Kirpal Singh

Rundschreiben 1971

Wie man Empfänglichkeit entwickelt - Teil IV

20. Februar 1971

Übersetzung aus englischen Vorlagen durch Schüler Kirpal Singhs

Im letzten Jahr habe ich aus den spirituellen Tagebuchblättern, die eingesandt wurden, beobachtet, dass sie wenig oder keinen inneren Fortschritt aufzeigen; manche bemerken auch, dass sie seit ihrer heiligen Initiation keine Fortschritte gemacht haben. Da hier ein Mangel an rechtem Verstehen vorzuliegen scheint, möchte ich den Vorgang klarstellen, durch den ein solcher Fortschritt erzielt werden kann.

Wenn die Lieben ihre spirituellen Übungen mit der erforderlichen Beachtung der Selbstprüfung richtig ausführten, dann würden sie, so sicher wie zweimal zwei vier ist, sich über das Körperbewusstsein erheben und ins Jenseits gelangen, wo der innere Meister geduldig wartet, um die Kinder an der Schwelle der Astralebene zu begrüßen. Da sie aber nicht fähig sind, dies auch nur für eine kurze Zeit zu erreichen, glauben sie irrtümlich, ihre Meditationen seien ohne alle konkreten Ergebnisse.

Wenn ihr imstande wäret, den Anweisungen des Meisters genau zu folgen, könntet ihr sicher mit Paulus übereinstimmen, der uns in der Bibel sagt:

Ich sterbe täglich.

Darum, was ist es, das euch daran hindert, den Anweisungen des Meisters zu folgen? Es ist euer eigenes Gemüt, das ihr noch nicht von den äußeren Bindungen an die Welt weg und zu der Glückseligkeit, die es im Inneren erwartet, hinwenden konntet.

Was der Meister euch zu tun heißt, ist nicht wirklich schwierig, wenn ihr nur die Einfachheit davon verstehen könntet. Er sagt euch, ihr sollt in einer für euch ganz bequemen Haltung sitzen, einer solchen, in der ihr am längsten sitzen könnt, ohne euch zu bewegen, und dass ihr, während ihr in dieser Haltung sitzt, völlig wach bleiben sollt, die Aufmerksamkeit auf den Sitz der Seele, hinter und zwischen den beiden Augenbrauen gerichtet; dass ihr liebevoll und ruhig in die Mitte der Dunkelheit, die vor euch liegt, schauen sollt, indem ihr den Simran der fünf geladenen Namen langsam und mit Zwischenpausen wiederholt.

Manche haben bei der Durchführung ihrer spirituellen Übungen auf die vorgeschriebene Weise in kurzer Zeit Erfolg; andere haben keinen Erfolg aus Mangel an bewusster Kontrolle des Gemüts und der nach außen fließenden Kräfte. Aus diesem Grund wurde immer mit Nachdruck darauf hingewiesen, alle unerwünschten Wesenszüge und Angewohnheiten auszurotten und sie durch entgegengesetzte, veredelnde Tugenden zu ersetzen. Für diesen Zweck ist die Führung des monatlichen Tagebuchs zur Selbstprüfung vorgeschrieben. Je mehr ihr darin fortschreitet, euch zum Menschen heranzubilden, desto besser werdet ihr euer Gemüt und die Sinne unter Kontrolle bringen. Dieses Thema, wie auch andere Aspekte der spirituellen Entwicklung, wurde bereits in meinen früheren Rundschreiben sehr ausführlich behandelt, die zusammen mit den "Morgengesprächen" den Maßstab bilden, den ihr anwenden könnt, um zu messen, inwieweit ihr bei eurer inneren und äußeren Disziplin Erfolg gehabt habt.

Was also mit "Wenn die Übungen nicht richtig durchgeführt werden" gemeint ist, ist einfach eine andere Weise auszudrücken, dass die zielbewusste Konzentration, welche das vollständige Zurückziehen zum Augenbrennpunkt einleitet, durch die Lieben nicht erreicht worden ist.

Ihr seid der Bewohner eures Körpers, aber noch nicht sein Herr. Eure Diener, das Gemüt und die fünf Sinne, haben sich des Thrones bemächtigt, auf dem eure Seele sitzen sollte. Solange sie nicht vertrieben und auf den ihnen zukommenden Platz als Diener gestellt sind, werden sie nicht erlauben, dass ihr euch zurückzieht und nach innen geht. Der Meister im Inneren wartet wie irgendein liebender Vater sehnlich auf den Tag, an dem ihr euer Haus in Ordnung gebracht habt. Es bedarf für Ihn nur einer günstigen Gelegenheit, euch dem Gefängnis des Körpers zu entreißen, und wenn Er einmal Seinen Fisch wie ein erfahrener Angler gefangen hat, wird Er ihn nicht mehr entkommen lassen, bis Er ihn sicher in Seinem Korb hat.

Der Mensch ist so veranlagt, dass er nicht lange auf einer Stelle verweilen kann. Entweder schreitet er vorwärts oder er fällt zurück. Ihr mögt für euch selbst beurteilen, welchen Weg ihr geht, indem ihr prüft, wie weit euer Gemüt und eure Sinne unter eurer bewussten Kontrolle sind.

Dies wird nicht nur durch eine ethische Lebensweise erzielt, sondern auch durch die innere Hilfe und Kraft, die ihr jedesmal bekommt, wenn ihr euch für eure Meditation hinsetzt. Wenn somit kein sichtbarer innerer Fortschritt erreicht wird, könnt ihr doch sicher sein, dass der Boden bewässert wird. Wenn immer ihr euch hinsetzt, schafft ihr eine Gewohnheit, die das Gemüt zu seinem besten Vorteil annehmen wird und die im Gegensatz zu seiner gegenwärtigen Gewohnheit steht, Freude in äußeren Dingen zu suchen. Gewohnheiten werden zur zweiten Natur, und dies ist der Grund für die gegenwärtigen Schwierigkeiten, denen die Lieben bei ihren täglichen Meditationen begegnen. Die Gewohnheit des Gemüts, äußeren Freuden nachzujagen, ist ihm zur Natur geworden. Aus dem Grunde wird es unwillig, wenn es in die Stille gehen soll. Wird eine neue Gewohnheit geschaffen, dann werdet ihr mit der Zeit die Natur des Gemütes von einer, die Freuden in äußeren Dingen sucht, in eine solche umwandeln, die nach der Glückseligkeit und Wonne dürstet, die von den inneren Dingen zu erlangen ist.

Dein ruheloses Gemüt geht beständig vom rechten Weg ab. Wie kann es jemals zum Gehorsam gebracht werden? Dies ist nur möglich, wenn Herz und Seele dem Wort oder Naam Gottes gegeben werden. Ein anderer Weg ist noch nie gefunden worden oder wird je gefunden werden.

Soami Ji

So wünsche ich euch, den Pfad voller Glauben und Vertrauen in den Meister zu betreten und vor allem dankbar zu sein, dass ihr in dieser schweren Zeit, in der wir leben, für die Initiation angenommen worden seid. Harret aus, harret aus und nochmals harret aus. Beharrlichkeit verbunden mit vollem Glauben in die gnädige Meisterkraft, die oben wirkt, wird eines Tages alle Hindernisse aus dem Weg räumen und das ersehnte Ziel wird erreicht werden.

Mit aller Liebe und besten Wünschen,
herzlich Euer

Kirpal Singh


Fußnote: