Kirpal Singh

Rundschreiben Nr. 67

Wie man Empfänglichkeit entwickelt - Teil I

13. Juni 1969

Übersetzung aus englischen Vorlagen durch Schüler Kirpal Singhs

Meine Lieben,

im Laufe der vergangenen zwei Jahre hat sich die Auslandskorrespondenz beinahe verdoppelt und die Zeit, die ich dafür aufzuwenden habe, hat sich entsprechend erhöht. In derselben Zeitspanne sind auch meine Verpflichtungen hier in Indien sehr angewachsen.

Viel Zeit, die ich für die Auslandskorrespondenz aufwende, könnte gespart werden, wenn die Repräsentanten und Gruppenbeauftragten in größerem Maße nach ihren Gebieten und einzelnen Satsangs sehen würden, für die sie verantwortlich sind. Wenn sie ihren Verantwortlichkeiten die gebührende Aufmerksamkeit schenkten und wenn sie ein gutes Beispiel gäben, würden die Veranlassung, der zufolge mir die Lieben unzählige Briefe über die laufenden Satsangangelegenheiten schreiben, vermieden. Außerdem könnten und sollten die meisten grundlegenden Fragen, die von Nichtinitiierten, die an den Lehren des Meisters interessiert sind, gestellt werden, und ebenso Fragen von Initiierten durch die Gruppenbeauftragten beantwortet werden, die dies von ihrer Warte aus tun können oder indem sie auf die Bücher, die ich geschrieben habe, verweisen. In meinen Büchern ist über fast alle Phasen der Spiritualität geschrieben und sie enthalten die Antworten auf die meisten Anfragen, die Nichtinitiierte oder solche, die bereits auf den Weg gestellt sind, stellen; aber laufend Briefe mit Fragen, die beantwortet werden könnten, wenn die Bücher und Schriften genau studiert würden.

Für alle Gruppenbeauftragten und Repräsentanten ist die Zeit gekommen, ihre Stellung auszuwerten und bereit zu sein, größere Verantwortlichkeiten auf sich zu nehmen als sie es bisher taten. Sie sollten eine ausreichende Kenntnis der Lehren haben, um in der Lage zu sein, die meisten Fragen über den Pfad zu beantworten, und sollten auch solche Fragen behandeln können, die die vergleichenden Religionen betreffen, mit spezieller Bezugnahme auf die Bibel, wenn mit dem Surat Shabd Yoga verglichen wird. Wenn ein Gruppenbeauftragter glaubt, dass er auf eine besondere Frage nicht antworten oder eine bestimmte Situation nicht lösen kann, mag die Angelegenheit zur Beantwortung dem Repräsentanten zugeleitet werden. Und wenn ein Repräsentant glaubt, dass er diese nicht richtig beantworten kann, mag sie nur in diesem Fall an mich verwiesen werden.

Ich möchte auch gerne ein paar Worte über die zahllosen persönlichen Probleme sagen, die die Lieben mir vorbringen für eine Lösung ihrer Schwierigkeiten. Indes ich gerne die rechte Führung gebe, sollte auch daran gedacht werden, dass die gnädige Meisterkraft, die oben wirkt, nach jenen sieht, die durch mich initiiert worden sind, und dass Sie immer mit ihren Kindern ist und alle ihre Probleme lösen kann, wenn sie sich für Sie aufnahmefähig machen. In dieser Hinsicht kann ein Gebrauch des gesunden Menschenverstandes zusammen mit ruhiger Überlegung der Tatsachen Wunder tun bei der Entwicklung der Empfänglichkeit für die Meisterkraft. Empfänglichkeit ist der Schlüssel, der nicht nur eure materiellen Schwierigkeiten löst, sondern auch das Reich Gottes in euch erschließt.

Bei der Initiation überträgt der Meister seinen eigenen Lebensimpuls. Wenn wir an Ihn denken, denkt Er an uns mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele. Er ist nicht der Körper. Er ist das personifizierte Wort, das fleischgewordene Wort. Um den vollen Nutzen aus der Meisterkraft zu ziehen, muss der Schüler Empfänglichkeit entwickeln. Es ist unmöglich, diese Empfänglichkeit zu entwickeln, solange nicht unbedingter Gehorsam gegenüber den Geboten des Meisters geleistet wird. Wenn ihr den Worten des Meisters Achtung zollt, dann ist das ein Zeichen, dass in euch die Liebe für Ihn zunimmt und je mehr in euch die Liebe für Ihn zunimmt, desto mehr Empfänglichkeit werdet ihr entwickeln.

Hier möchte ich auch noch gewisse Missverständnisse im Hinblick auf die Initiation klären. Eine Erfahrung von Licht und Ton wird immer gegeben, sei sie klein oder groß, was vom Hintergrund desjenigen abhängt, der initiiert wird. Es ergibt sich zuweilen, dass einer zu der Zeit angespannt ist, was seine Empfänglichkeit gegenüber der gnädigen Meisterkraft, die oben wirkt, verringert. Die besten Ergebnisse werden erzielt, wenn einer bei der Initiation entspannt und ganz frisch und munter ist. Es wird jedoch zuviel Nachdruck auf die Anfangserfahrung bei der Heiligen Initiation gelegt.

Das erste Zeichen dafür, dass Gottes Gnade auf eine Seele herabkam, ist, dass sie durch einen Lebenden Meister die Initiation erhält. Menschen, die mit dem "Wort" oder der Kraft von "Naam" verbunden werden, sind sehr begünstigt. Es ist allein durch Gottes Gnade, dass einer initiiert wird. Der größte Dienst, den ein Schüler dem Meister leisten kann, ist, ein geeignetes Gefäß zu werden, damit er auf die Kraft von "Naam" abgestimmt werden kann, mit der er verbunden worden ist. Die braucht jedoch Zeit. Der spirituelle Pfad ist schwierig und verlangt eine strenge Selbstdisziplin. Wir müssen immer auf der Hut sein vor allem, was uns vom Pfad abzieht. Wir müssen des Meisters Weisungen buchstäblich ausführen und regelmäßige Zeit den Meditationen widmen. Wir müssen lernen, die Eigenliebe zu überwinden, die ein Feuer ist, das verzehrt und zerstört und müssen stattdessen die Liebe zu Gott entwickeln, die ein Feuer ist, das läutert und reinigt.

Initiation bedeutet auch, dass einer durch den Meister angenommen ist, in die Schule der Spiritualität einzutreten. Es ist in keinem Fall eine Graduierung. Um eine weltliches Beispiel zu geben: Wenn ein Student von einer Universität zum Studium angenommen worden ist, ist er für gewöhnlich hoch erfreut über die bloße Aufnahme. Er geht nicht sofort zum Rektor und verlangt sein Graduierungszeugnis. Er weiß, dass er fest an seinen Studien arbeiten muss, um die Zwischen- und Abschlussprüfungen zu bestehen, ehe er ein Graduierter genannt werden kann. So er sich nicht darauf verlegt, braucht er nicht verwundert zu sein, wenn er in seinen Prüfungen versagt. Nachdem er seine Abschlussprüfungen bestanden hat, wird der Student mit einem Grad belohnt, der ihn berechtigt, sich höheren Studien zuzuwenden.

Wenn man schon so viel und so schwer arbeiten muss, um weltliches Wissen zu erwerben, um wieviel mehr sollte einer dann arbeiten und sich zur Disziplin erziehen, um für das, was der Meister ihm geben will, würdig zu sein.

Bis der Schüler anfängt, sich innerlich zu entwickeln und sich der Verbindung mit dem inneren Meister zu erfreuen, muss er notgedrungen fest an den äußeren Meister glauben. Der Meister enthüllt nicht auf einmal seine ganze Größe, sondern nur in dem Verhältnis wie der Aspirant seinen Eifer zeigt und Fortschritte macht auf dem Pfad. Es ist genau wie bei einem Studenten, der, wenn er in seinen Studien vorankommt, nach und nach immer mehr von der Fähigkeit seines Lehrers erkennt. Ähnlich beginnt der Meister wie ein gewöhnlicher Lehrer und gibt Weisungen, wie es jeder Freund und Gönner tun würde. Zu gegebener Zeit beweist er die Autorität eines Meisters, und zuletzt sieht man Ihn als Satguru in "Sat" oder die Wahrheit eingebettet. Auf dieser Stufe erscheinen Er und Gott ineinander verschmolzen, und es gibt keinen Unterschied zwischen ihnen.

Initiation bedeutet schliesslich nicht, dass das Leben für den Schüler ein Bett aus Rosen sein wird. Bei dieser Aufgabe der Selbstläuterung spielt das physische und mentale Leiden eine Rolle. Wen gibt es, der nicht zu irgendeiner Zeit seines Lebens leidet? Nach der Initiation beginnt der Prozess, die Bürde der Seele zu erleichtern, die sie in Knechtschaft hält. Dieser Prozess kann rasch und glücklich durchgestanden werden, wenn der Schüler das liebevolle Gedenken an den Meister im Herzen aufrecht erhält und sich bemüht, guten Mutes zu sein. Sowie der Schüler auf dem Pfad fortschreitet, erhält er spirituelle Kraft und die äußeren Widerwärtigkeiten verlieren ihre drückende Wirkung.

Ich wünsche euch allen raschen Fortschritt auf dem Pfad. Lasst in Einklang mit eurer spirituellen Entwicklung das Licht, welches in jedem von euch scheint, eine Quelle der Inspiration für eure Mitmenschen sein.

Ich hoffe, dass dieses Rundschreiben euch alle zu größerem Bemühen anspornen wird, damit bis dahin, wo ich, so Gott will, unter euch bin, ihr größeren Nutzen von der physischen Gegenwart des Meisters ableiten werdet.

Mit aller Liebe und besten Wünschen,
herzlich Euer

Kirpal Singh


Fußnote: