in der Gita ein Gleichnis aus dem Leben Lord Krishnas. Während er auf der Flöte spielte, sprang er in den Yamuna-Fluss (der menschliche Körper) und zähmte die hydraköpfige Kobra durch die Weise seiner magischen Flöte (den hörbaren Lebensstrom). Dies ist eine sinnbildliche Darstellung. Was ist die hydraköpfige Kobra? Sie ist nichts anderes als das eigene Gemüt. Es kennt zahllose Wege, den Menschen zu fangen – gebildete Leute durch ihr Wissen, Ergebene durch ihre Kontemplation usw. – und erzeugt in jedem die Ichsucht. Doch wenn man auf die Innere Musik hört, die in uns allen erklingt, wird das Gemüt für immer bezwungen.

Trinkt man den Nektar von Hari Naam (der allumfassende Impuls), wird das Gemüt gefügig. Das Gemüt wird durch die Verbindung mit Naam oder dem Wort stetig.

Gerade wie eine Maus schwer wird, wenn sie Quecksilber nimmt, was sie unfähig macht, sich rasch zu bewegen, so wird das Gemüt, wenn es am Elixier von Hari Naam teilhat, all seine Verzweigungen aufgeben. Es ist der einzige Weg, das Gemüt an Disziplin zu gewöhnen.

Naam und der Meister (das personifizierte Wort) sind die beiden einzigen Heilmittel für das Gemüt. Wenn Feuer unter der Asche glimmt, scheint es, als ob keines da wäre, doch sobald ein kräftiger Wind bläst, regt es sich wieder. Sprengt man Wasser darauf, entzündet es sich nie, selbst wenn tausend Stürme kommen. Das Gemüt will Freude. Weltliche Freuden werden in zwei Hauptkategorien eingeteilt: das Betrachten schöner Dinge und das Hören wohlklingender Musik. Durch außergewöhnliche Schönheit und liebliche Musik wird das Gemüt unwiderstehlich angezogen.

Wenn sich ein Kind mit Spielzeug beschäftigt und man es davon abbringen will, muss man ihm etwas geben, das es mehr fesselt. Sperrt man das Kind in einen dunklen Raum, fängt es bestimmt laut zu schreien an. Ähnlich ist das Gemüt im Allgemeinen von äußeren Dingen berauscht, wie reizvollen Bildern und melodischen Weisen. Es würde durch die Innere Glückseligkeit, die weit mehr Freude bringt, bezähmt. So hat Naam oder das Wort beides in sich: als erstes Licht, Göttliche Schönheit und die Wonne der verschiedenen feinstofflichen und kosmischen Regionen. Wenn man zu diesen gelangt, bedeuten uns die äußeren Freuden nichts mehr. Zweitens vernimmt man dort die Himmlische Musik.

Nachdem man innerlich die ewige Wonne genießt, verlieren die Sinnesfreuden all ihren Reiz.

Wenn der Tonstrom hörbar wird, macht die Glückseligkeit, die er mit sich bringt, alle Sinnesfreuden schal und wertlos. Nun ist die Frage, wie wir mit ihm verbunden werden. Nur durch die Weisungen eines Meisters können wir am Elixier von Hari Naam (dem alles durchdringenden Wort) teilhaben. Kabir sagt, dass wir zu einem Meister gehen und Ihn fragen sollten,

Wo im Körper der Sitz des Gemüts ist und welches die Kanäle sind, durch die es hinausfließt?

Wenn man so viel Glück hat, zu einem Kompetenten Meister zu kommen, erklärt Er, wo sich das Gemüt im Körper befindet und wie es nach außen geht. Kabir sagt, wenn man erkennt, dass ein Meister kein Adept der esoterischen Wissenschaft ist, sollte man sich von ihm trennen und nach einem Vollendeten Meister suchen. Wer sein Gemüt nicht unter Kontrolle hat, kann euch in dieser Hinsicht nicht helfen. Gehen wir zu einem Vollendeten, sind wir schon durch die Verbindung mit Ihm gesegnet, und das rastlose Gemüt wird beruhigt.

Auch Maulana Rumi hat erklärt:

O Gemüt, suche die Nähe von Einem, Der mit dem Zustand unseres Gemüts völlig vertraut ist.

Er weiß, wie hilflos wir unter der Einwirkung des Gemüts nach unten treiben. Nimm die Gemeinschaft eines solchen an, Der es überwacht und in Dessen Nähe man eine beruhigende Wirkung verspürt.

Maulana Rumi fügt hinzu:

Verschwende deine Zeit nicht wie Müßiggänger, die alle Märkte der Welt durchstreifen. Setze dich in den Laden eines Solchen, Der mit Honig handelt.

Er sagt ferner, dass

viele Töpfe kochen, die bis zum Rand gefüllt sind.

Dies bedeutet, dass es überall eine Menge Propaganda gibt. Die Welt ist voll von falschen Meistern. Wenn uns ein Meister innerlich über den Sitz des Gemüts hinausführen und uns erklären kann, wie dieses nach außen fließt, ist es gut. Sonst sagt ihm Lebewohl, und sucht nach einem Wahren Lehrer. Vergeudet nicht eure Zeit.

Niemand verurteilt seine eigene Sache. Im Gegenteil, jeder behauptet, sein Stand sei der beste.

Maulana Rumi sagt, der Kochtopf könnte Säure statt Milch enthalten. Geht, nehmt an einem spirituellen Vortrag teil, und sucht die Wirklichkeit herauszufinden. Schließlich habt ihr einen Verstand mitbekommen. Es ist euch möglich, einen Meister zu prüfen und euch ein Urteil über Ihn zu bilden. Zumindest werdet ihr eine gewisse Gemütsruhe, inneren Frieden und eine Klärung der Sache feststellen. In dem Fall ist man mehr oder minder überzeugt. Sucht die praktische Führung eines Adepten. Verbindet euch mit dem alles durchdringenden Naam im Innern. Lauscht man seinen Himmlischen Weisen, wird das Gemüt immer ruhig. Dies ist die genaue Erklärung des Pfades der Meister, der aus zwei Aspekten besteht: einem objektiven und einem subjektiven. Jede Religionsgemeinschaft hat ihre eigenen Lehren. Der subjektive Aspekt aller ist für die ganze Menschheit ein und derselbe.

Der Gurbani hat Gurumat – die Lehren der Meister – so erläutert:

Der Kern von Gurumat ist, dass man sich mit dem Wort verbindet. Wer die Anweisungen des Meisters wirklich befolgt, kostet das Elixier des Lebens, und sein Gemüt wird dadurch, dass er daran teilhat, gefügig.

Der einzige Weg, das Gemüt zu beruhigen, ist, die Führung eines Meisters zu suchen. Er gibt eine Verbindung mit Naam und einen praktischen Beweis vom Übersteigen der Sinne. Wenn ihr regelmäßig die spirituelle Praxis ausübt, wird euer Leben umgewandelt. Alle Sinnesfreuden hören auf, Macht über euer Gemüt zu haben.

Guru Amar Das erlebte diese ewige Wonne, als Er nach einer Suche von 70 langen Jahren zu den Füßen von Guru Angad kam. Er gibt uns einen genauen Bericht über Seine persönliche Erfahrung:

Durch die Verbindung mit Shabd wird das Gemüt erfrischt und verehrt als dann den Herrn.

Zuerst gebrauchte Er die Bezeichnung Ram Naam und jetzt Shabd oder das Wort. Beide wurden völlig gleich erklärt.

Die Schöpfung und die schließliche Auflösung des Universums werden durch das Wort bewirkt, und durch das Wort kommt es erneut ins Dasein.

Ist man mit Naam verbunden, wird sich die Aufmerksamkeit über die Ebene der Sinne erheben und das Gemüt reinigen. So wird es nicht länger von den äußeren Eindrücken beschmutzt, die sich durch die nach außen gehenden Sinneskräfte ansammeln. Wenn man auf den Tonstrom hört, werden eingewurzelte und von früheren Geburten aufgespeicherte Eindrücke zunichte gemacht. Was ist das Kennzeichen eines reinen Gemüts? Es hat keine mentalen Schwankungen mehr; stattdessen herrscht Beständigkeit. Durch unablässige Erinnerung des Herrn werden alle weltlichen Eindrücke zerstört. In einem solchen Zustand der Ausgeglichenheit kann sich Naam entwickeln. Als Folge davon wird das Gemüt gereinigt und fähig, den Herrn im rechten Sinne anzubeten. Es muss lediglich beruhigt werden.

Bhai Nand Lal sagt:

Ein Vollendeter Meister ist eine unübertreffliche Hilfe für das Gemüt.

Die bisherige Erörterung galt den Übeln, welche das Gemüt befallen. Nun wird erklärt, wie ein Vollendeter Meister ein zerstreutes Gemüt festigen kann.

Ein Adept der spirituellen Wissenschaft bewirkt die Konzentration des Gemüts durch Seine geladene Aufmerksamkeit. Ein Gnadenblick von Ihm reicht aus, uns zu befreien.

So ist die Gemeinschaft mit einem spirituellen Adepten unerlässlich. Der Meister sagt nun, dass Göttliche Musik in euch erklingt. Verbindet euch mit ihr. Das Gemüt wird sodann gereinigt und fähig sein, den Herrn zu lobpreisen. Erst wenn ihr an etwas denkt, das ihr immer vor euch habt, wird die Verunreinigung des Gemüts beseitigt.

So ist der erste Schritt der Kontakt mit einem Erwachten Menschen, und der zweite, sich innen mit dem Wort zu verbinden; das ist ein wahrer Satsang. Beide Schritte sind für die Beruhigung des Gemüts und seine Reinigung hilfreich. Man wird verstehen, welche Bedeutung die Verehrung des Herrn hat, und die Frucht davon ernten.

Wenn in der Gemeinschaft mit einem Heiligen das Gemüt anderswo gebunden ist,

sagt Kabir,

gleicht der Zustand eines solchen Menschen dem einer unbearbeiteten Kokosnuss, die man in keiner Farbe färben kann.

Auch Soami Ji sagt:

Geh hin und sitze mit empfänglichem Gemüt in der Gemeinschaft einer Großen Seele. Höre Ihr mit gespannter Aufmerksamkeit zu.

Löse dich für einen Augenblick von allem ringsumher, und spüle alle weltlichen Gedanken fort; nur dann zieht man Nutzen aus der geladenen Atmosphäre. Ein solcher Satsang ist so viel wert wie tausend andere, die man nur mit zerstreuter Aufmerksamkeit besucht. So wohnt einem Satsang mit ungeteilter Aufmerksamkeit bei. Nur dann kann man allen Gewinn davon ableiten.

Guru Amar Das lässt uns nun aus Seiner persönlichen Erfahrung wissen, wie Er Sein Gemüt unter Kontrolle brachte:

Selbsterkenntnis dämmert durch die Führung eines Gottmenschen auf. Nur dann kann die Seele in die Wahre Heimat eingehen. O Seele, dein Wohnort ist der Himmel, aber leider bist du durch die Bindung an die Materie gefangen!

Alle Großen Seelen haben gesagt, dass man, ehe man das Reich Gottes erlangt, durch die Weisungen des Meisters mit Selbsterkenntnis gesegnet wird.

Die Upanishaden Führen ebenfalls an:

Erkenne dich selbst.

Guru Nanak bemerkte:

Nanak, ohne Selbstanalyse nehmen die schädlichen Auswirkungen der Täuschung kein Ende.

Auch Christus hat gesagt,

Erkenne dich selbst.

Solange wir das Selbst nicht erkennen, verliert sich die Fata Morgana der äußeren Welt nicht. Alle Heiligen haben diesen Punkt hervorgehoben. Ihr Geheimnis ist die Selbstanalyse, was der Selbsterkenntnis gleichkommt, indem die Seele aus den Fängen des Gemüts und der Sinne befreit wird. Wie könnt ihr den Herrn erkennen, ohne zu wissen, wer ihr selbst seid?

Die erste Frage, die uns alle Großen Seelen vorgelegt haben, bezieht sich auf die Selbsterkenntnis. Selbsterkenntnis geht der Gotterkenntnis voraus. Dies kann man nur durch die praktische Führung eines spirituellen Adepten erreichen, Der Sein eigenes Selbst erforscht hat. Was schärft Er uns ein? Schüttelt die Wirrsal des irdischen Daseins ab, und erhebt euch über das Körperbewusstsein. Es gibt verschiedene Hüllen, welche die Seele bedecken – die physische, die astrale, kausale und die große kausale. Sowie die Seele die Begrenzungen der drei Körper – des physischen, astralen und kausalen – überschreitet, erlangt man Selbstbewusstsein, Kosmisches Bewusstsein und Überkosmisches Bewusstsein. Erhebt man sich über den Kausalkörper, dämmert die Selbsterkenntnis auf; man ist der Wirklichkeit näher und kennt sie.

Wie kann das Geheimnis des Erkenne dich selbst! gelöst werden? Mit der Gnade eines Gottmenschen kann man die Selbsterkenntnis erfahren und somit in die Wohnstatt des Herrn eingehen, in die Wahre Heimat der Seele. Man nenne sie Sach Khand oder Sat Lok; sie bleibt von der Heimsuchung durch die Auflösung und die große Auflösung unberührt.

Als Guru Amar Das dies erkannt hatte, erklärte Er:

O Gemüt, berausche dich an dem Elixier von Naam, und rühme den Herrn.

Du (das Gemüt) hast die sinnlichen und weltlichen Freuden gekostet. Nun erfährst du die Glückseligkeit von Naam und unterscheidest zwischen ihnen. Du wirst feststellen, dass sie sich nicht vergleichen lassen. Naam, das Elixier des Lebens, ist weit wonnevoller als die schalen Genüsse der Welt. Alle Großen Seelen haben es gepriesen. Guru Nanak sagte dasselbe, als Er zu dem Mogul-Herrscher Babar ging. Dieser nahm indischen Hanf, ein Rauschmittel, zu sich und bot es Guru Nanak an.

Guru Nanak sagte:

O Babar, das Rauschmittel, das Ihr nehmt, erzeugt nur eine vorübergehende Trunkenheit und ein flüchtiges Vergessen. Ich habe die Berauschung (von Naam), deren Wirkung man ständig spürt. Die Berauschung von Naam, o Nanak, hält Tag und Nacht an.

Auch Shamas-i-Tabrez hat diesen Zustand der Berauschung erwähnt.

Ich bin der Urquell ewiger Wonne. Wenn nach meinem Tod Dünger aus meinem Körper gemacht wird und man diesen Dünger auf ein Feld streut, wo Weizen wächst, werden der Koch und der, welcher die Chapatis (Brot), die man aus diesem Weizen herstellt, bringt, in Ekstase tanzen.

Große Seelen haben versucht, diese Wonne im Vergleich mit weltlichen Freuden zu beschreiben. Aber ein solcher Vergleich ist überhaupt nicht möglich. Die Wonne des reinen Weins von Naam (das Wasser des Lebens) erheitert weit mehr als die sinnlichen Freuden der Welt. Es gibt keine entsprechenden Beispiele, diesen Zustand zu beschreiben.

Guru Amar Das sagt nun:

O Gemüt, du bist mit sinnlichen Freuden vertraut; nun erfährst du die Berauschung von Naam und stellst den Unterschied fest. Es ist der Herr, Der allen Trost gewährt; durch die Vereinigung mit Ihm werden alle aus dem Gemüt kommenden Wünsche erfüllt.

Er sagt, dass der Herr das Meer allen Trostes ist und glückselig macht. Welche Wirkung hat es, wenn man sich mit Ihm verbindet? Gegenwärtig tauchen im Gemüt viele Wünsche auf, doch keiner von ihnen scheint erfüllt zu werden. Aber durch die Gotterkenntnis wird man ein Bewusster Mitarbeiter des Göttlichen Plans, und die Natur wirkt ganz von selbst zu unseren Gunsten. Dies führt zur Reinigung des Gemüts. Die Natur wird einem solchen Menschen zu Gebote stehen.

Patanjali geht so weit, zu sagen, dass ein Yogi, wenn er es will, seine eigene Welt schaffen kann. Was ist letztlich die Welt? Sie ist ein bloße Widerspiegelung des Göttlichen Willens. Wenn man sich mit diesem verbindet, wird man Sein Bewusster Mitarbeiter. Dem Gedanken wohnt eine mächtige Kraft inne. Wie man denkt, so wird man. Auf der einen Seite ist Göttliche Wonne, während auf der anderen die sinnlichen Freuden sind. Wir müssen zwischen beidem wählen. Wir kennen die Gesetze der Natur nicht. Es ist ein Elixier des Lebens in ihr.

Ich war ein niedriger Mensch; es ist durch die Gnade meines Meisters, dass ich diesen Stand erreichte.

Guru Amar Das sagt, dass Er auch einmal auf der Sinnesebene gewirkt, nun aber mit der Gnade Seines Meisters den Höhepunkt der Spiritualität erreicht habe. Er bekennt, einen großen inneren Wandel gemacht zu haben – einen Wandel, den selbst ein Bösewicht feststellen würde, wenn er den Pfad aufnähme. Das ist der Grund, warum Guru Amar Das Seinem Meister eine so große Hochachtung bezeigt. Die Gotteskraft ist äußerst subtil; Sie wählt immer einen Menschlichen Pol, um in der Welt zu wirken. Ihr mögt Ihn den polarisierten Gott oder das Fleisch gewordene Wort nennen.

Die Größe des Meisters besteht darin, uns aus dem mächtigen Irrgarten des Gemüts und der Materie zu befreien.

Des Meisters Hand ist Gottes Hand, obwohl Er allem Anschein nach ein menschliches Wesen ist, denn die Gotteskraft wirkt in Ihm in Fülle. Bevor man einen Meister findet, ist man von weltlichen Freuden durchdrungen. Es ist der Meister, Der einen über das Körperbewusstsein hebt, indem Er Seinen eigenen Lebensimpuls eingibt. Worin liegt die Bedeutung einer Großen Seele? Sie ist ein befreites Wesen und kann uns ebenfalls befreien. Sie wird nicht vom Glanz der Welt berührt. Wenn man das von Ihm offenbarte Wort praktiziert, kann man sich auf jede Höhe erheben. Der große Weise Valmiki, Autor des Ramayana-Epos, war einst ein Straßenräuber. Was einem Menschen möglich ist, kann auch ein anderer erreichen, natürlich mit der rechten Hilfe und Führung. Jeder Heilige hat Seine Vergangenheit und jeder Sünder eine Zukunft. Man wird nicht über Nacht ein Heiliger.

Nachdem Sie mit dem Absoluten Eins geworden sind, wird den Heiligen eine Göttliche Aufgabe übertragen, und Sie werden in die Welt gesandt, um den weltmüden Seelen zu helfen. Einige sind von Geburt an erwacht, während andere hier die Vollkommenheit erlangen. Es gibt keinen Unterschied zwischen Beiden, da dieselbe Gotteskraft in Ihnen wirkt. Sie offenbaren Sich in verschiedener Gestalt gemäß den Bedürfnissen der Zeit und des jeweiligen Landes.

Aus dem Gefängnis des Gemüts befreit, bin ich nun weise geworden.

Guru Amar Das sagt, dass Er einst völlig in der Welt der Sinne verloren war, sich nun aber mit der Gnade Seines Meisters ewigen Lebens erfreue. Durch die Praxis des Wortes werde Er nicht länger von Empfindungen und Gefühlen beherrscht. Ganka, eine Prostituierte, wurde durch den einzigen Gnadenblick eines Gottmenschen auf der Stelle umgewandelt, als dieser kam, um vor einem schweren Regenguss, Der Ihn auf dem Weg überrascht hatte, Schutz zu suchen. Ein Mensch, Der mit Spiritualität geladen ist, steht weit über der Welt der Sinne. Er verbreitet Strahlen der Spiritualität, und wer auch immer in Seine Aura kommt, nimmt Seine Geistesströme unwillkürlich auf. Der bloße Anblick einer solchen Persönlichkeit reinigt das Gemüt, und man beginnt die Dinge in ihrer rechten Perspektive zu sehen. Eine derartige Wandlung vollzog sich im Leben von Guru Amar Das, als Er seinem Meister begegnete. Darum bestätigt Er es und rühmt die Größe Seines Meisters. Wer immer zu spirituellem Reichtum gelangte, erhielt ihn nur, wenn er mit einer Großen Seele in Verbindung kam, ob er es nun tatsächlich wusste oder nicht. Aber es ist gewiss, dass ein Wandel wie dieser nicht ohne den magnetischen Einfluss einer solchen Persönlichkeit zustande kommen konnte, denn das ist das Gesetz der Natur.

Gott Selbst ordnete an, dass niemand auch nur an Ihn denken kann, außer durch einen Satguru.

Niemand kann Ihn erkennen, es sei denn durch einen Vollendeten Meister. Dies ist ein fundamentales Prinzip. Wie kann einer, der im Staub kriecht, aus eigener Kraft das Menschliche in sich überschreiten?

Weiter erklärt Guru Amar Das:

Aus einem Schierling wurde ich zu einem Sandelholzbaum.

Er sagt, dass Er eine Wohnstatt für ungezügelte Wünsche allerart gewesen sei, die nun ganz und gar von ihm abgelassen hätten; stattdessen sei Er jetzt voll des Wohlgeruchs. Jeder Gedanke hat seine eigene Farbe und seinen eigenen Geruch. Ein lüsterner Mensch strömt zum Beispiel einen faulen Geruch aus, wie von einer Herde unsauberer Schafe. Desgleichen riecht einer, der von Ärger beherrscht wird, wie ein von schmutzigen Lumpen schwelendes Feuer. Ein Gottesfürchtiger Mensch strahlt wie die Jasminblüte, ohne Verwendung irgendeines Parfüms, ein sanftes Aroma aus. Alle Schönheit und Glorie liegt im Innern. Wenn man bloß den Saum vom Gewand eines Gottmenschen berührt, reicht es aus, einen Menschen umzuwandeln. Viele wurden von ihren physischen Leiden geheilt, als sie Jesus Gewand berührten. Die Schriften der ganzen Welt haben die Wahren Meister gepriesen, nicht die sogenannten Lehrer. Man kann sich selbst sein ganzes Leben lang erfolgreich täuschen und andere eine gewisse Zeit, aber Gott, Der alles sieht, kann nicht getäuscht werden.

Die innere Kraft,

pflegte mein Meister zu sagen,

ist unfehlbar.

Die Gurukraft ist allwissend und gewährt den inneren Zugang nicht eher, bis dass man für geeignet befunden wird. Diese Kraft lässt sich weder durch Klugheit noch mit List hintergehen. Man mag reden, so viel man will, und aus dem Praktizieren von Riten und Ritualen eine Schau machen, aber ohne Reinheit des Herzens kann man nicht nach innen gelangen.

Die menschliche Geburt ist ein seltenes Vorrecht, und man muss das Beste aus ihr machen.

Dies ist es, was jeder Heilige aufgrund persönlicher Erfahrung hervorgehoben hat. Das Selbst innen zu erkennen ist der größte Vorteil, den wir haben können. Es ist das ein und alles des menschlichen Daseins.

Ist nicht das Leben mehr denn die Speise und der Leib mehr denn die Kleidung?

Wir müssen wissen, wie man das Leben bewahrt, das wertvoller ist als die Pranas (lebenswichtige Energien), die den Körper erhalten. Selbsterkenntnis und Gotteskenntnis stehen höher als alles andere. Wir sind jedoch in nutzlose Bestrebungen der Welt verstrickt.

Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?

Weinend kamen wir in die Welt, und weinend gehen wir. Der Tod verschont niemanden, und er kennt keinen Kalender. Warum nicht das Eisen schmieden, solange es heiß ist. Von der obersten Sprosse der Leiter zu fallen ist in der Tat ein schlimmer Sturz und erweist sich oft als verhängnisvoll.

Es besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen Mensch und Tier. Ein Mensch ist mit der Unterscheidungskraft ausgestattet. Er kann das Rechte vom Falschen unterscheiden und hat die Freiheit, zwischen beidem zu wählen. Die Rishis der Veden beteten immer:

Führe aus dem Dunkel uns zum Licht, vom Wahn zum Wirklichen und aus Tod zur Unsterblichkeit.

Dies und viel mehr kann man im menschlichen Leben erlangen:

Durch großes Glück hast du eine menschliche Geburt erhalten. Dies ist die einzige Gelegenheit für dich, mit dem Herrn in Verbindung zu kommen; alles andere in der Welt bringt nichts ein. Suche die Gemeinschaft der Heiligen, und lerne dich innen zu verbinden.

Die menschliche Geburt ist ein seltenes Vorrecht, das einem durch ein unermessliches Glück zuteil wird. Der Mensch ist das Höchste und die Krone der Schöpfung; er hat große Möglichkeiten in sich, die er in jedem beliebigen Ausmaß entwickeln kann. Er kann wahrlich groß werden im menschlichen Leben, wenn er sich selbst und die Gotteskraft in sich erkennt. Der menschliche Geist ist vom gleichen Wesen wie Gott. Es ist bedauerlich, dass einer mit blauem Blut in den Adern die Gemeinschaft von Gemüt und Materie gewählt hat und nach der Melodie der Sinne tanzt. Darum legt der Meister großes Gewicht auf diesen Punkt. Nun stellt sich die Frage, wie man das Kronjuwel seines Lebens findet:

Das ewige Leben, nach dem du so sehr suchst (das Heilige Wort), kannst du von einem Heiligen bekommen.

Guru Arjan

Was ist Ram Naam? Es ist die alles durchdringende und alles umfassende Kraft Gottes. Um zu dieser Kraft zu gelangen, müssen wir alles andere aufgeben und die Gemeinschaft eines Heiligen suchen, denn alles Übrige in der Welt ist nichtig.

Christus sagt:

Verlasst alles und folget mir nach.

Lord Krishna unterwies seinen Krieger-Schüler Arjuna so:

Lass alle Philosophien beiseite, nimm Zuflucht zu mir und tue das, was ich dich zu tun heiße.

So müssen wir alle Werte des Lebens verstehen, die sozialen, ethischen und spirituellen. Das Ziel des Lebens ist allseitige Vollkommenheit, und es ist die höchste Bildung, der man sich zuwenden muss. Niemand verlangt von uns, dass wir Heim und Herd verlassen und in die Wildnis gehen. Es bedarf nichts weiter, als eine gewisse Zeit der Spiritualität zu widmen, was gegenüber allem anderen den Vorrang haben sollte. Eines Tages muss das Rätsel des Lebens gelöst werden, und je eher es geschieht, desto besser ist es für uns, jetzt und danach. Darum sagt der Große Lehrer:

Zur rechten Zeit begegnet man einem Vollendeten Meister.

Was tut Er?

Er verbindet uns mit der Kraft Gottes.

So sehen wir, dass man einem Purnapurush oder Lehrer höchster Ordnung nur dann begegnet, wenn es für einen bestimmt ist. Und finden wir einen solchen Lehrer, stimmt Er uns auf das Heilige Wort ein, und wir beginnen es zu praktizieren. Wie Guru Arjan sagt, kann man diese alles durchdringende Kraft nur von einem Heiligen erhalten, Der das Personifizierte Wort ist, denn der Satguru ist der Offenbarte Pol von Sat oder der Wahrheit; Er erfreut sich der Wahrheit und kann uns ebenfalls dazu bringen.

Die ganze Welt liegt in tiefem Schlummer, und auch wir schlafen. Wie kann uns einer aufwecken, der selbst schläft?

Nur eine freie Seele kann auch uns frei machen. Man muss zu einem befreiten Wesen gehen, Seinen Rat annehmen und durch das Befolgen Seiner Gebote für sich selbst Befreiung finden.

Jene, Die Sich mit dem Wort verbunden haben, Deren Mühen werden enden. Und Ihr Antlitz wird voll Glanz erstrahlen. Nicht nur werden Sie erlöst sein, o Nanak, sondern viele andere werden mit Ihnen die Freiheit finden.

Jap Ji, Epilog