Kirpal Singh

Gott hat mein Haus betreten

Ein Darshangespräch, das Kirpal Singh in englischer Sprache am 22. März 1970 in Rajpur über eine Hymne von Kabir gehalten hat und das später in der deutschsprachigen Ausgabe von Sat Sandesh / Mai–Juni 1973 veröffentlicht wurde

Dies war eine Hymne von Kabir, Der Sein Glück würdigt:

Durch die Gnade Gottes hat das Fleischgewordene Wort mein Haus betreten, und ich bin begünstigt, dass der im Menschen offenbarte Gott zu mir gekommen ist. Was soll ich nun tun? – Er hat mir eine Verbindung mit Gott im Innern gegeben – so entwickle sie! Kein Augenblick sollte verloren gehen, ohne bei dieser Kraft zu sein. Das Ergebnis ist, dass ich ruhig und friedvoll in dieser Seligkeit sitze. Das Gemüt hat keine Gelegenheit, Wellen zu schlagen, es ist ruhig, still und heiter. O Gemüt, mache weiter mit dem, was du durch die Gnade Gottes bekommen hast, Der im menschlichen Körper erschienen ist und dein Haus betreten hat. Seht ihr, so glücklich bin ich. Die Folge davon ist, dass ich jetzt dem Rad des Lebens – Geburt und Tod – entkommen bin. Ich bin zu Hause bei Gott.

Kabir sagt:

O Gott, ich danke Dir. Der Fleischgewordene Gott Selbst kam zu mir und gab mir eine Verbindung mit Ihm, Der bereits in mir ist. O Gemüt, mache jetzt weiter! Verliere keine Minute der Verbindung mit Ihm.

Das ist es, was die Hymne sagt. Wie viele unter Tausenden, Millionen und Milliarden von Menschen erhalten die Verbindung? Sie sind hauptsächlich in äußerliche Arten der Verehrung vertieft – jene Methoden, die mit Hilfe der Hände oder der nach außen gehenden Kräfte oder des Verstandes ausgeführt werden. Wer kann uns die Verbindung geben, außer der Gott im Menschen – Gott, der im menschlichen Körper offenbart ist.

Welch großes Glück, o Gemüt, dass Gott im Menschen mein Haus betreten hat!

Dieser menschliche Körper ist wirklich ein Haus, in dem wir leben – ein äußeres Haus.

Ich erinnere mich, mein Meister ging einmal nach Lahore; Er war in einem Zimmer und gab jemandem Anweisungen. Als Er wegging, schloss ich es. Niemand konnte hinein. Wann immer man diesen Raum betrat, war die liebliche Musik zu hören. So sind diese Orte durch solche Persönlichkeiten gesegnet. Die Atmosphäre ist geladen. Wir sind sehr begünstigt, dass eine solche Persönlichkeit unser Haus betreten hat. So ist es unsere Aufgabe, Gott zu danken; unserem Schicksal, unserem Gott und dem Gott im Menschen zu danken. Lasst keinen Augenblick ohne das Gedenken, das beständige Gedenken, vergehen.

Das niedere Gemüt liebt es nicht, sich von außen zurückzuziehen. Manchmal versuchen wir ein oder zwei Stunden lang, nach Innen zu gehen; aber es bleibt nicht im Innern. Wenn wir aber einmal diese Seligkeit erhalten, diese Wonne im Inneren, die stärker, anziehender und berauschender ist als alles andere, werden wir nie mehr wagen, die Verbindung mit dieser Kraft zu verlieren. Die äußeren Dinge wirken auf uns anziehend; aber sind sie wirklich so anziehend? Wir sind bewusste Wesen, ein Tropfen aus dem Meer des Allbewusstseins, das ein Meer der Berauschung ist. Die äußeren Dinge sind materielle Dinge. Wenn ihr ganz in Anspruch genommen seid, völlig erfüllt seid von äußeren Dingen, dann habt ihr diese Wonne; es ist eine kleine Verbindung mit eurer eigenen Inneren Berauschung, so wie bei einem Hund, der einen Knochen frisst. Es ist kein Geschmack im Knochen, aber sein eigenes Blut, das herausfließt und das er wieder zu sich nimmt, erzeugt diesen Geschmack. So sind wir Wonne; wir sind ein Tropfen der Berauschung.

Wenn man von irgendetwas erfüllt ist, empfindet man, solange man sich damit beschäftigt, Freude; aber in Wirklichkeit ist es keine Freude. Wenn unsere Seele, die ein Tropfen aus dem Meer des Bewusstseins ist, mit allem Bewusstsein in Verbindung kommt, wird sie mehr Wonne, die höchste Wonne, erhalten. Wir sind wirklich vom selben Wesen wie Gott. Er ist ewig.

Gott ist alle Weisheit, Er ist alle Seligkeit, Freude und Glück. Wir alle wollen glücklich sein. Es ist bedauerlich, dass wir es an der verkehrten Stelle suchen; es ist in unserem Innern, und indem ihr mit dem höheren Bewusstsein in Verbindung kommt, werdet ihr glücklicher werden. Wir finden diese Widerspiegelung des Friedens und Glücks in den äußeren Dingen, wenn wir uns mit ihnen beschäftigen.

Wir sind begünstigt, Jemanden zu haben, Der uns in diesen Dingen einen Anhaltspunkt gibt – nein, keinen Anhaltspunkt, sondern für eine Weile einen Beweis davon. Diesen sollten wir von Tag zu Tag weiterentwickeln.

Dann werden wir wie Kabir sagen:

Ich bin sehr begünstigt, dass ich den Meister getroffen habe, Der mein äußeres und auch mein Inneres Haus betreten hat.

So, Gemüt, nun erfreue dich dieser Seligkeit. Verliere keinen Augenblick davon. Sei dankbar. Sieh die Dinge in der wirklich richtigen Perspektive.

Nur durch Konzentration könnt ihr diese Wonne empfinden; so ihr mit dem höheren Bewusstsein in Verbindung kommt, werdet ihr mehr Wonne erhalten. Wenn ihr euch mit den äußeren Dingen beschäftigt, werdet ihr auch ein Wonnegefühl haben; aber es ist nur vorübergehend, für eine Weile, nur ein Tropfen. Ist es nicht so? Sagt euch das nicht zu?

Seht ihr, alle Meister bringen dies der Welt. Shamas-i-Tabrez, ein Großer Heiliger aus Persien, sagte:

Schaut nicht auf meine äußere Kleidung. Es scheint, als ob ich in Lumpen lebe. Schaut in mich hinein und seht, wer ich bin.

Die Leute fragten Shamas-i-Tabrez:

Warum bist Du hierher gekommen?

Ich konnte es nicht abschlagen. Ich wurde gesandt. Schaut in mich hinein – ich bin der König der Könige.

Dies sind die Worte, die ich euch zitiere.

Was hast du uns gebracht?

Ich habe den sehr starken Branntwein des Himmels gebracht, um ihn an die Welt zu verteilen; das ist der Grund, warum ich zu euch gekommen bin.

So sagen alle Meister das Gleiche in Ihrer eigenen Sprache. Sie bringen uns etwas …

Was sagte Christus?

Ich bin das Brot des Lebens, vom Himmel gekommen. Wer von diesem Brot essen wird, der wird leben in Ewigkeit.

Beide drückten sich in verschiedenen Worten aus, aber sie besagen das gleiche. Begünstigt sind jene, die eine Verbindung bekommen und gleich Kabir sagen:

Sei Gott im Menschen dankbar.

Wir vergeuden unser wertvolles Leben mit unbedeutenden Dingen. Unser Meister pflegte die Menschen als Schüler einzustufen. Er sagte, dass alle dort Satsangis seien, aber es einige vertraute Satsangis gäbe – jene, die mit dem Meister daheim sind. Diese waren Ihm lieber als sonst irgendjemand auf der Welt.

Ihr erinnert euch, dass Christus einmal, als Er mit einer Anzahl von Leuten zusammensaß und man Ihm sagte, dass Seine Mutter und Seine Brüder gekommen seien, erwiderte:

Wer ist meine Mutter und meine Brüder? Wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.

Die Meister nehmen diesen Standpunkt ein. Alle vier Söhne des zehnten Gurus wurden gefoltert. Es saßen sehr viele Leute bei Ihm. Da kam Seine Frau und fragte ihn:

Wo sind meine Kinder?

– Ich habe sie geopfert für all diese meine Kinder.

Ihr könnt nicht wissen, wie teuer ihr dem Meister seid.

Jene, die gehorsam sind und nach dem leben, was Er sagt, vergessen alle Beziehungen. Er ist es, Der unsere Innere Verwandtschaft herstellt, die auch nach dem Tod niemals zerbrechen kann. Hier werden alle Dinge bezahlt, gib und nimm, das ist alles. Jeder muss seinen Weg gehen; aber die Innere Verwandtschaft kann niemals zerbrechen, nicht einmal nach dem Tod; nicht einmal nach dem Verlassen des Körpers. Unser Meister pflegte ein Beispiel zu geben von Menschen, die einen Fluss überqueren. Der Schiffer nimmt erst eine Ladung, dann einen anderen Posten, dann einen dritten Posten. Von jenen, die von Meistern initiiert wurden, wird einer nach dem anderen genommen. Alle werden gehen – einige früher, andere später. Doch auf der anderen Seite der Welt werdet ihr alle zusammenkommen.

Sind diese Dinge in den Büchern? Die Bücher können nicht alles erklären.

Der Hirte sieht nach uns. Die Leute fragten Christus:

Warum bist Du gekommen?

Er antwortete:

Ich habe meine Schafe verloren.

Als ich mit dem Flugzeug nach dem Westen abreiste, versammelten sich die Leute und fragten mich, warum ich weggehen würde.

Ich gehe dorthin, um all meine Brüder zu finden.

Wir erkennen nicht, welcher Segen uns zuteilwird. Macht den besten Gebrauch davon.

Der Fleischgewordene Gott ist gekommen – Er hat mein Haus betreten und mir eine Verbindung gegeben. O Gemüt, ruhe nicht für einen Augenblick.

Und das ist der Hauptzweck des menschlichen Lebens. Nur im menschlichen Körper und in keinem anderen könnt ihr in eure Heimat zurückkehren. Ihr seid begünstigt, den menschlichen Körper zu haben. Was ihr hier in einer kurzen Zeit tun könnt, kann in der anderen Welt – den höheren Ebenen – nicht in der zehnfachen Zeit erreicht werden. Jeder Tag, jede Stunde, jede Minute bringt uns dem Ende des menschlichen Körpers näher.

So eilt! Seid ruhig; begebt euch in den Schoß der Mutter. Nichts weiter ist zu tun. Das ist das Ergebnis der Anstrengung; aber der mühelosen Anstrengung. Es gibt zwei Wahlsprüche in der Welt; erstens:

Gott hilft denen, die sich selbst helfen;

aber auch:

Gott hilft denen, die sich nicht selbst helfen.

Helft euch selbst so sehr, dass ihr euch in dieser Anstrengung selbst vergesst. So geht zurück, zieht euch zurück. Hört auf zu denken; wenn das Gemüt, die nach außen gehenden Kräfte und der Intellekt beruhigt sind, führt diese Stille zum Licht und dann zum Ton.

So ist es verhältnismäßig leichter, wenn man ruhig sein kann und Vertrauen in die Mutter hat. Ihr könnt nicht ruhig sein, bis ihr volles Vertrauen in die Mutter habt. Ein Kind kann sich niemals vorstellen, dass ein Löwe kommen und es auffressen würde; es würde zur Mutter rennen und die Mutter würde sich eher vom Löwen auffressen lassen, als dass dies dem Kind geschähe; solche Liebe hat sie für das Kind. So seht ihr, wie begünstigt wir sind?

Ich habe zu euch hier über ein offenes Geheimnis gesprochen, von der Ebene des gesunden Menschenverstandes aus. Was bleibt nun? Lasst euch durch euer tägliches Tun nicht forttragen. Das Leben besteht aus einer Reihe von Unterbrechungen; es ist eine Sache von Geben und Nehmen – Rückwirkungen aus der Vergangenheit. Niemand kann auch nur davon träumen, dass alles nach seinem Willen und Wohlgefallen geht. Dessen ungeachtet, Geben und Nehmen sind vorübergehende Erscheinungen. Haltet an dem fest, was euch gegeben worden ist; es wird sich als Notanker erweisen. Bleibt unberührt, unbeeinflusst durch die äußere Atmosphäre, Hitze oder Kälte, Hurrikane oder irgendetwas anderes.

Wo ist das zu finden? – Es ist in euch selbst. So zieht euch zurück; ihr werdet es spüren. Erlaubt nicht irgendwelchen Wogen, die von außen kommen, durch die Sinne einzudringen. Schließt euch ein in euer Kämmerlein, so wie Christus sagte: das Kämmerlein eures Körpers.

Was bedeutet Meditation? Wenn ihr ins Innere eintretet, werdet ihr finden, dass Er dort ist, ganz abgeschnitten von außen. Es ist etwas, das euch praktisch gegeben wurde. Ihr müsst es durch regelmäßige Praxis entwickeln, indem ihr alle äußeren Bindungen auf die eine oder andere Weise ausmerzt.

Eine Mutter ist erfreut, wenn das Kind versucht, dahin und dorthin zu laufen, erst krabbelt das Kind, dann geht es, dann läuft es. Der Meister freut Sich, wenn Er sieht, dass Seine Kinder gehen. Er vergleicht nicht den laufenden Mann mit dem hüpfenden Kind; Er schätzt das Hüpfen ebenso. Ähnlich ist es bei der Mutter, nicht wahr? Das Kind ist der Mutter sehr teuer. Sowohl das laufende als auch das hüpfende Kind.

So lasst uns dankbar sein, das ist alles, was ich sagen kann. Kabir hat eine gute Lektion für uns.