Briefauszüge von Kirpal Singh

Botschaft an einen Schüler des Meisters

Indes wir uns auf dem Pfad der Gerechtigkeit befinden, entdecken wir, dass wir noch nicht vollkommen sind. Die Vollendung kommt langsam zu Stande. Sie bedarf der Hilfe der Zeit. Wenn jemand von der Höhe der gegebenen Richtschnur heruntergeht, schadet er sich selbst.

Es hat nichts zu sagen, zu welcher Glaubensrichtung einer gehört, solange er Gott und die Mitmenschen liebt; denn unser Pass für das Reich Gottes ist die Liebe, die wir im Herzen tragen, und nicht unsere konfessionelle Etikette.

Wir können Gott nicht auf irgendeine religiöse Glaubensanschauung beschränken, und so ist es Menschen aller Glaubensrichtungen, seien es Buddhisten, Moslems, Sikhs oder Angehörige anderer östlicher Religionsgemeinschaften, gegeben, ins Reich Gottes zu gelangen und darin zu verbleiben. Mit anderen Worten, das, was wir sind, macht uns zu Bewohnern des Himmlischen Reiches und nicht die Etikette, die wir tragen.

Wenn wir Psychologie oder Metaphysik studieren und mit den Gesetzen des Geistes vertraut sind, jedoch der Liebe und des Mitgefühls für unsere Mitmenschen ermangeln, stehen wir außerhalb des Reiches Gottes. Das, was wir sind, öffnet unserer Seele die Tür zu Gott und macht uns zu Seinem Segenskanal, damit wir anderen helfen können. Das Kind auf deinem Schoß oder der Hund zu deinen Füßen sorgt sich nicht um dein Wissen oder deine Meinung, aber wenn du ihnen deine Liebe gibst, reagieren sie darauf.

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Manche Menschen hoffen auf einen Himmel im weit entfernten Raum; aber der Himmel ist ein Bewusstseinszustand in diesem Leben. Wenn wir danach trachten, so zu leben und zu lieben, wie es Gott wohlgefällig ist, sind wir bereits Bewohner des Himmels, in den wir danach kommen. Denn das Reich Gottes ist ein Zustand des Bewusstseins, in dem wir Gott lieben mit unserem ganzen Herzen, mit unserer ganzen Seele und mit all unserer Kraft – und unseren Nächsten wie uns selbst.

Darum ist Religion eine Sache zwischen der Seele und Gott, und alle anderen Arten der Verehrung und das Beachten religiöser Vorschriften sind umsonst, wenn nicht die Göttliche Liebe in unserem Herzen Wurzel gefasst hat. Es ist der Tempel des Herzens, in welchem stets das Licht der Wahrheit und der Liebe brennen muss.

Seit die Welt besteht, findet ein beständiger Krieg zwischen den Mächten des Bösen und den Mächten der Gerechtigkeit statt.

Durch die Liebe wurden wir alle auf den Weg zurück zu Gott gestellt. So lasst uns alle für die Armee Gottes gewinnen. Wir müssen Kämpfer des Lichts sein!

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Wenn das Licht brennt, setzt man es nicht unter einen Scheffel, sondern stellt es auf einen Leuchter, damit es die Aufmerksamkeit der Wahrheitssucher anziehen kann. Was können wir tun, um zur Armee Gottes zu gehören? Die Antwort ist ganz einfach: „Geht den Weg der Gerechtigkeit“ und um diesen Weg der Gerechtigkeit gehen zu können, müssen wir ein Leben guter Gedanken, guter Worte und guter Taten führen. Jeder, der üble Gedanken hegt, ein übles Wort äußert oder eine üble Tat begeht, stärkt die Mächte des Bösen. Diejenigen, welche zu Gott gehören, sollten das Heilige Feuer mit reinen Gedanken, guten Worten und edlen Taten nähren, denn es verbrennt alles außer Gott und den Meister. Die erste Pflicht eines rechtschaffenen Menschen ist, seine Feinde zu lieben und zu versuchen, sie zu Freunden zu machen. Lehrt dem Ungerechten Gerechtigkeit und verbreitet das Licht der Weisheit! Um das zu vermögen, muss man erst weise genug sein und zudem ganz rein. Die Reinheit kann durch ein Bad in den reinigenden Wassern guter Gedanken, Worte und Taten erlangt werden.

Ich freue mich, dass du den Meister liebst. Gott ist Liebe und der Meister ist personifizierte Liebe. Er sendet immer Liebe aus, auf die sich diejenigen, die auf dem Weg sind, und andere, die darum kämpfen, abstimmen können.

Glücklich und begünstigt sind diejenigen, die ihre Schalen so halten, dass der Nektar hineinfließen kann.

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Ich werde glücklich sein, wenn ihr einander liebt, zueinander Vertrauen habt und euch in euren Bemühungen für die Heilige Sache des Meisters vereinigt. Für diese erhabene Sache des Meisters ist kein Opfer zu groß. Möge all unser Tun durch diesen Grundsatz allein geleitet sein.

Ich freue mich immer, wenn ich deine Briefe erhalte, die voll der Liebe und Ergebenheit sind, und ich würdige sie voll und ganz.

Liebe erzeugt wieder Liebe und die Liebe verschönt alles. Wenn diese Göttliche Eigenschaft entwickelt ist, wirkt sie mildernd und alles glättet sich, damit man einander auf liebevolle Weise begegnet und versteht. Ich habe für euch alle Liebe.

Was deine Spirituellen Übungen betrifft, so wirst du von Tag zu Tag mehr Erfolg haben, wenn du ihnen eine regelmäßige Zeit zuwendest und sie ganz genau ausübst. Lass keinen Tag ohne sie vergehen! Die Meisterkraft oben wird alle nur mögliche Hilfe gewähren. Meine Liebe und besten Wünsche sind mit dir.

Ich wünschte, alle Brüder und Schwestern würden friedvoller miteinander sein und harmonisch zusammenarbeiten. Wir stehen alle für eine gemeinsame Sache ein und sollten in allen unseren Angelegenheiten Netze der Liebe weben, damit sich andere durch unser idealistisches Leben angezogen fühlen.

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„Liebe und alle Dinge werden dir dazugegeben.“ Als Erstes ist der Satsang eine Verbindung mit dem Licht Gottes und dem Tonstrom. Dann folgt der Satsang, der vom Meister geleitet wird. In Seiner Abwesenheit sollten alle Brüder und Schwestern in Meditation und liebevollem Gedenken an den Meister zusammensitzen. Der zuletztgenannten Zusammenkunft strömt genauso die Liebe des Meisters zu, wenn sie selbstlos und voll der liebenden Hingabe an den Meister geleitet wird. Wenn sie von jemandem als persönliche Sache betrachtet wird, geht die Gnade des Meisters völlig verloren.

Ein Initiierter ist mit dem Meister verbunden, Der in Wohl und Weh immer für ihn Sorge trägt und ihn niemals verlässt. Der zuletzt erwähnte Satsang regt zur Liebe für den Meister und alle anderen Brüder an. Wir sollten klug und liebevoll sein, um die Einheit der Brüder zu verstärken. Ein Vater findet immer Gefallen daran, wenn er sieht, dass seine Kinder friedlich für seine Sache zusammenarbeiten.

Ein Meister ist wirklich ein Meister. Er hat zwar einen Körper genau wie jeder andere, aber zum Unterschied von ihm ist Er ein Übermensch, Der dich auf dem Pfad leiten und dir helfen kann. Die nämliche Frage wurde von Philippus an Jesus gestellt:

Herr, zeige uns den Vater, so genügt uns.

Und Jesus sprach zu ihm:

So lange bin ich bei euch, und du kennst mich nicht; Philippus? Wie sprichst du denn: Zeige uns den Vater? Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und der Vater in mir ist? Ich und mein Vater sind Eins. Wer mich sieht, der sieht den Vater. Die Worte, die ich zu euch rede, die rede ich nicht von mir selbst. Der Vater aber, Der in mir wohnt, Der tut die Werke.

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Wessen Inneres Auge offen ist, der sieht das Licht Gottes in sich wirken.

Die Yogis haben Mittel und Wege, sich nach Belieben an jeden Ort zu begeben. Heilige bedienen sich solcher Mittel nicht. Sie sind das personifizierte Wort und erscheinen sowohl hier als auch im Jenseits.

Nahezu alle Initiierten erhalten bei der Initiation eine Ersthand-Erfahrung. Wenn sie nicht fortgeschritten sind oder solche Erfahrungen nicht auch weiterhin hatten, ist der Grund unverkennbar der, den ich in meinem letzten Brief an dich genannt habe. Wenn ausreichende Zeit, zusammen mit vollem Glauben und zielbewusster Aufmerksamkeit für die Spirituellen Übungen aufgewendet wird und sie ganz genau ausgeführt werden, wie es bei der Initiation erklärt wurde, werden sie genauso fortschreiten, wie viele andere auch.

Die Übungen zerfallen in zwei Teile: die Theorie und die Praxis. Theorie ohne Praxis ist nicht wünschenswert. Diejenigen, welche die Theorie verstandesmäßig begriffen haben, können anderen zumindest die Theorie von „Sant Mat“ erklären und damit an ihren gesunden Menschenverstand appellieren. Sie können sagen, dass sie eine Erfahrung gemacht hatten, selbst wenn es nicht besonders viel gewesen ist, je nachdem. Dies wird andere Seelen, die nach der Wahrheit suchen, ermutigen, und sie werden dadurch zu richtiger Führung gelangen.

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Derjenige ist der Tapfere, der vergibt und vergisst. Vergebung ist in ethischer Hinsicht die größte Leistung. Wer vergeben kann, darf guten Mutes sein. Dagegen kann ein Mensch, der im anderen immer nur den Feind sieht, nie zur Ruhe kommen. Er denkt immer erst Schlechtes vom anderen und muss somit in Spiritueller Hinsicht verlieren. Wenn einer etwas Unrechtes tut, mag man sich höflich an ihn wenden und nach dem Grund fragen. Wenn man kleine und geringe Missverständnisse und etwas, das falsch aufgefasst wurde, gleich aufklärt, sollte die Liebe ungehindert weiterfließen. Doch wenn man ihnen erlaubt, weiter zu bestehen, und sie gar nicht beachtet, werden Maulwurfshaufen zu Bergen.

Freundliche und aufrichtige Worte kosten nichts. Sobald Gemütsruhe hergestellt ist, wird der Innere Fortschritt unweigerlich folgen.

In dieser Welt haben solche Menschen, die mit ihrem Inneren Aufstieg beschäftigt sind, ständig mit den Übergriffen von zwei mächtigen Feinden zu rechnen – dem Gemüt und der Materie. Sie versuchen immer, uns zahllose Hindernisse in den Weg zu legen. Wenn sich etwas Ungünstiges ereignet hat, brauchen wir darum nicht entmutigt zu sein. Wir würden besser tun, uns nun mit doppelter Liebe zu erheben, denn dann wird der letzte Sieg unser sein.

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Die Wünsche haben die Seele gedemütigt und erniedrigt. Wenn sie sich etwas wünscht und den Gegenstand ihres Wunsches nicht erhält, empfindet sie Schmerz. Gib darum deine Wünsche auf, und gewöhne dich daran, dem Willen des Vaters oben ergeben zu sein.

Sei dessen versichert, dass der Ablauf deines Lebens bereits festgelegt war, bevor du auf die Welt kamst. Die Freuden und Leiden und der allgemeine Lauf des Lebens waren vorherbestimmt. Nichts geschieht aufs Geratewohl, sondern durch ein sorgfältig reguliertes System, das als Rarichan bekannt ist.

Die Heiligen und die Welt differieren hier. Die Welt zahlt die Schuld und weint oder lacht, während die Heiligen weder lachen noch weinen, vielmehr von den Freuden und Leiden dieses Lebens gar nicht berührt werden.

Da erhebt sich die Frage: Was stützt die Heiligen in dieser Haltung?

Und die Antwort ist, dass, indes Sie zwar einen Körper haben wie wir und unter den gleichen äußeren Umständen leben, sie doch nicht wie wir an den Körper gebunden sind. Sie können die Aufmerksamkeit vom Körper nach Belieben zurückziehen und das nicht nur vom physischen Körper, sondern gleicherweise vom Astral- und Kausalkörper. Wenn die Aufmerksamkeit zurückgezogen ist, wird der Einfluss von Freude und Leid nicht empfunden, denn das Gemüt, das diese wahrnimmt – durch die Aufmerksamkeit –, ist dann nicht da. Sie ziehen Ihre Aufmerksamkeit zurück und leben im Tonstrom. Dieser Strom ist Ihr Leben. Sie lehren uns dasselbe zu tun und wünschen es nicht nur, sondern machen dem, der sich danach richtet und sich im Augenbrennpunkt durch die Wiederholung der Heiligen Namen sammelt, um dort dann den Tonstrom zu ergreifen und Naam zu erlangen, zu einem Heiligen.